Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Synagogen in Hessen

Wenings Karten-Symbol

Gemeinde Gedern, Wetteraukreis — Von Susanne Gerschlauer
Basic Data | History | Betsaal / Synagoge | Weitere Einrichtungen | References | Indices | Recommended Citation
Basic Data

Juden belegt seit

17. Jahrhundert

Location

63688 Gedern, Stadtteil Wenings, Amthofstraße 5 | → Lage anzeigen

Rabbinat

Oberhessen

religiöse Ausrichtung

orthodox

preserved

ja

Gedenktafel vorhanden

ja

Weitere Informationen zum Standort

Historical Gazetteer

History

Die Ortsherren von Wenings, das 1336 Stadtrechte erhielt, waren die Herren von Büdingen. Im Verlauf der Jahre ließen die Ortsherren eine Stadtmauer errichten, seit dem 15. Jahrhundert war Wendings Sitz des Landgerichtes. Im 17. Jahrhundert traten die Grafen von Isenburg-Birstein die Ortsherrschaft an; 1816 ging es über in das Großherzogtum Hessen.

Erste Nachweise von in Wenings wohnenden Juden stammen aus dem 17. Jahrhundert.1 Die jüdische Gemeinde Wenings bestand seit Mitte des 18. Jahrhunderts. Zu ihr zählten die in Bindsachsen lebenden Juden, bis diese sich nach Streitigkeiten innerhalb der Gemeinde 1852/53 zur Gründung einer eigenen Synagogengemeinde entschlossen.2

Um 1809 lebten 62 Juden in Wenings;3 1830 waren es 74. Um 1870 betrug der Anteil der in Wenings wohnenden Juden ca. 10 Prozent an der Gesamtbevölkerung. Gut dreißig Jahre später lebten 81 Juden in Wendings (Anteil 8,8 Prozent), 1925 waren es 65.4 Die Juden in Wenings lebten mehrheitlich als Händler (Vieh) und Kaufleute (Ellenwaren, Spezerei, Mehl), es gab einen jüdischen Lehrer und einen Manufaktur- und Kurzwarenladen.

Nach 1933 zog die Mehrheit der jüdischen Weningser u.a. nach Frankfurt a.M. oder wanderten aus. 11 Juden aus Wenings wurden Opfer der nationalsozialistischen Verfolgungen. Die Gemeinde wurde nach 1938 aufgelöst.

Betsaal / Synagoge

Seit 1809 besaß die jüdische Gemeinde Wenings ein Synagogengebäude im Moritzstein. Dabei handelte es sich um ein altes Wäschereigebäude, das die Gemeinde für 605 fl. gekauft und zur Synagoge umgebaut hatte. Es stand direkt an der Stadtmauer, einige Meter nordwestlich des Nachfolgegebäudes.

Die zweite Synagoge, geplant vom Büdinger Hofarchitekten A. Melior und ausgeführt vom ortsansässigen Maurer Karl Flach II.5, war nach drei Jahren Bauzeit fertiggestellt worden, nachdem ihre Vorgängerin wegen Baufälligkeit abgerissen worden war.6 Im Herbst 1878 fand ihre Einweihung statt. Das Gebäude stand, etwas zurückgesetzt, in der heutigen Amthofstraße 5 mit der Südwestseite traufseitig zum Straßenverlauf. Der Standort liegt am nördlichen Ortsrand des mittelalterlichen Ortskerns, unmittelbar gegenüber der ehemaligen Herrschaftsgebäude „Moritzstein“ aus dem 15. Jahrhundert, etwa 100 Meter nördlich der evangelischen Kirche. Das Grundstück der jüdischen Gemeinde grenzte mit seiner Rückseite an die alte Stadtmauer. Zur Bauzeit der Synagoge lag die heutige Amthofstraße als unbedeutende Seitenstraße außerhalb eines regen Verkehrsaufkommens. Die Hauptverkehrsstraße zog in West-Ost-Richtung südlich vom Moritzstein durch den Ort.

Das an allen Seiten freistehende Gebäude hebt sich von den es umgebenden Gebäuden durch seine auffallende Befensterung sowie die Lisenengliederung ab; zudem akzentuieren die Sandsteinrahmen den Bau optisch. Das über rechteckigem Grundriss von 9 x 13 Metern errichtete unverputzte Massivgebäude aus Basaltbruchsteinmauerwerk war mit einem schiefergedeckten Satteldach versehen. Roter, heller Sandstein, aus dem Lisenen und Zinnenfries bestanden und der als Rahmung um Fenster- und Türöffnungen geführt war, setzte farbige Akzente. Eine vertikale und horizontale Gliederung zur Straße hin ergab sich durch die die Wandflächen mit den hochrechteckigen Rundbogenfenstern in einzelne Abschnitte teilenden Lisenen sowie das auf Eingangs- und Straßenseite angebrachte Zinnenfries. Die Ecklisenen waren in der gleichen Breite ausgeführt wie die wandgliedernden. In die südwestliche Traufseite waren drei Fenster eingebaut. Im Südostgiebel boten zwei Fenster dem Innenraum Licht, im Giebeldreieck darüber war in der Mittelsenkrechten ein Rundfenster eingesetzt. Der Zugang für die Männer und Frauen – eine zweiflügelige Tür – lag im Nordwestgiebel. Im Giebeldreieck darüber war ein Rundfenster eingebaut. Die Frauen gelangten über eine in der Nordwestecke eingebaute Treppe auf die Empore, die entlang der Nordost- und Nordwest-Wand verlief, durch mindestens drei gusseiserne, kannelierte Säulen unterstützt.7

Die Männerbänke im Erdgeschoss waren den Langseiten entlang aufgestellt, so dass der Mittelgang zum vor die Südostwand positionierten Aron Hakodesch frei blieb. Für sie waren etwa 70 Plätze, für die Frauen vermutlich 35-40 Plätze vorgesehen. Der heilige Schrein stand etwas erhöht in einer Wandnische, die von außen nicht erkennbar war. Vermutlich befand sich davor – vielleicht ebenfalls erhöht – das Vorlese-und -beterpult. Das (hölzerne?) verputzte Spiegelgewölbe war mit Sicherheit mit einem aufgemalten sternenverzierten blauem Himmel versehen, die Wände vermutlich farbig angelegt. Den Außenbereich der Synagoge grenzte eine Bruchsteinmauer mit eisernem Zaun ab, die an den Ecken und der Pforte Sandsteinmauerwerk aufwies.

Am 9.11.1938 wurde das komplette Mobiliar verbrannt, die Fenster zerschlagen. Das Gebäude selbst blieb weitgehend unbeschädigt. Seit 1946 dient die ehemalige Synagoge als katholische Kirche. Die Kirchengemeinde ließ den Eingangsbereich im Nordwesten ändern und um ein kleines Vordach ergänzen sowie an den Südostgiebel einen Rechteckchor anbauen, der äußerlich der Optik des ehemaligen Synagogenbaus sehr nahekommt. Zur Erinnerung an die ehemalige Nutzung als Synagoge hängt neben dem Eingang eine Holztafel mit entsprechendem Text.

Weitere Einrichtungen

Mikwe

Das rituelle Tauchbad, ein rechteckiges Gebäude, stand südöstlich der Synagoge am Straßenverlauf auf demselben Grundstück. Möglicherweise war ein Vorgängerbau bereits seit um 1830 dort in Gebrauch. Sie wurde gegen Ende des Jahrhunderts neu gebaut oder total saniert.8

Schule

Auf dem Grundstück der jüdischen Gemeinde, auf dem auch Synagoge und Mikwe standen, gab es ein Gebäude, das für Gemeindeversammlungen und Religionsunterricht vorgesehen war. Das Gebäude stand in der nordöstlichen Ecke des Grundstückes. Da ein geplanter Neubau Ende des Jahrhunderts durch die politische Gemeinde finanziell nicht unterstützt wurde, erfolgte eine kostenaufwendige Renovierung der Religionsschule und der Lehrerwohnung.9

Cemetery

Der 1.210 Quadratmeter Fläche umfassende Friedhof wurde in der Steingasse angelegt (ältester Stein 1843). Davor begruben die Weningser Juden ihre Verstorbenen auf dem jüdischen Friedhof in Birstein.10

Birstein, Jüdischer Friedhof: Datensatz anzeigen
Wenings, Jüdischer Friedhof: Datensatz anzeigen

Grabstätten

Birstein, Jüdischer Friedhof: Grabstätten anzeigen

References

Weblinks

Sources

Bibliography

Illustration available

(in Bearbeitung)

Fußnoten
  1. Arnsberg, Jüdische Gemeinden 2, S. 358. Für das 18. Jahrhundert: Heuson, Wenings, S. 141, sowie: HStAD, R 21 J, 2189
  2. HStAD, G 23 E, 2169
  3. Heuson, Wenings, S. 141
  4. Arnsberg, Jüdische Gemeinden 2, S. 358; Ruppin, Juden, S. 74
  5. Die Bauausführung wich zum Teil vom Plan ab. Vgl. Plan und Foto der Synagoge.
  6. Heuson, Wenings, S. 141
  7. Vgl. Bauplan
  8. Mit dem teilweisen Abriss des ehemaligen Stammsitzes der Grafen von Isenburg um 1830 kaufte die jüdische Gemeinde einen Teil der dadurch entstehenden Bauplätze und errichtete in den folgenden Jahren Gotteshaus und Gemeinderäume. Vgl. GemeindeA Wenings, XIII. Abt., 5. Abschn., Konv. 98, Fasz. 74
  9. Arnsberg, Jüdische Gemeinden 2, S. 358
  10. Heuson, Wenings, S. 143; Arnsberg, Jüdische Gemeinden 2, S. 359
Recommended Citation
„Wenings (Wetteraukreis)“, in: Synagogen in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/en/purl/resolve/subject/syn/id/178> (Stand: 29.11.2022)