Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Synagogen in Hessen

Worfelden Karten-Symbol

Gemeinde Büttelborn, Landkreis Groß-Gerau — Von Wolfgang Fritzsche
Basic Data | History | Betsaal / Synagoge | Weitere Einrichtungen | References | Indices | Recommended Citation
Basic Data

Juden belegt seit

1621

Location

64572 Büttelborn, Ortsteil Worfelden, Sackgasse 4 | → Lage anzeigen

Rabbinat

Darmstadt II

religiöse Ausrichtung

orthodox

preserved

ja

Gedenktafel vorhanden

nein

Weitere Informationen zum Standort

Historical Gazetteer

History

Zu jüdischen Einwohnern Worfeldens liegen im Archiv nur wenige Unterlagen vor. Der älteste Hinweis auf zwei Juden im Ort stammt aus einem Rechnungsband der landgräflichen Kammer zu Darmstadt, in dem die Zolleinnahmen vermerkt wurden und datiert 1621.1 Ob es sich dabei allerdings um einen dauerhaften oder temporären Aufenthalt handelt, wird nicht ersichtlich.

Es ist davon auszugehen, dass sich im 17. und 18. Jahrhundert, nach der Vertreibung jüdischer Händler aus Groß-Gerau, Juden in den unweit der Stadt gelegenen Gemeinden niederließen. Trotzdem stammt die nächst jüngere Nachricht zu einem jüdischen Einwohner erst aus dem Jahre 1754, als Gottschall Göttschel eine mit einem Haus und einem Stall bestandene Hofreite besaß. Der 1770 geborene Salomon Kahn gilt als Stammvater der Familie Kahn.

Im 19. Jahrhundert gehörten auch die in Klein-Gerau wohnenden Juden der Gemeinde Worfelden an und zählten zum Rabbinat Darmstadt II. Sie bestatteten ihre Verstorbenen auf dem Friedhof in Groß-Gerau. Zumindest in den Jahren nach 1829 besuchten Juden aus Worfelden die Synagoge in Mörfelden.

Soweit derzeit bekannt, erreichte die Zahl jüdischer Einwohner im Jahr 1900 mit 32 ihren höchsten Stand. Bis 1933 war sie wieder auf 15 Personen in sechs Familien gesunken.2

Klein-Gerau

Ob es bereits im 17. Jahrhundert Juden in Klein-Gerau gab, ist derzeit nicht nachzuweisen. Die erste bekannt gewordene Geburt fand am 17. Juni 1741 statt, als Joseph, Sohn des Mendel geboren wurde. 1744 kam als zweiter Sohn Gottschall zur Welt. Bei einer späteren Geburt wird der Vater auch Mendel Gottschall genannt.3 Damit darf diese Familie, die in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts neben den Familien Guggenheimer und Hirsch genannt wird, als die älteste jüdische Familie des Ortes gelten. Juden aus Klein-Gerau besuchten zunächst die Synagoge in Groß-Gerau und wurden auf dem dortigen Friedhof bestattet. Nach dem Bau der Synagoge in Worfelden im Jahr 1893 besuchten manche Gemeindemitglieder auch den dortigen Gottesdienst.

Das letzte Mitglied der Familie Guggenheimer wanderte 1868 nach Amerika aus.4

Joseph Hirsch bezog noch im 18. Jahrhundert ein kleines Haus südlich des Backofens am Rathaus. Dort befindet sich heute eine Trafostation. Sein Sohn Joseph Hirsch I. bewohnte das gleiche Haus und hatte im Keller eine Mikwe eingerichtet.5

Hermann Gottschall erwarb um die Wende zum 20. Jahrhunderts ein Grundstück in der Hauptstraße 13 und beantragte dort 1906 den Bau eines neuen Schlachthauses und eines Wohnhauses. Aus dem Schlachthaus entwickelte sich eine koschere Metzgerei, deren Rindswürste bis in die USA exportiert wurden. Das 1910 errichtete Wohnhaus enthielt an seiner Südseite einen teilweise eingezogenen Balkon, der während Sukkot als Laubhütte benutzt wurde. 1938 wurde die Familie gezwungen, das Haus zu verkaufen. Hermann Gottschall wurde in Auschwitz ermordet, seine Frau gilt seit dem Transport in das KZ als verschollen. Das Haus erwarb der damalige Bürgermeister, später ging es in den Besitz der Gemeinde über. Nach mehrjährigem Leerstand und trotz Widerstands aus der Bevölkerung wurde es im Jahre 2000 abgebrochen.6

Betsaal / Synagoge

1893 ließ sich die Gemeinde in der Sackgasse in Worfelden eine Synagoge bauen. Die Baugenehmigung wurde am 6. April 1893 erteilt, die Pläne hatte der Kreistechniker Johannes Lohr vorgelegt. Er hatte ein eingeschossiges, giebelständiges, aus Bruchsteinmauerwerk aufgeführtes Gebäude vorgesehen, das mit einem Satteldach gedeckt war. Beide Giebelwände überragten die Dachflächen, entlang der Ortgänge verlief jeweils ein getreppter Fries. In der westlichen Giebelwand befand sich der leicht erhöht gelegene Zugang, darüber im Giebeldreieck ein Paar gekoppelte Fenster. In der Spitze der östlichen, fensterlosen Giebelwand waren die beiden Gesetzestafeln vorgesehen. Die Traufwände verfügten über jeweils drei Rundbogenfenster in Gewänden aus rotem Sandstein. Das Dach war mit schwarz imprägnierten Falzziegeln gedeckt. Erbaut wurde die Synagoge vermutlich von dem Bauunternehmer Göbel aus Groß-Gerau.7

Im Inneren des Gebäudes lag nördlich des Eingangsbereiches die Mikwe, südlich der kleine Schulraum. Nach Osten schloss sich der eigentliche Synagogenraum an. Die vorderen drei Reihen mit insgesamt 24 Plätzen dienten den Männern, dahinter lagen, leicht erhöht, zwei Reihen mit je acht Frauenplätzen.8 Diese Anordnung wurde später geändert, danach saßen die Männer auf der einen und die Frauen auf der anderen Seite.9 Der Thoraschrein wurde aus einer Wandnische gebildet, vor der sich das Vorlesepult befand. Die Baukosten beliefen sich auf 3.700 Mark. Die feierliche Einweihung nahm Rabbiner Dr. David Selver am 15. September 1893 vor.

Bereits 1901 mussten umfangreiche Arbeiten zur Beseitigung von Holz- und Mauerwerksschwamm durchgeführt werden.10

In den 1920er Jahren gehörten zur Ausstattung der Thoraschrank mit Altaraufbau sowie Almemor mit Vorlesepult und Wickelband, ein Vorbeterpult, Leuchter, Teppiche und ein Schrank für Kultgeräte. Alles befand sich in gutem Zustand.11 1933 lebten noch rund 30 jüdische Einwohner im Ort. Einzelne Besucher der Synagoge kamen aber auch aus Mörfelden, Gräfenhausen und Büttelborn.12

Bereits 1937 verkaufte die Gemeinde die Synagoge für 700 Mark an Heinrich Engel. Er stellte 1940 den Antrag auf Umbau seines Hauses. Heute dient sie als Wohnhaus und besitzt kein architektonisches Element einer Synagoge mehr.

Weitere Einrichtungen

Mikwe

Im Inneren der 1893 erbauten Synagoge lag nördlich des Eingangsbereiches die Mikwe, ein Badezimmer mit Wanne, südlich der kleine Schulraum, in dem Unterricht für zehn bis 14 Kinder gehalten wurden. Diese Zahl überrascht insofern, als dass dieses Zimmer, wie auch die Mikwe, nur etwas mehr als sechs Quadratmeter groß war.

Klein-Gerau

Joseph Hirsch bezog noch im 18. Jahrhundert ein kleines Haus südlich des Backofens am Rathaus. Dort befindet sich heute eine Trafostation. Sein Sohn Joseph Hirsch I. bewohnte das gleiche Haus und hatte im Keller eine Mikwe eingerichtet. Dazu berichtete 1852 der Bürgermeister: „Da in Kleingerau kein gemeinschaftliches Judenfrauenbad besteht, es ist aber ein Privath Egenthumsbad bey Joseph Hirsch dahier vorhanden, derselbe erklärte, dass alle Judenfrauen, welche zu Kleingerau wohnen, dieses Bad jederzeit gebrauchen und benutzen können und derselbe dieses Judenbad niemand verweigern würde, welche es benutzen und gebrauchen wolle.”13

Schule

Im Inneren der 1893 erbauten Synagoge lag südlich des Eingangsbereiches der kleine Schulraum, in dem Unterricht für zehn bis 14 Kinder gehalten wurden. Diese Zahl überrascht insofern, als dass dieses Zimmer, wie auch die Mikwe, laut Bauplan nur etwas mehr als sechs Quadratmeter groß war.

Cemetery

Die Verstorbenen wurden auf dem Friedhof in Groß-Gerau bestattet.

Groß-Gerau, Jüdischer Friedhof: Datensatz anzeigen

References

Weblinks

Sources

Bibliography

Illustration available

(in Bearbeitung)

Fußnoten
  1. HStAD O 61 Mueller Adolf, in Nr. 5.
  2. Friedensgruppe: Juden sind keine mehr, S. 68.
  3. HHStAW 365, 379.
  4. Heimatbuch 750 Jahre, S. 93.
  5. Rund ums Rathaus, S. 17.
  6. 800 Jahre, S. 73.
  7. HStAD G 15 Groß-Gerau, Nr. L 38.
  8. Vgl. Bauplan.
  9. HHStAW 503, 7385 Bd. 8.
  10. HStAD G 15 Groß-Gerau, Nr. L 38.
  11. HHStAW 503, 7385 Bd. 8.
  12. 800 Jahre, S. 60.
  13. Rund ums Rathaus, S. 17.
Recommended Citation
„Worfelden (Landkreis Groß-Gerau)“, in: Synagogen in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/en/purl/resolve/subject/syn/id/54> (Stand: 21.7.2022)