Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Synagogen in Hessen

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5516 Weilmünster
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Herzogtum Nassau 1819 – 17. Cubach

Weilmünster Karten-Symbol

Gemeinde Weilmünster, Landkreis Limburg-Weilburg — Von Carina Schmidt
Basic Data | History | Betsaal / Synagoge | Weitere Einrichtungen | References | Indices | Recommended Citation
Basic Data

Juden belegt seit

2. Hälfte 17. Jahrhundert

Location

35789 Weilmünster, Eppenbacher Straße 2 | → Lage anzeigen

preserved

ja

Gedenktafel vorhanden

nein

Weitere Informationen zum Standort

Historical Gazetteer

History

Das Dorf Weilmünster wird 1217 als „Wilmunstre“ erstmals urkundlich erwähnt. Es gehörte bis ins späte Mittelalter zum Territorium der Grafen von Diez-Weilnau. Anfang des 14. Jahrhunderts gelangte es in den Besitz von Graf Gerlach von Nassau und in der Folge an das Haus Nassau-Weilburg. Weilmünster war Jahrhunderte lang Amtssitz, ging 1774 aber im nassau-weilburgischen Amt Weilburg auf. 1816 wurde der Flecken dem Herzogtum Nassau, 1866 dem Königreich Preußen einverleibt. Heute bildet Weilmünster eine Großgemeinde mit mehreren Ortsteilen, darunter Laubuseschbach, im hessischen Landkreis Limburg-Weilburg.1

Juden waren seit dem 17. Jahrhundert nach dem Dreißigjährigen Krieg in Weilmünster ansässig. Sie verdingten sich als Händler mit Seife, Wolle und Häuten. Die zahlreichen Märkte am Ort boten ihnen gute Absatzmöglichkeiten, wodurch viele Weilmünsterer Juden zu Wohlstand gelangten. Auch zwei Münzjuden hatten sich mit Erlaubnis des Grafen Johann Ernst von Nassau-Weilburg dort niedergelassen und betrieben im Auftrag ihres Landesherrn Falschmünzerei.2 In den 1690er Jahren war die Judenschaft von Weilmünster offenbar zahlreich genug, um einen Minjan bilden zu können. 1691 erhielten sie von der Landesherrschaft die Erlaubnis, ein Jahr lang in einem Privathaus Gottesdienste zu feiern, anstatt wie bisher die Synagoge in Camberg zu besuchen. Diese Genehmigung wurde auf Bitten der Juden wiederholt verlängert, zuletzt stellte Graf Johann Ernst ihnen 1699 die Kultusausübung weiterhin frei.3

Bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts sank die Zahl der ansässigen Juden. 1758 sind vier jüdische Einwohner belegt, die Witwe des Hertz Feist und deren Sohn Salomon Hertz sowie Hertz Juda und Meyer Feist. Salomon Hertz verkaufte Wein, Wolle und Häute und führte einen kleinen Textil- und Kramwarenladen, Hertz Juda betrieb dagegen Vieh- und Fruchthandel.4 1823 umfasste die kleine jüdische Gemeinde Weilmünster etwa 20 Mitglieder. Als deren Zahl um die Mitte des 19. Jahrhunderts auf rund 30 Juden in fünf Familien angestiegen war, kaufte der Vorstand ein Gebäude an und richtete dort eine Synagoge ein.5 Doch in den Folgejahren zogen so viele Mitglieder fort, dass die Kultusgemeinde 1873 aufgelöst werden musste. Die verbliebenen zwei Familien von Jacob Wolf und Jonas Bauer schlossen sich daraufhin der jüdischen Gemeinde in Laubuseschbach an.6

Formal gehörten 1844 bis etwa 1867 auch die Juden von Philippstein zur jüdischen Gemeinde Weilmünster, es ist aber fraglich, ob diese je die dortige Synagoge besucht haben. Die Philippsteiner hatten seit jeher einen Kultusverband mit den Juden des seit 1815 preußischen Ortes Braunfels gebildet, doch im Zuge der Neuordnung der Synagogenbezirke im Herzogtum Nassau wurde gegen den Willen der betroffenen Judenschaft beschlossen, dass sie einem inländischen Kultusverband, nämlich Weilmünster angehörten sollten. Erst um 1867 wurde diese Anordnung auf vielfaches Nachsuchen der Juden von Philippstein wieder aufgehoben.7

Seit 1897 existierte in Weilmünster eine Landesheil- und Pflegeanstalt (heute Klinikum Weilmünster), in der auch jüdische Patienten aufgenommen wurden. In der NS-Zeit diente die Einrichtung als „Zwischenanstalt“ für die Tötungsanstalt Hadamar. Von 1937-1945 wurden insgesamt 6.000 Patienten der Landesheil- und Pflegeanstalt Weilmünster ermordet, viele von ihnen starben schon vor Ort an Unterversorgung. Unter den Opfern waren auch zahlreiche Juden, die zum Teil auf dem zur Anstalt gehörigen Friedhofsgelände beigesetzt wurden.8

Betsaal / Synagoge

Einen Betraum in einem jüdischen Privathaus gab es in Weilmünster nachweislich schon Ende des 17. Jahrhunderts. In den 1690er Jahren war es der kleinen Kultusgemeinde gestattet, vor Ort Gottesdienste zu feiern. Die Lage dieser Winkelsynagoge ist jedoch nicht bekannt.9

Erst 1860 erwarb die Kultusgemeinde Weilmünster ein Gebäude, das als Synagoge eingerichtet wurde. Dabei handelte es sich um ein zweistöckiges Wohnhaus mit einer Grundfläche von rund 138 qm gelegen „auf Eppenbach unterm Fuhrt“ (Eppenbacher Straße 2). Es diente jedoch nur etwa 13 Jahre als Gotteshaus, weil die Gemeinde sich aus Mangel an Mitgliedern 1873 auflöste. Zwei Thorarollen aus Weilmünster wurden der jüdischen Gemeinde Weilburg geschenkt und in die dortige Synagoge gebracht, alle übrigen Ritualien wurden veräußert. Das Synagogenanwesen verkaufte die jüdische Gemeinde 1875 an Heinrich Hirschhäuser. Es befindet sich nach zahlreichen Eigentümerwechseln bis heute in Privatbesitz und wurde mehrfach erweitert und umgebaut.10

Weitere Einrichtungen

Schule

Um die Mitte des 19. Jahrhunderts bestand ein Schulverbund zwischen den Gemeinden Weilmünster, Philippstein und zeitweilig auch Laubuseschbach. 1848 war Lehrer Henoch in Weilmünster und Philippstein tätig. Im Juli 1853 wurde Moses Bernheim aus Mogendorf als Lehrer angenommen. Er unterrichtete die elf Schüler der Kultusgemeinde Weilmünster in zwei Klassen. Die Stunden fanden stets in einem gemieteten Lokal statt, da die Gemeinde nicht über ein eigenes Schulgebäude verfügte. 1860 gab es noch acht schulpflichtige Kinder, als Lehrer war Samuel Elmann von Laubuseschbach angestellt. Seinen Dienst übernahm 1862 Nathan Hirsch aus Weyer, der am Lehrerseminar in Bad Ems ausgebildet worden war. Er versah die Lehrerstelle noch 1865 in Weilmünster und Laubuseschbach, als Bezirksrabbiner Dr. Wormser die Eignung von Lehrer Hirsch in Frage stellte. Außerdem bemängelte er, dass von 1843-1865 häufige Lehrerwechsel in Weilmünster stattgefunden hätten oder gar kein Unterricht erteilt worden sei. Deshalb plante er, dort künftig den Aspiranten Heymann S. Fuld aus Wolfenhausen als Lehrer einzusetzen.11

Cemetery

Über den ursprünglichen Friedhof der Kultusgemeinde in Weilmünster ist nur bekannt, dass er am Kirberg gegenüber dem christlichen Friedhof gelegen war. Der jüngere jüdische Totenhof befindet sich auf dem Waldfriedhofsgelände des Klinikums Weilmünster. Dort wurden zwischen 1900 und 1945 etwa 65 Juden beerdigt, die meisten von ihnen sind als Patienten der früheren Landesheil- und Pflegeanstalt in der NS-Zeit umgekommen. Der seit 1997 stillgelegte Waldfriedhof des Klinikums Weilmünster dient heute als Gedenkstätte für die Opfer der NS-„Euthanasie“.12

Weilmünster, ehemaliger Jüdischer Friedhof: Datensatz anzeigen
Weilmünster, Jüdischer Friedhof (Klinikum): Datensatz anzeigen

References

Weblinks

Sources

Bibliography

Fußnoten
  1. May: Territorialgeschichte des Oberlahnkreises, S. 100–101, 133–134, 327; Weidenbach: Nassauische Territorien, S. 72; Historisches Ortslexikon des Landesgeschichtlichen Informationssystems Hessen (LAGIS) auf http://www.lagis-hessen.de
  2. Arnsberg: Jüdische Gemeinden, Bd. 2, S. 355–356; Abschnitt „Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde“, Absatz 1–2, im Artikel „Weilmünster – Jüdische Geschichte“ auf http://www.alemannia-judaica.de/weilmuenster_juedgesch.htm
  3. Sabbatfeier der Juden im Fürstentum Nassau-Weilburg, (1648) 1676–1730, in: HHStAW 150, 4490
  4. Schutzgesuche und Schutzgeld des Handelsjuden Natan Bär und seiner Familie aus Ober-Ingelheim, 1750–1758, in: HHStAW 152, 3249
  5. Verzeichnis der zwischen 1798 und 1816 im Amt Weilburg geborenen männlichen Juden, 1823–1829, in: HHStAW 245, 339; Tabellen über die Volkszahl des Amts Weilburg: Band 2, 1866, in: HHStAW 245, 548; Immobilien der Kultusgemeinde Weilmünster, in: HHStAW 362/32, Stockbuch Weilmünster, Bd. 12, Artikel 676
  6. Die israelitische Kultusgemeinde Laubuseschbach, 1864–1884 (fol. 48–51), in: HHStAW 405, 1537
  7. Die israelitische Kultusgemeinde Philippstein, 1844–1856, in: HHStAW 211, 11533; Die israelitische Kultusgemeinde Philippstein, 1867–1884, in: HHStAW 405, 1563
  8. Abschnitt „Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde“, Absatz 7, im Artikel „Weilmünster – Jüdische Geschichte“ auf http://www.alemannia-judaica.de/weilmuenster_juedgesch.htm; Artikel „Weilmünster – Jüdische Friedhöfe“ auf http://www.alemannia-judaica.de/weilmuenster_friedhof.htm; Online-Publikation des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen über den Gedenkfriedhof für die Opfer der NS-„Euthanasie“ auf http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20225/Gedenkfriedhof_Weilmuenster_Texttafeln.pdf
  9. Sabbatfeier der Juden im Fürstentum Nassau-Weilburg, (1648) 1676–1730, in: HHStAW 150, 4490
  10. Immobilien der Kultusgemeinde Weilmünster, in: HHStAW 362/32, Stockbuch Weilmünster, Bd. 12, Artikel 676; Immobilien des Heinrich Hirschhäuser von Weilmünster, in: HHStAW 362/32, Stockbuch Weilmünster, Bd. 16, Artikel 999; Immobilien des Carl Jung von Weilmünster, in: HHStAW 362/32, Stockbuch Weilmünster, Bd. 15, Artikel 855; Immobilien des Carl Schuster von Weilmünster, in: HHStAW 362/32, Stockbuch Weilmünster, Bd. 16, Artikel 1021; Gebäudebuch zur Gemarkung Weilmünster, Gemeinde Weilmünster, 1910–1959, in: HHStAW 433, 5518, Artikel 228; Die israelitische Kultusgemeinde Laubuseschbach, 1864–1884 (fol. 50–51), in: HHStAW 405, 1537; zur Umrechnung der Maßeinheiten siehe Verdenhalven: Meß- und Währungssysteme, S. 19–20
  11. Kultus der Israeliten im Amt Weilburg, 1841–1865, in: HHStAW 211, 11529; Die Prüfung in den israelitischen Religionsschulen des Amtes Weilburg, 1846–1863, in: HHStAW 211, 11531; Die israelitische Kultusgemeinde Philippstein, 1844–1856, in: HHStAW 211, 11533; Die israelitische Kultusgemeinde Weilmünster, 1843–1866, in: HHStAW 211, 11535
  12. Gölzenleuchter: Sie verbrennen dein Heiligtum, S. 104–105; Artikel „Weilmünster – Jüdische Friedhöfe“ auf http://www.alemannia-judaica.de/weilmuenster_friedhof.htm
Recommended Citation
„Weilmünster (Landkreis Limburg-Weilburg)“, in: Synagogen in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/en/purl/resolve/subject/syn/id/15> (Stand: 23.7.2022)