Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Synagogen in Hessen

Outline map of Hessen
Ordnance Map
5224 Eiterfeld
Modern Maps
Kartenangebot der Landesvermessung
Historical Maps
Kurfürstentum Hessen 1840-1861 – 76. Eiterfeld

Steinbach Karten-Symbol

Gemeinde Burghaun, Landkreis Fulda — Von Elisabeth Sternberg-Siebert
Basic Data | History | Betsaal / Synagoge | Weitere Einrichtungen | References | Indices | Recommended Citation
Basic Data

Juden belegt seit

1573

Location

36151 Burghaun, Ortsteil Steinbach, Königstraße 38 | → Lage anzeigen

preserved

nein

Jahr des Verlusts

1963

Art des Verlusts

Abbruch

Gedenktafel vorhanden

nein

Weitere Informationen zum Standort

Historical Gazetteer

History

Aus einer alten Akte über “Holzfron und Holzfrevel der Juden in und um Burghaun” sowie aus Abrechnungen der Familie des Ritters Hans Joachim von Haun erfahren wir, dass in den Jahren 1573 bis 1590 etliche Juden unterschiedlich lang und vermutlich mit ihren Familien als “Schutzjuden” in Steinbach lebten.

Im Einzelnen hören wir von Balach, bzw. Balachs Frau, die gepfändet wird, weil sie unerlaubt Holz gehauen hat, von “Fybus zu Steinbach”, der jährlich 2 Gulden und 4 Böhmische Schutzgeld bezahlt sowie von Enoch, der Reisigwellen für den Steinbacher Förster macht. Weiter ist von Hannickel die Rede, der wie Fybus (auch Beybes genannt) beim Holzeinschlag hilft sowie von Hess, der zwei Birken Hochzeitsholz bekommt. Schließlich wird noch “der andere Jude ebenda" genannt, und 1589/90 taucht “der neue Jude zu Steinbach” auf, der 4 Knacken für eine Birke zahlt.1

Wie lange die hier genannten Personen mit ihren Familien in Steinbach bleiben durften, wissen wir nicht. Die nächsten bisher gefundenen Belege für die Anwesenheit jüdischer Bewohner stammen erst wieder aus dem Jahr 1775, als vier Haushaltungsvorstände Juden-, Schutz- und Neujahrsgelder bezahlten.2 Im Januar 1812 erhielten 11 jüdische Männer – vermutlich Haushaltsvorstände - neue, vererbbare Familiennamen.3 Die Mehrzahl der jüdischen Bewohner lebte vom Vieh- und Warenhandel.

In den Revolutionswirren von 1819–1849 kam es 1847 wie in Burghaun auch in Steinbach zu heftigen und gewaltsamen Übergriffen gegen die Juden.

Am 6. April wandten sich die Juden Aron Rotschild und Jacob Stern mit der Bitte um Schutz an das Landratsamt. Sie berichteten, dass dort seit 14 Tagen nicht nur Beschädigungen durch Steinwürfe, sondern auch Plünderungen vorgekommen seien. Stern hatte man sogar mit Erschießen gedroht. Die Nachtwache könne nicht helfen, sie fürchte sich, wenn sie eine Anzeige mache. Der Bürgermeister Möller hüllte sich zu alledem in Schweigen.

Wenn der Landrat auf Meldungen von Unruhen hin die Bürgermeister beauftragte, durch einen Wachdienst für Ruhe im Dorf zu sorgen, so hatte dies meistens Erfolg, doch in Steinbach verlief die Sache ganz anders: Zwar konnte der Justizamtmann in Burghaun inzwischen drei Burghauner und 14 Steinbacher, die sich bei den Ausschreitungen hervorgetan hatten, namhaft machen und deren Verhaftung verfügen, doch weigerte sich die Steinbacher Bürgergarde, die Mitbürger festzunehmen. Am 13. April, nachdem der Wachdienst wieder eingestellt worden war, ereignete sich sogar ein weiterer Übergriff gegen den Jacob Stern. Diesmal wurde seine Wohnung "verwüstet, der Kramladen und die Öfen zerschlagen, Geld und Spezerei-Waren hinweggenommen". Auch bei Liebmann Braunschweiger gab es Zerstörungen.

Nun versuchte der Landrat durch persönliche Intervention eine Entwaffnung der Bürgergarde durchzusetzen, aber ohne Erfolg. Er stieß auf die einheitliche Abwehrfront der Steinbacher. Bürgermeister Möller redete sich heraus, die Übeltäter seien Fremde gewesen usw. Am 1. Mai ordnete der Landrat an, von den in Schenklengsfeld stehenden hessischen Truppen 30 Mann nach Burghaun und 20 nach Steinbach zu schicken. Mitte Mai erschienen lediglich zwei Offiziere in Steinbach, um die Verhaftungen vorzunehmen. Der Bürgermeister zeigte ihnen zwar die entsprechenden Häuser, die Delinquenten waren aber nicht anzutreffen. Ähnlich war es den vom Landrat ausgesandten Gendarmen ergangen, während der Gerichtsdiener von Burghaun sich erst gar nicht nach Steinbach getraut hatte.

Bei der anschließenden Verhandlung in Burghaun zwischen dem Justizamtmann und Bürgermeister Möller lernen wir die Haltung der Steinbacher kennen. Möller berichtete: "... Die Angeklagten hielten es für unehrenhaft, sich der Juden wegen in Untersuchungshaft nehmen zu lassen. Die Juden hätten die Bauern durch Wucher so übervorteilt, daß sie zu entschuldigen wären, wenn sie sich zu den Juden begäben und das erpreßte Gut zurückverlangt hätten. Dem Hauptmann Krupp sei bei Verhaftung die Verantwortung überlassen, wenn daraus Blutvergießen entstehe."

Dazu kam es dann aber doch nicht. Denn am 30. Mai meldete das Justizamt in Burghaun die Ankunft von 40 Mann Militär. Und am 10. Juni wurden schließlich alle Angeklagten bis auf zwei Entflohene festgenommen. Am 30. Juni konnte das Militär wieder abziehen.“4

Bis zum Jahr 1832 hatte sich in Steinbach eine eigenständige jüdische Gemeinde gebildet mit 71 Personen in 15 Haushalten. Der höchste Stand wurde im Jahr 1842 mit 79 „Seelen“ erreicht. Am Ende des Jahres 1852 lebten 44 jüdische Bewohner in sieben Haushaltungen, 1861 war ihre Zahl auf 41 zurückgegangen. Die kleine Gemeinde konnte diese Stärke noch etwa zwei Jahrzehnte halten.5 Nach 1880 zogen die jüdischen Familien aus Steinbach fort. Die letzte jüdische Familie, Moses Goldschmidt, verließ 1892 Steinbach und zog nach Burghaun."6

Fünf Juden, die in Steinbach geboren und teils länger dort gelebt hatten, wurden Opfer des Holocaust.7

Betsaal / Synagoge

Die jüdische Gemeinde Steinbach hatte ihre eigene Synagoge, deren Erbauungsjahr auf jeden Fall nach 1726 datiert, denn zu diesem Zeitpunkt war das betreffende Grundstück noch unbebaut. Ob das spätere dort befindliche Anwesen - bestehend aus Wohnhaus, Scheune und Hoffläche - mit der Hausnummer 62 einen Vorbesitzer hatte oder von der jüdischen Gemeinde neu errichtet und das Wohnhaus als Synagoge genutzt wurde, ist nicht bekannt. Doch die Tatsache, dass auf dem Grundstück auch eine Scheune stand, würde eher auf eine frühere landwirtschaftliche Nutzung hinweisen. Danach könnten es die Steinbacher Juden angesichts ihrer wachsenden Gemeinde etwa um 1800 käuflich erworben haben. Das ist allerdings eine vage Vermutung, für die es bisher keine Belege gibt.

Es handelte sich bei dem Synagogengebäude um ein einstöckiges Fachwerkhaus, in welchem sich der Gebetsraum sowie die Schule befand. Über die Inneneinrichtung ist nichts bekannt, am Nordgiebel soll nach Aussage einiger Ortsbürger ein Davidstern angebracht gewesen sein. Noch vor 1883 erwarb die politische Gemeinde Steinbach das Anwesen und betrieb es als Gemeindehaus. Offenbar hatte die jüdische Gemeinde aufgrund ihrer schrumpfenden Mitgliederzahl ihre Selbstständigkeit aufgegeben.

Nachdem die Einrichtung des Gemeindehauses nicht mehr erforderlich war oder ein anderer Ort zur Verfügung stand, kaufte die Witwe Anna Möller das Anwesen und nutzte die ehemalige Synagoge mit ihrer Familie als Wohnhaus. Auf dem Hof wurde eine kleine Landwirtschaft betrieben. Der spätere Eigentümer, der Zimmermann Donatus Möller, Anna Möllers Enkel, errichtete direkt hinter dem Gebäude etwa 1963 ein modernes Wohnhaus und ließ nach dessen Fertigstellung das alte Fachwerkhaus abreißen. Die alte Scheune wurde in einen größeren Neubau integriert. Die heutige Adresse des Grundstücks ist Königstraße 38.8

Weitere Einrichtungen

Mikwe

Über eine Mikwe in Steinbach ist nichts bekannt. Gleichwohl muss eine solche vorhanden gewesen sein, möglicherweise in einem Privathaus. Vielleicht gibt die Akte über den „Zustand der israelitischen Gemeinde- und Privatbäder in der Provinz Fulda, 1835-1859“ darüber Auskunft.9

Schule

Über die Beschulung der jüdischen Kinder gibt es widersprüchliche Angaben. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts war ein jüdischer Lehrer am Ort, der auch als Vorbeter und Schochet tätig war. Dabei kann es sich aber nur um die Erteilung des jüdischen Religionsunterrichts gehandelt haben. In der Steinbacher Schulchronik heißt es rückblickend: „… Die jüdischen Kinder gingen in ihre eigene Schule. Ab 1872 mussten laut Mitteilung des Synagogenältesten Braunschweiger die jüdischen Knaben am Turn- und die Mädchen am Handarbeitsunterricht der christlichen Schule teilnehmen. Nach 1880 zogen die jüdischen Familien fort.“

Die Phase einer selbstständigen Elementarschule muss nach 1842 gewesen sein und kann vermutlich nicht sehr lang gedauert haben. In einem Bericht über die Schulverhältnisse im Kreis Hünfeld heißt es 1842 nämlich Steinbach betreffend: „Die Kinder besuchen die christliche Schule des Ortes und ist allda weiter keine Schulanstalt.“ Es handelte sich zu diesem Zeitpunkt um sieben jüdische Schulkinder, die, wie sich aus diesen Angaben schließen lässt, auch ihren Religionsunterricht nicht in Steinbach genossen, sondern in einer der jüdischen Nachbargemeinden.10

Cemetery

Der Begräbnisplatz für die Steinbacher Juden war zu allen Zeiten der jüdische Zentralfriedhof im benachbarten Burghaun. Dort befinden sich 32 Grabstätten Steinbacher Juden aus der Zeit von 1795 bis 1888.11

Burghaun, Jüdischer Friedhof: Datensatz anzeigen

Grabstätten

Burghaun, Jüdischer Friedhof: Grabstätten anzeigen

References

Weblinks

Sources

Bibliography

Illustration available

(in Bearbeitung)

Indices

Persons

Haun, Hans Joachim von · Balach · Fybus · Enoch · Beybes · Hannickel · Hess · Rotschild, Aron · Stern, Jacob · Möller, Bürgermeister · Braunschweiger, Liebmann · Krupp, Hauptmann · Goldschmidt, Moses · Möller, Anna · Möller, Donatus

Places

Burghaun · Schenklengsfeld · Hünfeld

Sachbegriffe Geschichte

Schutzjuden · Schutzgelder · Hochzeitshölzer · Judengelder · Neujahrsgelder · Holocaust

Sachbegriffe Architektur

Fachwerkbauten · Davidsterne

Fußnoten
  1. Löwenstein, Quellen, Regesten N 239 und N 249
  2. StadtA Fulda Akte XXIV, 63
  3. HStAM 100, 7685
  4. Sternberg-Siebert, Juden in Burghaun, 2001, S. 40 nach Stoll, Klaus Hartwig: Das Landratsamt Hünfeld in kurhessischer Zeit, in: Geschichte und Aufgaben des Landkreises Fulda, S. 90-110
  5. HStAM 180 Hünfeld, 296, 575, 2331 sowie Hohmann S. 39
  6. Schulchronik der Grundschule Steinbach
  7. Gedenkbuch Bundesarchiv (s. Weblink)
  8. Steinbach – Einblicke in 700 Jahre Dorfgeschichte, S. 194 und 442 Ortsartikel Burghaun auf Alemannia Judaica (s. Weblink)
  9. HStAM 180 Hünfeld, 576
  10. Sternberg-Siebert, Juden in Burghaun, 2001, S. 36-37 und 28-29
  11. Aufnahme des Jüdischen Friedhofs in Burghaun durch die Kommission für die Geschichte der Juden in Hessen 1985/1986; s. Link Gräberverzeichnis
Recommended Citation
„Steinbach (Landkreis Fulda)“, in: Synagogen in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/en/purl/resolve/subject/syn/id/389> (Stand: 26.4.2022)