Synagogen in Hessen
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- Großherzogtum Hessen 1823-1850 (Übersichtskarte mit handschriftlichen Ergänzungen) – 22. Darmstadt
Bischofsheim
- Gemeinde Bischofsheim, Landkreis Groß-Gerau — Von Wolfgang Fritzsche
- Basic Data ↑
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Juden belegt seit
Mitte 17. Jahrhundert
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Location
65474 Bischofsheim, Frankfurter Straße 48 | → Lage anzeigen
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Rabbinat
Darmstadt II
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preserved
ja
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Gedenktafel vorhanden
nein
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Weitere Informationen zum Standort
- History ↑
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Bereits Mitte des 17. Jahrhunderts können anhand von Bürgermeisterrechnungen vereinzelt Juden im Ort nachgewiesen werden. Bis zum Übergang vom 18. zum 19. Jahrhundert waren es aber kaum mehr als drei Familien, deren Vorstände als Schutzjuden eingetragen waren. Nach der Neuordnung der Länder zu Beginn des 19. Jahrhunderts zogen weitere Familien zu, die zunächst Mitglieder der Gemeinde in Rüsselsheim waren. Als dort um 1840 eine neue Mikwe erbaut werden sollte, verweigerten neben den Gemeindemitgliedern aus Königstädten auch die aus Bischofsheim ihre Zustimmung, einen Teil der Kosten zu übernehmen.1
Wann genau sich eine eigene Gemeinde gründete, ist anhand der heute bekannten Quellenlage nicht konkret nachweisbar. Nach Angelika Schleindl war dies 1825.2 Sicher dagegen ist, dass die Gemeinde 1837 im Obergeschoss des zweistöckigen Hauses von Isaak Seelig, respektive dessen Witwe, eine Stube gemietet hatte und diese als „Schule” nutzte.3 Zu diesem Zeitpunkt bestand die jüdische Gemeinde bereits mehrere Jahre. 1840 gehörten ihr 51 Personen an, darunter sechs schulpflichtige Kinder. Später schloss sich die Gemeinde, zu der auch die Juden aus Ginsheim zählten, dem Rabbinat II in Darmstadt an.
Waren es zunächst die Familien Selig und Kahn, die sich in Bischofsheim niederließen, kam bald aus Frankfurt die Familie Wallerstein hinzu und schließlich die Blumbergs aus Trebur.
Die überwiegende Mehrzahl der Gemeindemitglieder bestritt ihren Lebensunterhalt aus Handel, vor allem mit Landesprodukten wie Öl, Wolle und Vieh.4
1873 erreichte die jüdische Einwohnerzahl ihren Höhepunkt. Mit 60 Personen lag sie höher als die der Katholiken im Ort. Bis 1910 sank sie auf 50, um bis 1933 auf 24 Einwohner weiter abzusinken. Etwa die Hälfte von ihnen emigrierte in den folgenden Jahren, so dass Bischofsheim 1939 noch 13 jüdische Einwohner hatte. Sie wurden am 20. März und 21. September 1942 deportiert. Ihnen zum Gedenken findet sich am Marienplatz eine Gedenktafel.
- Betsaal / Synagoge ↑
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Wann genau sich eine Gemeinde formal gebildet hat, ist heute nicht mehr bekannt. Nach Angelika Schleindl war dies 1825. 1837 hatte die Gemeinde, die zu diesem Zeitpunkt bereits mehrere Jahre bestand, im Obergeschoss des Hauses von Isaak Seelig, respektive dessen Witwe, in der Sackgasse 25 eine Stube gemietet, um dort Schule zu halten. Trotzdem sollten die jüdischen Einwohner Bischofsheims noch 1838 einen Kostenanteil zum Bau der Mikwe in Rüsselsheim übernehmen, wogegen sie sich allerdings verwahrten.
1850/51 errichtete die jüdische Gemeinde ein 1 1/2 stöckiges Gebäude in der Frankfurter Straße als Synagogen- und Schulgebäude. Offizieller Eigentümer dieser Immobilie, die auch eine Mikwe umfasste, war der Israelitische Verein Bischofsheim. Erst ab 1908 ist die Israelitische Gemeinde als Eigentümer verzeichnet.
Bei dem Synagogengebäude handelte es sich um einen wahrscheinlich verputzten Massivbau mit Satteldach, der sich der Straßenflucht der Frankfurter Straße anpasste. Er hatte eine Grundfläche von rund 35 m² und war hofseitig erschlossen. In der straßenseitigen Giebelwand befanden sich zunächst drei Rundbogenfenster und im Giebeldreieck ein gekoppeltes Fenster. Zumindest die Umfassungswände zur Straße waren aus Fachwerk. Spätestens seit 1851 diente das Gebäude auch zur Unterrichtung der jüdischen Kinder. 1873 erfolgte eine erste bauliche Veränderung. Dabei wurden die Wände der straßenseitigen Zone gegen Massivmauerwerk ausgetauscht, die drei kleinen Fenster wichen zwei wesentlichen höheren Rundbogenfenstern und das Giebeldreieck erhielt ein rundes Fenster statt der bislang dort angebrachten beiden kleinen Rundbogenfenster. Das Gebäude war mit einem Krüppelwalmdach gedeckt.
Bis 1899 wird ein weiterer Umbau stattgefunden haben, im hinteren Gebäudeteil befand sich nun die Wohnung für den Lehrer. Bis in die 1930er Jahre hinein wurden regelmäßig Renovierungen durchgeführt. Zu diesem Zeitpunkt bot die Synagoge 62 Sitzplätze mit Pulten für Männer sowie 32 Plätze für Frauen. Zudem waren unter anderem vorhanden: eine Garderobenvorrichtung für 95 Einheiten, ein Thoraschrein mit Altaraufbau, ein kombiniertes Vorbeter- und Vorlesepult, eine marmorne Gedenktafel für die jüdischen Gefallenen, ein Kronleuchter, zehn Seitenleuchter, zwei Leuchter am Thoraschrein, 20 Meter Läufer, ein Schrank für Kultgeräte sowie ein Ofen.6 Von den beiden vorhandenen Thorarollen soll eine von 1703, die andere vielleicht noch aus dem 16. Jahrhundert gestammt haben.7 Ob es sich bei einer davon um die handelt, die 1897 nach der Auflösung der Gemeinde in Wallerstädten an Bischofsheim verschenkt werden sollte8, kann nicht mehr geklärt werden. Einen eigenen Rabbiner hat es wohl nie gegeben, im Verlauf des 19. Jahrhunderts wurde aber mehrfach die Stelle des Kantors und Lehrers ausgeschrieben, die gleichzeitig die Funktion des Schächters beinhaltete.
Ende der 1920er, Anfang der 1930er Jahre wurde etwa zehnmal im Jahr Gottesdienst gehalten. Der Rabbiner kam dafür aus Mainz. Obwohl im Gebäude ein Schulsaal vorhanden war, wurde kein Unterricht mehr abgehalten.
Am 10. November 1938, der Kaufvertrag datiert vom 11. November, wurde die Synagoge für 4.000 Reichsmark an Katharina Schnabel verkauft, die aber bis Juni 1939 den Kaufpreis nicht entrichtet hatte. Am 20. Juni 1939 annoncierte die Firma Friedrich Schnabel, dass das Gebäude nun endgültig und rechtmäßig in ihren Besitz übergegangen sei.9
Trotzdem wurde die Synagoge in der Pogromnacht ausgeräumt und die Inneneinrichtung zerschlagen. Der Sachschaden belief sich schätzungsweise auf etwa 2.000 Mark. Unbekannt ist, ob die Kultgegenstände zur Vorbereitung des Verkaufes zuvor ausgelagert werden konnten. Nach der Schändung erhielt die Bischofsheimer Polizei die Anweisung, das Gebäude samt Anwesen zu schützen, da es in „arischem” Besitz stand.10
Außer der Synagoge wurden auch private Häuser überfallen, so beispielsweise das unmittelbar benachbarte Ladengeschäft von Hartwig Kahn, das von Rudolf Blumberg in der Taunusstraße 18, oder die Schneiderei von Julius Wiesenfeld in Ginsheim.
Nach dem Verkauf der Synagoge wurde sie in ein Wohn- und Geschäftshaus umgebaut.
Nach dem Zweiten Weltkrieg zahlte die Besitzerin im Zuge eines gerichtlichen Vergleiches 6.500 DM11 und legalisierte damit den Kauf.
Nach dem Umbau in ein Wohnhaus lässt sich die Synagoge als solche heute nicht mehr erkennen. Ein Zusatz auf einem schräg gegenüber stehenden Straßenschild weist auf ihren Standort hin. Im Gebäude befindet sich heute eine Gaststätte.
- Weitere Einrichtungen ↑
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Mikwe
Der Synagogenneubau 1850/51 beinhaltete auch eine Mikwe, deren Lage exakte Lage heute nicht mehr bekannt ist. Ob sie erst im Zuge eines Umbaus nach dem Zweiten Weltkrieg oder bereits vorher entfernt wurde, lässt sich abschließend nicht klären.
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Schule
Seit 1837 verfügte die Gemeinde über ein Schullokal im Obergeschoss des zweigeschossigen Hauses von Isaak Seelig. Die schulpflichtigen Kinder besuchten eigentlich die christliche Schule, einzig für den Religionsunterricht stellte die Gemeinde einen Lehrer ein, der gleichzeitig das Amt des Vorbeters und Kantors innehatte. 1850/51 errichtete die Gemeinde ein 1 1/2 stöckiges Gebäude in der Frankfurter Straße als Synagogen- und Schulgebäude. Seit Ende der 1920er, Anfang der 1930er Jahre fand hier kein Unterricht mehr statt. Obwohl ein Schulsaal vorhanden war, besuchten die Kinder die Schule in der Hindenburgstraße in Mainz.
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Cemetery
Die Verstorbenen der Gemeinde wurden zunächst auf dem Friedhof in Groß-Gerau bestattet, später in Mainz.
- References ↑
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Weblinks
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Sources
- Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden (HHStAW):
- HHStAW Best. 503, Nr. 7385: Entschädigungsansprüche der jüdischen Gemeinden im Regierungsbezirk Darmstadt. Bd. 8: Synagogen und andere jüdische Einrichtungen im Kreis und in der Stadt Groß-Gerau, 1930–1962
- HHStAW Best. 518, Nr. 1400: Entschädigungsakte Jüdische Gemeinde Bischofsheim, 1950–1962
- Hessisches Staatsarchiv Darmstadt (HStAD):
- HStAD Best. G 15 Groß-Gerau, Nr. L 28: Bau und Bauunterhaltung der Synagoge zu Rüsselsheim, 1838–1900
- HStAD Best. G 15 Groß-Gerau, Nr. L 29: Bauunterhaltung der Synagoge zu Wallerstädten, 1861–1897
- Materialsammlung Bernd Schiffler, Bischofsheim
- StadtA Mainz VOA 6/465: Erbauung neuer und Veränderung alter Gebäude, 1875 ff.
- StadtA Mainz VOA 6/516: Bildung des Vorstandes der israelitischen Religionsgemeinde zu Bischofsheim
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Bibliography
- Alicke, Klaus-Dieter: Lexikon der jüdischen Gemeinden im deutschen Sprachraum. Gütersloh 2008
- Bischofsheim (Landkreis Groß-Gerau, Altkreis Groß-Gerau). In: Altaras, Thea: Synagogen und jüdische Rituelle Tauchbäder in Hessen – Was geschah seit 1945? 2. Auflage. Königstein im Taunus 2007, S. 300
- Hartwig-Thürmer, Christine: Fast vergessen… Juden in der Mainspitze. Bischofsheim 1988
- Hartwig-Thürmer, Christine: Ginsheim – Gustavsburg – Bischofsheim 1933–1945. Die Mainspitze unterm Hakenkreuz. Hrsg. vom Gemeindevorstand Bischofsheim und dem Gemeindevorstand Ginsheim-Gustavsburg. Frankfurt a.M. 1989
- Mainz-Bischofsheimer Zeitung vom 20. Juni 1939
- Schleindl, Angelika: Verschwundene Nachbarn. Jüdische Gemeinden und Synagogen im Kreis Groß-Gerau. Groß-Gerau 1990
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Illustrations
- Fußnoten ↑
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- HStAD G15 Groß-Gerau, L 28 ↑
- Schleindl: Verschwundene Nachbarn ↑
- StadtA Mainz VOA 6/516, fol. 10 ↑
- Alicke: Lexikon der jüdischen Gemeinden, Sp. 525 ↑
- Für die Verortung des Gebäudes danke ich Bernd Schiffler, Gemeindeverwaltung Bischofsheim. ↑
- HHStAW 518, 1400 ↑
- HHStAW 518, 1400 ↑
- HStAD G 15 Groß-Gerau, L 29 ↑
- Mainz-Bischofsheimer Zeitung, 20. Juni 1939 ↑
- HHStAW 503, 7385, Bd. 8 ↑
- HHStAW 518, 1400 ↑
- Recommended Citation ↑
- „Bischofsheim (Landkreis Groß-Gerau)“, in: Synagogen in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/en/purl/resolve/subject/syn/id/28> (Stand: 21.4.2022)