Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Synagogen in Hessen

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Herzogtum Nassau 1819 – 30. Feldberg

Schmitten Karten-Symbol

Gemeinde Schmitten, Hochtaunuskreis — Von Carina Schmidt
Basic Data | History | Betsaal / Synagoge | Weitere Einrichtungen | References | Indices | Recommended Citation
Basic Data

Juden belegt seit

1827

Location

61389 Schmitten, Wiegerstraße 1 | → Lage anzeigen

preserved

nein

Jahr des Verlusts

1995

Art des Verlusts

Abbruch

Gedenktafel vorhanden

ja

Weitere Informationen zum Standort

Historical Gazetteer

History

Die Gemeinde Schmitten im Hochtaunuskreis wird 1399 erstmals urkundlich erwähnt. Der Name geht zurück auf eine Waldschmiede, die seit dem 15. Jahrhundert, mit Unterbrechungen, im Besitz der Herren von Hattstein bzw. von Reiffenberg war. 1806 ging das Dorf an das Herzogtum Nassau, 1866 wurde es Preußen einverleibt. Die heutige hessische Großgemeinde Schmitten wurde 1972 durch Zusammenschluss der benachbarten Gemeinden gebildet und ist als Luftkurort bekannt.1

Nachweislich waren seit dem frühen 19. Jahrhundert Juden in Schmitten ansässig. 1827 gab es dort sechs jüdische Familien. Wahrscheinlich wurde in diesem Zeitraum die Kultusgemeinde gegründet, spätestens seit 1836 existierte auch ein Betraum in einem Privathaus. 1843-1844 errichtete die nun aus etwa 30 Mitgliedern bestehende Gemeinde eine Synagoge in der Wiegerstraße.2

War die Zahl der jüdischen Einwohner 1875 noch auf 40 gestiegen, so lebten 1890 nur noch 20 Juden vor Ort. Wegen der geringen Mitgliederzahl, und weil sich nach der Entlassung des Vorstehers Haium Löwenstein zunächst kein neuer Kandidat für dieses Amt fand, schlug Landrat Beckmann 1890 vor, die Kultusgemeinde Schmitten mit derjenigen in Anspach zu vereinigen. Dagegen wehrte sich die Gemeinde Schmitten jedoch mit Erfolg und Sina Heß, der sich zuvor noch geweigert hatte, den Vorsteherdienst zu versehen, ließ sich nun doch in dieses Amt wählen.3

1905 lebten 21 Juden in Schmitten, Anfang der 1930er Jahre wurden 14 jüdische Einwohner gezählt. Der letzte Vorsteher der Gemeinde war Moritz Heß. 1937 wohnte nur noch eine vierköpfige Familie vor Ort, die übrigen Juden waren bereits ausgewandert. Weil die Gemeinde zu klein geworden und verarmt war, fanden schon seit etwa 1920 keine Gottesdienste mehr in der Synagoge in Schmitten statt. Die verbliebenen Juden schlossen sich der Kultusgemeinde Usingen an und besuchten das Bethaus in Anspach. Im November 1938 wurde die Schmittener Synagoge, obwohl sie längst nicht mehr in Gebrauch war, geschändet und die Inneneinrichtung zerstört.4

Als besondere Einrichtung bestand in Schmitten seit 1906 die rituell geführte jüdische Pension Strauss. Inhaber war Hermann Strauss, der jahrelang ehrenamtlich als Vorbeter der Kultusgemeinde tätig war. In seinem Hotel, das rege von jüdischen Kurgästen besucht wurde, gab es auch einen Betsaal, in dem während der Sommermonate regelmäßig Gottesdienst gefeiert wurde. Sein Sohn Wilhelm Strauss führte das Hotel nach dem Tod des Vaters 1926 weiter; er wurde später zusammen mit seiner Familie deportiert und in Auschwitz ermordet.5

Betsaal / Synagoge

Ein erster Betraum in Schmitten ist 1836 nachweisbar und befand sich im Wohnhaus der Erben von Isaac Heium. Er wurde unentgeltlich von den Eigentümern zur Verfügung gestellt und fasste etwa 20 Personen. Einen Rabbiner oder Lehrer gab es zu diesem Zeitpunkt nicht, aber Seligman Heß fungierte ehrenamtlich als Vorbeter und Moses Isaac betätigte sich als Schächter. Die laufenden Kosten zur Unterhaltung der Betstube wurden gleichmäßig auf alle Gemeindeglieder verteilt.6

Im März 1843 erwarb die jüdische Gemeinde ein einstöckiges Haus gelegen „in der Weiherwiese“ in Schmitten. Im folgenden Jahr reichte der Vorsteher Moses Löwenstein beim Schultheißen ein Gesuch um Erlaubnis zur „Erbauung einer Synagoge“7 ein. Unklar ist, ob das Wohnhaus bzw. ein Hofgebäude umgebaut oder ob ein neues Bauwerk errichtet wurde. Plausibel erscheint die These von Thea Altaras, dass ein zu dem gekauften Anwesen gehöriges Wirtschaftsgebäude ausgebaut wurde. Dafür sprechen die vorhandenen Fotoaufnahmen und die Tatsache, dass die Synagoge eine Gesamtgrundfläche von nur etwa 55 Quadratmetern hatte, wohingegen das Wohnhaus mit 168 Quadratmetern viel größer war; es kann sich also bei der Synagoge und dem 1843 erworbenen Haus nicht um dasselbe Gebäude handeln. Möglich ist aber auch, dass die Gemeinde auf dem Grundstück zu dem Wohnhaus ein neues Synagogengebäude gebaut hat, denn im entsprechenden Stockbucheintrag gibt es keinen Hinweis auf das Vorhandensein eines Wirtschaftsgebäudes.8

Im November 1844 fand die Einweihung der zweistöckigen Synagoge in der heutigen Wiegerstraße 1 (zuvor Synagogenstraße) statt. Das Gebäude hatte einen fast quadratischen Grundriss von 7,6 x 7,2 Metern und verfügte über 52 Männer- und 24 Frauensitzplätze auf einer Empore. Es war aus Fachwerk erbaut, mit einem Satteldach gedeckt und hatte eine Firsthöhe von 8 Metern. Trotz zahlreicher Umbauten waren in den 1980er Jahren, laut Altaras, im Mauerwerk an einigen Fenstern noch die Umrisse von Rundbögen zu erkennen. Über die Innenraumgestaltung ist nichts bekannt. An Kultgegenständen waren u.a. zwei Thorarollen mit Mänteln und zwei silberne Hände vorhanden.9

1938 wurde die Synagoge samt Einrichtung verwüstet. Wenig später erwarb die Zivilgemeinde Schmitten das Gebäude und verkaufte es gewinnbringend an einen Privatmann. Obwohl das Haus unter Denkmalschutz stand, wurde es 1995 wegen schlechten baulichen Zustands abgerissen. Auf dem Grundstück, das dem Eigentümer des benachbarten Hotels gehört, wurde ein Parkplatz angelegt. Eine bronzene Gedenktafel erinnert seit 1996 an die jüdische Gemeinde Schmitten.10

Weitere Einrichtungen

Mikwe

Im Keller der Witwe Rosenberg in Schmitten befand sich ein jüdisches Frauenbad. 1855 wurde diese Anlage einer sanitätspolizeilichen Prüfung unterzogen und wegen hygienischer Mängel geschlossen. Das Bad hatte keinen Zu- oder Abfluss und lag in der Nähe einer Jauchegrube, wodurch das Wasser verunreinigt wurde. Außerdem bemängelte der Beamte, dass weder der Keller noch das Wasser erwärmt werden konnten. Weil unter diesen Umständen die Gesundheit der jüdischen Frauen gefährdet würde, entschied er, das Bad zu schließen. Ob die Kultusgemeinde eine neue Mikwe einrichtete, ist nicht bekannt. Alexander Strauß ließ 1858 auf seinem Grundstück in Schmitten ein Bad anlegen, das aber nur für die private Nutzung gedacht war.11

Schule

Schon 1821 unterhielt die Kultusgemeinde Schmitten einen eigenen Religionslehrer, Heium Liebmann, der dort bis 1926 tätig, war. Sein Nachfolger, Jessel Samuel Muhr aus Fürth, wurde ohne landesherrlichen Konsens angestellt, weshalb die Gemeinde eine Bußgeldzahlung auferlegt bekam. 1931 unterrichtete Joseph Krämer aus Schotten im Großherzogtum Hessen die Kinder. Die Lehrer der Gemeinde Schmitten erhielten für ihren Dienst freie Kost und Logis sowie 50 Gulden jährlich. Nachdem vorübergehend kein Lehrer vor Ort gewesen war, gründeten die Juden von Schmitten und Anspach mit Rod am Berg um die Mitte des 19. Jahrhunderts einen Schulverband und stellten Lehrer Emden von Usingen an, erteilt wurde der Unterricht in Rod am Berg. 1872 schlossen sich diesem Verbund auch die Gemeinden Usingen und Wehrheim an. Gemeinsam nahmen sie zunächst Lehrer Goldschmidt aus Westerburg unter Vertrag, 1889 bestellten sie Abel Wilkow und 1892 Gustav Blum. Letzterer blieb bis in die 1930er Jahre für den Schulverband tätig.12

Cemetery

Die älteste, bekannte Grablege der jüdischen Gemeinde Schmitten befand sich in Arnoldshain. 1974 wurde dort ein Grabstein von 1812 gefunden und auf dem jüdischen Friedhof in Schmitten aufgestellt. Der alte Totenhof, der noch 1841 genutzt wurde, existiert nicht mehr, das Gelände ist heute bebaut. Ein neuer Friedhof wurde im 19. Jahrhundert westlich von Schmitten am Nordhang des sogenannten „Judenkopfes“ angelegt. Auf diesem 730 Quadratmeter großen Gelände stehen neun Grabsteine mit hebräischen und deutschen Inschriften, die letzte Beisetzung erfolgte um 1935.13

Arnoldshain, ehemaliger Jüdischer Friedhof: Datensatz anzeigen
Schmitten, Jüdischer Friedhof: Datensatz anzeigen

References

Weblinks

Sources

Bibliography

Illustration available

(in Bearbeitung)

Fußnoten
  1. Braun: Schmitten im Hochtaunus, S. 10, 103; Wappen des Hochtaunuskreises, S. 15
  2. Arnsberg: Jüdische Gemeinden, Bd. 2, S. 281; Bus: Synagoge in Schmitten, S. 215; Anstellung von Judenlehrern im herzoglich-nassauischen Amt Usingen, 1809–1839, in: HHStAW 242, 925; Berichte über die Verhältnisse in den einzelnen Kultusgemeinden des Amtes Usingen, 1835–1841, in: HHStAW 242, 1866
  3. Angelegenheiten der jüdischen Kultusgemeinden im herzoglich-nassauischen Amt Usingen, 1823–1885, in: HHStAW 242, 1870; Die israelitische Kultusgemeinde Schmitten, 1888–1916, in: HHStAW 420, 51; Bus: Synagoge in Schmitten, S. 218
  4. Arnsberg: Jüdische Gemeinden, Bd. 2, S. 281–282; Bus: Synagoge in Schmitten, S. 218; Altaras: Synagogen, S. 322
  5. Arnsberg: Jüdische Gemeinden, Bd. 2, S. 282; Abschnitt „Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde“, Absatz 5–7, im Artikel „Schmitten – Jüdische Geschichte/Synagoge“ auf http://www.alemannia-judaica.de/schmitten_synagoge.htm
  6. Berichte über die Verhältnisse in den einzelnen jüdischen Kultusgemeinden im Amt Usingen, 1835–1841, in: HHStAW 242, 1866
  7. Gesuch der Kultusgemeinde Schmitten um Genehmigung zum Bau einer Synagoge, 1844, in: HHStAW 242, 1847
  8. Angelegenheiten der jüdischen Kultusgemeinden im herzoglich-nassauischen Amt Usingen, 1834–1847, in: HHStAW 242, 1847; Synagoge der jüdischen Gemeinde Schmitten, in: HHStAW 362/29, Stockbuch Schmitten, Bd. 1, Artikel 61; zur Umrechnung der Maßeinheiten siehe Verdenhalven: Meß- und Währungssysteme, S. 19–20; Bus: Synagoge in Schmitten, S. 215; Altaras: Synagogen, S. 322
  9. Bus: Synagoge in Schmitten, S. 218; Altaras: Synagogen, S. 322; Entschädigungsansprüche der jüdischen Gemeinden im Regierungsbezirk Wiesbaden. Band 12: Synagogen und andere jüdische Einrichtungen im Untertaunuskreis und Dillkreis sowie in den Kreisen Usingen und Wetzlar, 1960–1962, in: HHStAW 503, 7367
  10. Bus: Synagoge in Schmitten, S. 218; Altaras: Synagogen, S. 322–323
  11. Anlage verbesserter Judenbäder, 1837–1858, in: HHStAW 242, 926
  12. Anstellung von Judenlehrern im herzoglich-nassauischen Amt Usingen, 1809–1839, in: HHStAW 242, 925; Israelitische Kultusangelegenheiten im preußischen Landratsamt Usingen, 1886–1932, in: HHStAW 420, 47; Berichte über die Verhältnisse in den einzelnen jüdischen Kultusgemeinden im Amt Usingen, 1835–1841, in: HHStAW 242, 1866
  13. Arnsberg: Jüdische Gemeinden, Bd. 2, S. 282; Artikel „Schmitten – Jüdischer Friedhof“ auf http://www.alemannia-judaica.de/schmitten_friedhof.htm; Berichte über die Verhältnisse in den einzelnen Kultusgemeinden des Amtes Usingen, 1835–1841, in: HHStAW 242, 1866
Recommended Citation
„Schmitten (Hochtaunuskreis)“, in: Synagogen in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/en/purl/resolve/subject/syn/id/66> (Stand: 23.7.2022)