Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Synagogen in Hessen

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Kurfürstentum Hessen 1840-1861 – 71. Amöneburg
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Schweinsberg

Gemeinde Stadtallendorf, Landkreis Marburg-Biedenkopf — Von Susanne Gerschlauer
Basic Data | History | Betsaal / Synagoge | Weitere Einrichtungen | References | Indices | Recommended Citation
Basic Data

Juden belegt seit

Ende 16. Jahrhundert

Location

35260 Stadtallendorf, Ortsteil Schweinsberg, Biegenstraße

Rabbinat

Oberhessen (Marburg)

preserved

nein

Jahr des Verlusts

1938

Art des Verlusts

Zerstörung

Gedenktafel vorhanden

nein

Weitere Informationen zum Standort

Historical Gazetteer

History

Bis zu Beginn des 13. Jahrhunderts gehörte das Dorf zum Besitz der Herren von Merlau, danach hatten die Herren von Schenck zu Schweinsberg, Ministerialen der Hessischen Landgrafen, die Ortsherrschaft inne. Bei Erteilung der Stadt- und Marktrechte an die Gemeinde im Jahr 1332 wurde den Ortsherren auch die Erlaubnis erteilt, vier Juden Schutz zu gewähren.1

Ab dem Ende des 16. Jahrhunderts sind immer wieder jüdische Familien in Stadtrechnungen und Quellen zu Rechtsstreitigkeiten genannt, von denen einzelne als Hauseigentümer in Erscheinung treten. Im Jahr 1614/15 sind vier jüdische Familien belegt, um 1733 waren es fünf, gut zehn Jahre später elf.2 1853 lebten 34 Juden hier, 1871 waren es 52 und 1905 46, was einem Anteil von 5,9 Prozent an der Gesamtbevölkerung entspricht.3

Vermutlich hatte sich um 1730 unter dem Vorsitz von Schmul Simon eine jüdische Gemeinde gebildet. Um 1823 war Nehm Höxter provisorischer Vorsitzender der Synagogengemeinde4, um 1925 war dies Gustav Schaumberg III.5 Zur Synagogengemeinde gehörten auch die in Niederklein lebenden Juden, bis die sich um 1918 der jüdischen Gemeinde von Stadtallendorf anschlossen. Wie aus einem zeitgenössischen Inventar hervorgeht, besaß die Gemeinde von Schweinsberg um 1854 neben fünf Thorarollen u.a. eine Ester Megillot.6 Die im Ort lebenden Juden verdienten ihren Unterhalt in der Mehrheit mit Vieh- Getreide- und Kleinwarenhandel. Um die Mitte des 19. Jahrhunderts arbeiteten von den acht hier lebenden Familien fünf als Metzger im Nebenerwerb zum Viehhandel.7

Die Synagogengemeinde wurde 1938 bzw. spätestens 1942 formell aufgelöst.8 Im Jahr 1939 lebten noch 21 Juden in Schweinsberg, von denen einige rechtzeitig emigrieren konnten oder innerhalb Deutschlands verzogen. Die Verbliebenen wurden bis zum Juli 1942 verhaftet und in Konzentrationslager deportiert, in denen sie ermordetet wurden.9

Betsaal / Synagoge

Der erste schriftliche Beleg eines jüdischen Betraumes stammt aus dem Jahr 1733. Der Raum befand sich offenbar im Haus des Nehm oder Nehum Schmuhl, Sohn von Salomon (später Höxter). Allerdings war die Judengemeinde mit diesem Raum nicht zufrieden und beantragte die Neueinrichtung eines Gottesdienstraumes im Erdgeschoss einer Scheune, die Moses, später Jakob Katz genannt, besaß.10 Dem Antrag wurde offenbar stattgegeben und der Umbau vorgenommen.

Nach dem Kataster von 1792 besaß der Betraum bzw. die Synagoge eine Größe von rund 60 Quadratmetern. Sie lag neben dem Haus, in dem Schmul Moyses wohnte, nördlich des Marktplatzes. Dieses Gebäude ist noch im Kataster des Jahres 1822 am selben Ort verzeichnet.11

Der Betraum hatte 12 Männer- und mindestens sechs Frauenplätze. Zum Inventar der Synagogeneinrichtung gehörten u.a. ein Hängeleuchter aus Messing, ein gläserner Hängeleuchter, ein Kästchen für Talglichter und einer Opferbüchse.12 Um 1859 scheint die Synagoge stark reparaturbedürftig gewesen zu sein, denn kurz danach wurden umfangreiche Zimmermanns-, Schreiner-, Maurer-, Verputz- und Malerarbeiten vergeben.13 Während eines Großbrandes im Jahr 1872 wurde auch die Synagoge Opfer der Flammen und brannte vollständig nieder; nur fünf Thorarollen konnten rechtzeitig geborgen werden.14 Der nachfolgende Neubau stand 1873/74 in der Biegenstraße in der Nähe des Marktplatzes. Das Massivgebäude besaß ein Walmdach. Nähere Angaben liegen nicht vor.

Während der Pogromnacht vom 8. zum 9. November 1938 wurde das Gebäude innen weitgehend zerstört und anschließend angezündet. Die politische Gemeinde, die 1940 als Eigentümerin verzeichnet ist, ließ die Grundmauern der Ruine abbrechen und an ihrer Stelle eine Viehwaage einbauen. 1949 erhielt die JRSO das Grundstück zum Eigentum und verkaufte es Ende 1950 an einen Privatmann aus Schweinsberg.15

Weitere Einrichtungen

Mikwe

Um 1825 bestand ein rituelles Tauchbad im Haus, in dem Nehm Höxter lebte.16

Schule

Räume, sowohl für den Religionsunterricht als auch für Gemeindeversammlungen, waren offenbar im Synagogengebäude vorhanden.17 Nachdem die Synagoge 1872 abgebrannt war, besuchten die jüdischen Kinder bis zur Einrichtung eines neuen Gotteshauses um 1877 den Religionsunterricht im fast acht Kilometer westlich entfernt liegenden Rauischholzhausen.18

Cemetery

Um 1774 bestand bereits ein jüdischer Friedhof für die Schweinsberger Juden. Er liegt an der heutigen Friedhofstraße am nordwestlichen Rand des Ortskerns, ca. 500 Meter außerhalb. Seine Größe beträgt ca. 1.100 Quadratmeter.19

Schweinsberg, Jüdischer Friedhof: Datensatz anzeigen

References

Weblinks

Sources

Bibliography

Illustrations

Indices

Persons

Merlau, Herren von · Schenk zu Schweinsberg, Herren von · Schmul Simon · Nehm Höxter · Schaumberg III, Gustav · Nehm · Nehum Schmuhl · Salomon · Nehum Salomon · Moses · Jakob Katz · Schmul Moyses

Places

Niederklein · Stadtallendorf · Rauischholzhausen

Sachbegriffe Ausstattung

Thorarollen · Megillot · Hängeleuchter · Talglichter · Opferbüchsen

Sachbegriffe Architektur

Walmdächer

Fußnoten
  1. Schneider, Kirchhain, S. 189
  2. Schneider, Kirchhain, S. 191 f.
  3. Ortsartikel Schweinsberg auf Alemannia Judaica (s. Weblink)
  4. Schneider, Kirchhain, S. 191, 194
  5. Ortsartikel Schweinsberg auf Alemannia Judaica (s. Weblink)
  6. Schneider, Kirchhain, S. 194
  7. Schneider, Kirchhain, S. 19
  8. Ortsartikel Schweinsberg auf Alemannia Judaica (s. Weblink)
  9. Schneider, Kirchhain, S. 212
  10. Schneider, Kirchhain, S. 191
  11. Schneider, Kirchhain, S. 192
  12. Schneider, Kirchhain, S. 194
  13. Schneider, Kirchhain, S. 195 f.
  14. Schneider, Kirchhain, S. 196
  15. Schneider, Kirchhain, S. 197
  16. Schneider, Kirchhain, S. 192
  17. Schneider, Kirchhain, S. 194 f.
  18. Schneider, Kirchhain, S. 196
  19. Schneider, Kirchhain, S. 192
Recommended Citation
„Schweinsberg (Landkreis Marburg-Biedenkopf)“, in: Synagogen in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/en/purl/resolve/subject/syn/id/529> (Stand: 16.10.2022)