Synagogen in Hessen
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- Kurfürstentum Hessen 1840-1861 – 62. Neustadt
Stadtallendorf
- Gemeinde Stadtallendorf, Landkreis Marburg-Biedenkopf — Von Susanne Gerschlauer
- Basic Data ↑
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Juden belegt seit
1602
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Location
35260 Stadtallendorf, Mittelstraße 16 | → Lage anzeigen
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Rabbinat
Oberhessen
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preserved
ja
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Gedenktafel vorhanden
nein
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Weitere Informationen zum Standort
- History ↑
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Die Ortsherrschaft lag seit dem 13. Jahrhundert – bis auf einer kurze Unterbrechung während des Dreißigjährigen Krieges – bei den Mainzer Erzbischöfen. Nach der Säkularisation 1803 ging Allendorf an das spätere Kurfürstentum Hessen, 1866 an das Königreich Preußen über.
Die früheste bekannte Erwähnung eines Juden in Stadtallendorf stammt aus dem Jahr 1602. Er soll bis 1611 hier gelebt haben. Ein nächster Hinweis auf eine jüdische Familie, wie zuvor im Zusammenhang mit Schutzgeldzahlungen, weist in das Jahr 1616.1 Um die Mitte des 17. Jahrhunderts wurden erneut Juden in Stadtallendorf registriert2, dann wieder gegen Ende des Jahrhunderts, als Juden aus Mardorf und Niederklein nach Aufhebung des Schutzjudenstatus‘ in diesen Orten nach Stadtallendorf zogen.3 1722 ist ein Jude als Hausbesitzer verzeichnet.4 1838 lebten 27, 1905 41 und 1933 33 jüdische Stadtallendorfer im Ort. 1939 war ihre Zahl auf 10 Personen gesunken.5 Die jüdischen Stadtallendorfer lebten überwiegend vom Viehhandel, es gab einen Manufakturwarenhändler und einen Metzger.6
Spätestens seit Beginn des 19. Jahrhunderts bis 1846 oder 18577 bildeten die Juden von Stadtallendorf zusammen mit den Juden aus Erksdorf, Hatzbach und Speckswinkel8 eine Synagogengemeinde mit Sitz in Erksdorf.9 Im Zuge der sukkzessiven Trennungsbestrebungen, die vermutlich u. a. mit geografischen Distanzen und zunehmender Emanzipation der Juden zusammenhingen, schieden Hatzbach und Stadtallendorf aus dem gemeinsamen Verband aus. Erksdorf musste im Verband mit Stadtallendorf bleiben.10
Nachdem die Juden der Nachbargemeinde Niederklein aus dem Synagogenverband mit Schweinsberg ausgeschieden waren, kamen sie zur Synagogengemeinde Stadtallendorf Um die Mitte des 19. Jahrhunderts hatte Heli Wertheim das Amt des Gemeindevorstehers inne.11 Der letzte Vorsitzende der Gemeinde war Hermann Ransenberg.12
Mit der Auslagerung aller Kultgegenstände in den Rabbinatssitz nach Marburg im Jahr 1938 und ihrer anschließenden, vermutlich rituellen Vernichtung, endete die Existenz der Synagogengemeinde Stadtallendorf.13
Von den etwa 33 Juden, die um 1933 in Stadtallendorf lebten, emigrierten einige ins Ausland, andere verzogen innerhalb Deutschlands. Alle 10 bzw. 14 noch 1939 im Ort lebenden Juden wurden bis 1942 verhaftet und in Konzentrations- und Vernichtungslager deportiert, in denen sie ermordet wurden.14
- Betsaal / Synagoge ↑
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Ein Dokument aus dem Jahr 1848, in dem von Ständen in der Allendorfer Synagoge gesprochen wird, lässt auf einen Betraum innerhalb eines privat genutzten Wohnhauses schließen.15 Über Lage und Aussehen ist nichts überliefert.
In der Mittelstraße 16 (ehemals 73) steht die ehemalige Synagoge von Stadtallendorf. Die Straße liegt im vormaligen Ortskern etwa 100 Meter südlich der barocken Kirche. Das als „bebauter Hofraum“ im Jahr 185716 erworbene Gebäude wurde vermutlich ein Jahr später von der sich zu dieser Zeit konstituierenden Synagogengemeinde zu einer Synagoge umgebaut und eingeweiht.17
Das ursprünglich als Einhaus errichtete Gebäude hob sich durch seiner äußerliche Erscheinung von der Nachbarbebauung auch nach der Umgestaltung zur Synagoge kaum ab. Die in der Ortslage etwa zeitgleich errichteten kleinbäuerlichen Häuser entsprachen dem gleichen Typ mit Wohn-, Stall- und zum Teil Scheunennutzung unter einem Dach. Auch die Traufständigkeit entsprach dem Bild der übrigen in der Straße errichteten Gebäude.
Das Haus, über fast 80 Quadratmetern Grundfläche erbaut, war ein unverputztes zweigeschossiges, dreizoniges Fackwerkhaus über teilweise geschosshohem Sockel mit von Ost nach West verlaufendem Satteldach, das ursprünglich mit Biberschwanzziegeln gedeckt war. Der Sockel bestand aus lagig gemauertem Buntsandstein und war in den ursprünglich als Wirtschaftsräumen genutzten Räumen bis zu 1,40 Meter hoch. Das darüber gezimmerte zweigeschossige Fachwerk weist in seiner Struktur auf eine Bauzeit aus dem Anfang des 19. Jahrhunderts. Das Erdgeschoss nimmt mit gut drei Metern Höhe den größten Teil der Fassade ein, während das Obergeschoss mit etwa zwei Metern eine durchschnittliche Raumhöhe aufweist. Zeittypisch sind die doppelte Riegelkette im Untergeschoss und die einfache im Obergeschoss, verbunden mit der Konstruktion aus konvergierenden Streben in den äußeren Gefachen, und der symmetrischen Aufbau der Konstruktion.
Durch die Umbauten für die Synagogennutzung wurde neben dem Betraum, der vermutlich im östlichen Bereich lag, auch eine Wohnung für den jüdischen Lehrer mit eingebaut.18 Vermutlich betraten die Frauen durch eine auch heute noch an derselben Stelle befindliche Eingangstür in der Mittelachse der Nordtraufe über eine Außentreppe das Gebäude. Durch den hinter dem Eingangsbereich liegenden Flur konnten sowohl die offenbar dreiseitig umlaufende Frauenempore19 als auch die Lehrerwohnung bzw. weitere Räume über eine, vermutlich einläufige Holztreppe erschlossen werden. Der Eingang für die Männer könnte in der östlichen Seite der Nordfassade gelegen haben. In dem vermutlich mit einer Flachdecke ausgestatteten Raum sollen 12 Bänke für Männer vorhanden gewesen sein.20 Über Fensterformen und Anzahl sowie eine mögliche farbige Ausgestaltung des Gottesdienstraumes liegen keine Angaben vor. An der westlichen Türlaibung des Männereingangs soll sich um 1952 noch eine Mesusa in Kopfhöhe befunden haben. Ebenso gab es Reste eines steinernen Dekalogs, in einem Keller wurde der Thoraschrein gefunden.21 Bis November 1923 übernahm die politische Gemeinde die Stromkosten für die Synagoge, genauso wie für die benachbart liegende christliche Kirche.22
Von den Ausschreitungen während der Pogromnacht war die ehemalige Synagoge nicht betroffen. Auch die noch bis 1941 hier lebenden jüdischen Familien wurden offenbar verschont.23 Seit dem Verkauf des Gebäudes im Jahr 1938 wurden erhebliche Umbaumaßnahmen durchgeführt, die ihren Anfang im Einbau einer Zwischendecke im ehemaligen Betraum nahmen, der dadurch zweigeschossig wurde.24 Ein nächster umfassender Umbau erfolgte 1957. Dabei wurde das Haus auf den modernen Wohnstandard gebracht, Zimmer ausgebaut und eine Garage angebaut.
- Weitere Einrichtungen ↑
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Mikwe
Um 1829 gab es in Stadtallendorf ein rituelles Tauchbad. Über Lage und Form ist nichts bekannt.25
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Cemetery
Die Stadtallendorfer Juden begruben ihre Verstorbenen bis 1918 auf dem etwa fünf Kilometer nördlich entfernt liegenden jüdischen Friedhof in Hatzbach. Seit 1918 besaßen sie einen eigenen, etwa 700 Quadratmeter großen Friedhof in der Gemarkung „in der Laus“, rund 500 Meter westlich außerhalb des alten Ortskerns, am Läuser Weg. Hier bestatteten auch die Juden aus dem benachbarten Niederklein, die seit 1918 der Synagogengemeinde angeschlossen waren. Der jüngste Grabstein von Angehörigen der jüdischen Gemeinde stammt aus dem Jahr 1934.26 Nach 1941 bis 1945 wurden auf dem Friedhof ungarische und russische Zwangsarbeiter aus den Rüstungs- und Munitionsfabriken Allendorfs beerdigt.27
→ Hatzbach, Jüdischer Friedhof: Datensatz anzeigen
→ Stadtallendorf, Jüdischer Friedhof: Datensatz anzeigen - References ↑
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Weblinks
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Sources
- Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden (HHStAW):
- HHStAW Best. 365, Nr. 26: Geburtsregister der Juden von Stadtallendorf, 1824–1933
- HHStAW Best. 365, Nr. 27: Sterberegister der Juden von Stadtallendorf, 1825–1849
- HHStAW Best. 365, Nr. 28: Sterberegister der Juden von Stadtallendorf, 1851–1934
- HHStAW Best. 365, Nr. 29: Geburtsregister der Juden von Stadtallendorf, 1850–1891
- HHStAW Best. 365, Nr. 30: Sterberegister der Juden von Stadtallendorf, 1853–1875
- HHStAW Best. 365, Nr. 31: Trauregister der Juden von Stadtallendorf, 1830–1884
- Hessisches Staatsarchiv Marburg (HStAM):
- HStAM Best. 33 b, Nr. 110: Synagogengang der Israeliten zu Allendorf und Hatzbach nach Erksdorf, 1819
- HStAM Best. 180 Marburg, Nr. 4837: Unterhaltung israelitischer Kultstätten im Kreis, 1922–1946
- HStAM Best. 330 Kirchhain, Nr. 53: Reinigungsbäder der Israeliten, 1827–1829
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Bibliography
- Altaras, Thea: Synagogen und jüdische Rituelle Tauchbäder in Hessen – Was geschah seit 1945? 2. Aufl. Königstein im Taunus 2007, S. 234
- Arnsberg, Paul: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang. Untergang. Neubeginn, 2 Bde. Frankfurt a.M. 1971/1972, hier: Band 1, S. 27-28
- Dux, Philipp: Allendorf im Bärenschießen. Ein Beitrag zur Heimatkunde des Kreises Kirchhain. Kirchhain 1925
- Gerschlauer, Susanne/Klein, Ulrich: Die ehemaligen Synagogen im Landkreis Marburg-Biedenkopf. Hrsg. vom Kreisausschuss des Landkreises Marburg-Biedenkopf. Marburg 1999
- Händler-Lachmann, Barbara/Händler, Harald/Schütt, Ulrich: Purim, Purim, ihr liebe Leut, wißt ihr was Purim bedeut? Jüdisches Leben im Landkreis Marburg im 20. Jahrhundert. Marburg 1995
- Händler-Lachmann, Barbara/Schütt, Ulrich: „Ich seh se heut noch wie de da ruff machten.“ Die Geschichte der jüdischen Familie Ransenberg. In: Jahrbuch für den Landkreis Marburg-Biedenkopf (1991), S. 111–123
- Höck, Alfred: Juden im Marburger und Kirchhainer Gebiet nach einer Übersicht aus dem Jahre 1838. In: Heimatjahrbuch Kreis Marburg-Biedenkopf (1979), S. 144–146
- Schneider, Alfred: Die jüdischen Familien im ehemaligen Kreise Kirchhain. Beiträge zur Geschichte und Genealogie der jüdischen Familien im Ostteil des heutigen Landkreises Marburg-Biedenkopf in Hessen. Amöneburg 2006
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Illustration available
✓ (in Bearbeitung)
- Fußnoten ↑
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- Schneider, Jüdische Familien, S. 214 f. ↑
- Arnsberg, Jüdische Gemeinden 1, S. 27 ↑
- Arnsberg, Jüdische Gemeinden 1, S. 27 ↑
- Höck, Juden im Marburger und Kirchhainer Gebiet, S. 145 ↑
- Arnsberg, Jüdische Gemeinden 1, S. 27; Händler-Lachmann/Händler/Schütt, Jüdisches Leben im Landkreis Marburg, S. 15 ↑
- Arnsberg, Jüdische Gemeinden 1, S. 27 ↑
- Hierzu liegen unterschiedliche Daten vor. Arnsberg, Jüdische Gemeinden 1, S. 27, geht von 1857, Schneider, Jüdische Familien, S. 216, von 1846 aus. ↑
- Bei Arnsberg, Jüdische Gemeinden 1 wird Speckswinkel als zur Synagogengemeinde zugehörig beschrieben. ↑
- Arnsberg, Jüdische Gemeinden 1, S. 27; HStAM 33 b, 110. Bei Schneider, Jüdische Familien, S. 229–233 findet sich kein Hinweis auf einen Betraum in Erksdorf. Unter Kapitel „Hatzbach“, auf S. 251, verweist Schneider allerdings auf einen Betraum in Erksdorf. ↑
- Schneider, Jüdische Familien, S. 217; Arnsberg, Jüdische Gemeinden 1, S. 27 beschreibt andere Separierungsverläufe. Danach hat Stadtallendorf im Jahr 1857 als letzte Gemeinde die Selbständigkeit erhalten. ↑
- Schneider, Jüdische Familien, S. 216 ↑
- Arnsberg, Jüdische Gemeinden 1, S. 27 ↑
- Altaras, Synagogen, S. 234 ↑
- Altaras erwähnt zehn in Konzentrationslagern ermordete jüdische Stadtallendorfer, von 14 ermordeten Personen wird dagegen in www.diz-stadtallendorf.de/index.php?menuid=24 gesprochen. ↑
- Schneider, Jüdische Familien, S. 216 ↑
- Schneider, Jüdische Familien, S. 216 f. legt den Beginn der Nutzung des Synagogengebäudes in das Jahr 1846. ↑
- Händler-Lachmann/Händler/Schütt, Jüdisches Leben im Landkreis Marburg, S. 15; Gerschlauer/Klein, Synagogen im Landkreis Marburg-Biedenkopf, S. 115 ↑
- Gerschlauer/Klein, Synagogen im Landkreis Marburg-Biedenkopf, S. 122 ↑
- Schneider, Jüdische Familien, S. 217 ↑
- Schneider, Jüdische Familien, S. 217 ↑
- Gerschlauer/Klein, Synagogen im Landkreis Marburg-Biedenkopf, S. 115 ↑
- www.diz-stadtallendorf.de/index.php?menuid=24 ↑
- Händler-Lachmann/Händler/Schütt, Jüdisches Leben im Landkreis Marburg, S. 15 ↑
- Gerschlauer/Klein, Synagogen im Landkreis Marburg-Biedenkopf, S. 123 ↑
- HStAM 330 Kirchhain, 53 ↑
- Arnsberg, Jüdische Gemeinden 1, S. 28 ↑
- www.diz-stadtallendorf.de/index.php?menuid=24; Schneider, Jüdische Familien, S. 217 ↑
- Recommended Citation ↑
- „Stadtallendorf (Landkreis Marburg-Biedenkopf)“, in: Synagogen in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/en/purl/resolve/subject/syn/id/137> (Stand: 22.7.2022)