Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Synagogen in Hessen

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5623 Schlüchtern
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Kurfürstentum Hessen 1840-1861 – 96. Schlüchtern

Schlüchtern Karten-Symbol

Gemeinde Schlüchtern, Main-Kinzig-Kreis — Von Wolfgang Fritzsche
Basic Data | History | Betsaal / Synagoge | Weitere Einrichtungen | References | Indices | Recommended Citation
Basic Data

Juden belegt seit

13. Jahrhundert

Location

36381 Schlüchtern, Weitzelstraße 7 | → Lage anzeigen

Rabbinat

Hanau

religiöse Ausrichtung

orthodox

preserved

ja

Gedenktafel vorhanden

ja

Weitere Informationen zum Standort

Historical Gazetteer

History

Schlüchtern wurde erstmals im Jahr 993 schriftlich erwähnt. 1316 gelangte es an die Herren von Hanau, die 1555 das Marktrecht aussprachen. Um diese Zeit wird der Ort Stadtrechte erhalten haben, auch wenn eine offizielle Stadtrechtsurkunde fehlt. Nach dem Aussterben der Hanauer Grafen kam die Stadt 1763 an die Landgrafschaft Hessen-Kassel, aus der 1803 das Kurfürstentum Hessen entstand. Seit 1866 preußisch, kam Schlüchtern nach dem Zweiten Weltkrieg zum Land Hessen und gehört heute zum Main-Kinzig-Kreis.

Es ist davon auszugehen, dass bereits im 13. Jahrhundert eine jüdische Gemeinde existierte, die über eine eigene Synagoge oder zumindest einen eigenen Betraum verfügte. Zudem stand ein Sammelfriedhof zur Verfügung. Als 1235 34 Juden aus Fulda einem Pogrom zum Opfer fielen, wurden sie auf dem Friedhof in Schlüchtern bestattet und ihre Namen in das Memorbuch eingetragen.1 Dieses Memorbuch existiert heute nicht mehr. Zwei Abschriften aus den Jahren 1694 und 1836 gingen in der Pogromnacht 1938 verloren.

Eine herausragende Persönlichkeit muss Süßkind, ein Jude aus Trimberg, gewesen sein, der sich vermutlich mit dem Übergang der Gerichtsbarkeit an Albert von Trimberg 1243 in der Stadt niederließ. Er war Minnesänger, dessen gesammelte Schriften nach 1300 durch den Züricher Patrizier Mannesse gesammelt worden waren. Er verstarb um 1298 und wurde ebenfalls auf dem Friedhof in Schlüchtern bestattet.

Nach dem Übergang Schlüchterns an die Grafen von Hanau im Jahr 1316 lebten nur ein bis zwei jüdische Familien in der Stadt. Im Laufe des 14. Jahrhunderts zogen Flüchtlinge aus Fulda zu, deren Familien ursprünglich aus Frankreich, Spanien und Portugal stammten.

Gesicherte Zahlen zu jüdischen Einwohnern liegen erst wieder aus dem 17. Jahrhundert vor. 1633 lebten 18 Juden in der Stadt. In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts wurden Isaac, Salomon, Süssel, Aron, Joel und Loeb namentlich genannt. Um 1680 bestanden acht jüdische Haushalte. Einer davon gehörte dem Rabbiner und Schulklopfer Loeb Jehuda Sofer aus Fulda.

Bis 1763 hatte sich die Zahl der jüdischen Haushalte verdoppelt, um bis 1771 auf 21 Familien anzusteigen.2 Diese Zahl stieg von 184 Personen in 1811 auf 362 in 1875, um mit 395 in 1907 ihren Höhepunkt zu erreichen. Danach sank sie wieder ab und lag 1938 bei 94 Personen. Spätestens seit 1944 lebten keine Juden mehr in Schlüchtern.

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts war Mordechai Löb ein bekanntes Original. Sein Spitzname „das Preußchen von Schlüchtern“ verballhornte seine Körpergröße, er muss recht klein gewesen sein; als „preußisch“ bezeichnete man seinerzeit alles Große. Als herumziehender Händler kam er auch bis nach Frankfurt und sein Spruch lautete „Nix ze bestelle nach Schlichtern? Kein Hasebälgje, nix von Waar?“ Er galt als sehr fromm und soll sich in Mathematik, Medizin und Jura gut ausgekannt haben. Daher sagte er auch von sich „Ich habe Thore, ich hab Schore.“ Ludwig Emil Grimm, der dritte der Brüder Grimm, zeichnete ihn im Jahre 1850 mit einem Dreimaster auf dem Kopf.3

Nach Annahme fester Familiennamen 1811 hießen viele Familien Adler, Grünebaum, Goldschmidt, Katzenstein, Oppenheimer, Preuß, Seelig oder Stern. Einige nahmen auch den Namen „Schlüchtern“ an.4 Sie bildeten gemeinsam mit den in Elm lebenden Juden eine eigenständige Gemeinde innerhalb des im 19. Jahrhundert bestehenden Rabbinats Schlüchtern, die in ihrer Synagoge an der Obertorstraße zusammen kam.

In der Mitte des 19. Jahrhunderts spielte sich ein Vorgang ab, der ein Schlaglicht auf den Alltag einer jüdischen Gemeinde wirft. Im November 1856 hatte die Gemeinde beschlossen, bei der Firma Buderus Söhne eine Backmaschine für Opferkuchen und andere Mahl- und Backgerätschaften auf Kosten der Gemeinde anzuschaffen und für den allgemeinen Gebrauch zur Verfügung zu stellen. Victor Hirsch Stern, einer der wohlhabendsten Männer der Gemeinde, hatte mit der Begründung, dann könne die Gemeinde auch alle Kochutensilien für die Familien anschaffen, dagegen Einspruch erhoben, obwohl er an der Abstimmung nicht teilgenommen hatte. Derartige Einsprüche führten immer dazu, dass verschiedene Stellungnahmen eingeholt werden mussten. So berichtete zunächst der Gemeinderat, derartige Backmaschinen wären, da sie die Arbeit sehr erleichterten, in vielen anderen Gemeinden bereits angeschafft worden. Auf den Einwand, dass Kuchenbacken wohl nichts mit Ausübung der Religion zu tun habe, erwiderte er, dass der „Genuss der Osterkuchen als ein feierlicher Gebrauch mit den Gottesdienstlichen Handlungen in enger Verbindung steht, und hierunter wohl ohne Zweifel zu subsumieren sein dürfte.“5 Der Bezirksrabbiner Schwarzschild schrieb sogar, der Genuss dieser Kuchen sei religiöses Gebot und viele Gemeinden hätten entsprechende Apparate angeschafft. Weiter führte er aus: „Das Gebot des Gebrauchs eines Frauenbades ist, hinsichtlich der dieses sich zu bedienen verbundenen Personen weit weniger umfassend als das des Osterkuchen Genusses, dessen ungeachtet findet man niemanden, der da zu äußern wagte, daß die Erbauung eines Frauenbades nicht auf Gemeindekosten geschehen soll.“6 Daraufhin wurde die Beschwerde abgewiesen und der Apparat wohl angeschafft.

Im Übergang vom 19. zum 20 Jahrhundert waren Juden auch in Schlüchtern in die Mehrheitsgesellschaft integriert. Von 1903 bis 1913 war Jakob Hirsch Rothschild Stadtverordneter und von 1919 bis 1924 Stadtverordnetenvorsteher. Viele jüdische Schlüchterner nahmen am Ersten Weltkrieg teil, nach dessen Ende die Gemeinde zehn Kriegsopfer zu beklagen hatte.

In den 1920er Jahren wurden Landrat und Bürgermeister zu den hohen Feiertagen in die Synagoge eingeladen und nahmen zumeist auch an den Gottesdiensten teil. Dann betete man gemeinsam auch für das Wohl des Staates und des Präsidenten, zuvor für das des Kaisers.7

1933 hatte Schlüchtern rund 3.400 Einwohner, davon waren 359 Juden. Es waren überwiegend Händler, die mit Vieh, Altwaren oder Mehl handelten sowie Einzelhändler, die Textilien und Schuhe verkauften. Darüber hinaus gab es einige Handwerker, wie Metzger und Bäcker und eine Druckerei. Das bedeutendste Unternehmen war eine Seifenfabrik, die aus der bereits 1839 erwähnten Seifensiederei des Mayer Wolf hervorgegangen war.8

Nach 1933 kam es immer wieder zu Entrechtungen und Repressalien. So wurden Kaufleute vor ihren Geschäfte aufgestellt, wo sie zusehen mussten, wie Nazis die Schaufenster zerschlugen. Bereits 1933 verließen 91 jüdische Personen die Stadt. Weitere folgten, bis 1942 nur noch 26 in Schlüchtern wohnten. Die meisten verzogen in andere Städte, von wo aus sie deportiert und ermordet wurden. Ihnen zum Gedenken ließ die Stadt nach dem Zweiten Weltkrieg auf dem Alten Friedhof ein Denkmal errichten.

Betsaal / Synagoge

Wo sich die Synagoge und der Betraum der spätmittelalterlichen Gemeinde befanden, ist heute nicht mehr bekannt.

In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts, wohl um 1670, entstand auf dem rückwärtigen Gelände der Häuser in der heutigen Obertorstraße 33–35 ein Fachwerkbau unter Krüppelwalmdach, das bis zum Ende des 19. Jahrhunderts als Synagoge genutzt wurde.

In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts befand sich dieses Gebäude in einem schlechten Zustand und war für die angewachsene Gemeinde zu klein geworden. Daher schlug der Kreisvorsteher Stern eine Vergrößerung vor, der das Kreisamt am 25. Juli 1834 prinzipiell auch zustimmte. Gleichzeitig bemerkte es aber, dass die vorgesehene Vergrößerung zwar den momentanen Bedürfnissen entspräche, nicht aber zukunftsorientiert sei. In etwa zehn bis zwölf Jahren sei der Raum wieder zu klein. Deshalb schlug es alternativ einen vollständigen Neubau oder zumindest einen Anbau vor. Diesem Vorschlag folgte die Gemeinde und erhielt dafür am 4. Juni 1835 die Genehmigung mit der Auflage, zuvor einen Kostenvoranschlag aufzustellen und durch den Landbaumeister Spangenberg technisch prüfen und einen Handriss anfertigen zu lassen. Aus dem Kostenvoranschlag vom 22. Juli 1836 werden die projektierten Arbeiten ersichtlich: Der Anbau entstand durch Herausrücken der nördlichen Wand und war 16 Fuß lang und 24 Fuß tief. Für die Längsseiten waren insgesamt sechs hohe Fenster vorgesehen. Aufgrund dieser Änderung der Kubatur wurde das Dach um 90 Grad gedreht. Dadurch musste die mit Brettern eingewölbte Decke durch eine Balkendecke ersetzt, der Fußboden erhöht und der innere Ausbau gänzlich erneuert werden. Die Fachwerkwände wurden mit getrockneten Lehmsteinen ausgemauert und der große Raum mit Sandsteinplatten belegt. Vier hölzerne Säulen trugen die Empore mit den Frauenständen, zu der eine hölzerne Treppe mit 14 Stufen führte. Ihre Brüstung und der Boden waren mit Tannendielen belegt. Auf der Brüstung stand vor den Frauenständen ein 34 Fuß langes und fünf Fuß hohes hölzernes Gitter. Der Thoraschrein wurde erneuert, ebenso wie der Altar, den nach Abschluss der Arbeiten ein eisernes Geländer umgab. Bis Ende 1838 hatten die Bauarbeiten noch nicht begonnen. Im Mai 1839 stellte der beauftragte Zimmermann Klober fest, dass die Fachwerkkonstruktion des Vorgängergebäudes eigentlich abgebrochen und das Fundament erneuert werden müsste. Tatsächlich trug er das Fachwerk aber nur ab, ließ das Fundament erneuern und schlug die alte Konstruktion samt Anbau bis Juni 1839 wieder auf. Dabei stellte der Gemeindevorstand fest, dass nicht mehr ausreichend Platz für die Frauenstände vorhanden sei. Klober hatte „solches ausgemessen und gefunden da wir wenigstens jetzt schon 56 Stände für die Weiber brauchen und solche müssen gesetzlich (nach Mosaischem) 2 Fuß breit und 2 ½ Fuß voneinander sein“9. Würden diese nach der bisherigen Bauart rund angefertigt, wäre auf der Empore Platz für nur 37 Stände. Wenn sie allerdings gerade ausgeführt würden, so würden 60 Sitze Platz bekommen. Klober wollte diese Planänderung aber nicht ohne Zustimmung des Landbaumeisters durchführen. Diese wurde letztlich erteilt und die Arbeiten bis November 1840 abgeschlossen.

Kurz vor dem Abbruch 1978 hatte der Lehrer Wilhelm Praesent Gelegenheit, das Gebäude zu besichtigen und fand es im Wesentlichen wie durch den Kostenvoranschlag beschrieben vor. „Der Grundriss wies die Maße 6,80 mal 12,80 Meter auf. Die sechs rundbogigen Fenster reichten bis zu einer Höhe von 3,40 Meter und waren 1,10 Meter breit. Im Gebäudeinneren trugen sechs Holzsäulen eine Empore, die an der Westseite entlang und um die Südwestecke führte. Sie war sowohl von innen als auch von außen über eine Treppe zugänglich. Von der Inneneinrichtung ist ein bestickter seidener Vorhang von der Heiligen Lade aus dem Jahr 1819 übriggeblieben, den die jüdische Gemeinde vor dem Ersten Weltkrieg dem damaligen Schüchternen Heimatbund geschenkt hat. Heimatforscher Wilhelm Praesent konnte den Vorhang während der Nazizeit gut genug verstecken, so das er erhalten geblieben ist.“10 Er hängt heute wieder im Gebäude der ehemaligen Synagoge.

Nach Aufgabe der Nutzung waren die Beschneidungsbank, zwei Abschriften des Memorbuchs sowie seltene Gebetbücher aus unterschiedlichen Epochen in die neue Synagoge überführt worden. Dort wurden die meisten Gegenstände in der Pogromnacht 1938 zerstört. Einer der Plünderer stahl eine Abschrift des Memorbuchs und vernichtete sie erst 1945 beim Herannahen der amerikanischen Truppen.11

Kurz vor Erreichen ihres zahlenmäßigen Höhepunktes beauftragte die Gemeinde den Wiesbadener Architekten Joseph Beitscher mit dem Bau einer neuen Synagoge12, die am 26. August 1898 eingeweiht wurde. Die Innenausmalung übernahm Malermeister Martin aus Brückenau. Sie entstand etwas außerhalb des damaligen Ortsberings an der Kaiserstraße, heute Weitzelstraße 7 und hat die Pogromnacht überstanden.

Bereits 1901 wurde in das Gebäude eingebrochen. Der Synagogendiener Moses Oppenheimer kam am 3. März dieses Jahres in die Synagoge und fand das Fenster zum Abort aufgebrochen. Die an die Wand geschraubten Opferbüchsen waren herausgerissen und der Inhalt, geschätzt 20 bis 30 Mark, gestohlen. Obwohl zunächst zwei Tatverdächtige festgenommen wurden, mussten sie mangels ausreichender Beweise wieder freigelassen werden. Ende des Jahres stellte die Polizeibehörde die Ermittlungen ein.13

Die Synagoge ist ein eindrucksvoller großzügiger Zentralbau über kreuzförmigem Grundriss in ausufernden neoromanischen Formen. Weithin sichtbar symbolisiert sie die Gleichberechtigung und das neue Selbstwertgefühl des Judentums in der Mehrheitsgesellschaft.14 Das eingeschossige massive Zentralgebäude, überwiegend aus rotem Sandstein, besitzt vier gleichförmige Schildgiebel, die sich den vier Himmelsrichtungen entgegenstrecken. Unter den Giebeln verläuft ein Rundbogenfries, in dessen Mitte eine Kleeblattöffnung sitzt. Zentral befindet sich je ein von einem profilierten Rundbogen eingerahmtes Radfenster über einer dreiteiligen Zwerggalerie. In den Gebäudeecken stehen unterschiedlich hohe Türme, die die Gesamthöhe des Gebäudes jedoch nicht übersteigen. In dem nach Südosten gewandten runden Turm befindet sich der Haupteingang.

Im Inneren befanden sich 168 Sitzplätze mit Pulten für Männer und 134 für Frauen auf einer Empore. Zudem gab es eine Garderobenvorrichtung mit 300 Einheiten, einen holzgeschnitzten Thoraschrein mit Altaraufbau, ein ebenfalls geschnitztes Almemor mit Vorleserpult und Wickelbank, ein Vorbeter- und ein Rabbinerpult sowie eine Predigerkanzel. Zur Ausstattung zählten weiterhin eine hölzerne und zwei marmorne Gedenktafeln, ein großer künstlerischer Kronleuchter, 40 Seitenleuchter, zwei Kandelaber, zwei Leuchter am Thoraschrein, zwei vergoldete achtarmige Leuchter am Almemor, ein großer Teppich, 50 Meter guter Läufer, zwei Schränke für Kultgeräte, ein Tresor im Nebenraum, eine Wanduhr, ein Flügel, Noten und Chorwerke für 30 Mitglieder und ein großer Ofen mit Isolierrohren.

Die Wochentagssynagoge mit 120 Sitzplätzen befand sich im großen Saal des benachbarten Schulhauses. Auch hier gab es einen Thoraschrank, ein Vorleserpult, einen Ofen sowie Beleuchtungskörper. Im Vorstandszimmer wurde das Archiv mit Listen der Gemeindemitglieder, den Geburts–, Trau– und Sterbeurkunden, Ehedispensen, Geleitbriefen, Niederlassungsberechtigungen, Steuer – und Abgabelisten, Lehrer –, Schächter – und Rabbinats-Autorisationen und Gemeindeauflagen aufbewahrt, die teilweise bis in das 16. Jahrhundert zurückdatierten. Hier standen zudem acht hohe Lehnsessel, ein großer Konferenztisch, ein Aktenschrank, zwei Archivschränke, eine Schreibmaschine und ein Schreibmaschinentisch mit Stuhl. Büro – und Schreibmaterial, ein Ofen und Beleuchtungskörper ergänzten den Bestand. Die Bibliothek umfasste rund 1.000 Bände Judaica und Hebraica sowie gute Literatur, einen Ofen, Beleuchtungskörper und Bücherschränke. Zudem befanden sich hier zwei Schulzimmer mit Schränken, Tischen, Lehrerpulten mit Stühlen, Wandtafeln, Anschauungs – und Lehrmaterial, Beleuchtungskörpern und Öfen.

Zu den Kultgegenständen in der Synagoge zählten zehn Thorarollen aus der Zeit vom 16. bis 18. Jahrhundert, zwölf weitere Thorarollen, eine antike silberne Thorakrone, vier Paar antike Thoraaufsätze mit Schellen aus Silber, fünf weitere Paar silberne Thoraaufsätze mit Schellen, zehn silberne Thoraschilder, ein antiker und fünf weitere Lesefinger, 80 gold– und silberbestickte Thoramäntel, 800 handbemalte Wimpel, 18 Garnituren aus Thoraschreinvorhang mit Übervorhang aus Plüsch, Samt, Seide und Brokat mit reicher Goldstickerei und je einer Decke für Vorbeterpult, Vorleserpult, Rabbinerpult und Predigerkanzel, zwei Ewige Lampen aus Messing, zwei siebenarmige Leuchter aus Bronze, ein antiker Channukkahleuchter aus Bronze, ein weiterer Channukkahleuchter aus Messing, ein pergamentenes Memorbuch aus dem 17. Jahrhundert, ein Jahrzeitleuchter, zwei silberne Weinbecher, zwei silberne Pokale, zwei silberne Hawdallahgarnituren, davon eine antik, ein Trauhimmel aus goldbesticktem Brokat, fünf Megillaoth mit Mantel oder Holzkapsel aus beschriebenem Pergament, fünf Schofarhörner, acht silberbeschlagene Gebetsmäntel, 40 weitere Gebetsmäntel, 50 Paar Gebetriemen,100 Gebetbücher, 100 Sätze Festgebetbücher,100 Pentateuche, vier Sätze Thalmud, 20 Sätze Mishnajoth-Aufrufplatten, ein 200 Jahre altes Priesterwaschbecken mit Kanne, die sogenannte Hutten´sche Schüssel, eine handgeschriebene Pergamentrolle mit Haftaroth, eine silberne Ethrogbüche, 20 Trauergebetbücher, zehn Trauerschemel, zwei Trauertafeln und drei Almosenbüchsen. Alles zusammen hatte einen Gesamtwert von 518.295 Mark.15

Im November 1938 wurde der größte Teil der Innenausstattung, des Mobiliars und der Kultgegenstände zerstört. Gleiches gilt für die Einrichtung der Mikwe und des Schulhauses.

1940 erwarb die Stadt Schlüchtern das Grundstück für 11.742,91 Reichsmark von der israelitischen Gemeinde und verkaufte es 1941 für 9.500 Reichsmark an den Autohändler Pauli. Im Zuge der Rückerstattungen leistete die Stadt eine Ausgleichszahlung an Pauli und kam so 1950 wieder in den Besitz, nachdem sie auf Geheiß der amerikanischen Militärregierung bereits 1945 die Gebäudeschäden in Höhe von rund 21.000 Reichsmark hatte beseitigen lassen.16 Nach dem Krieg diente das ehemalige Synagogengebäude zunächst als Lagerhalle, 1961 war dort eine Näherei untergebracht. Von 1970 bis 1993 beherbergte es die Weitzelbibliothek. Der große Saal wurde darüber hinaus zeitweise für Kinovorstellungen und kulturelle Veranstaltungen genutzt. Seit 2010 steht die ehemalige Synagoge ungenutzt.

Weitere Einrichtungen

Mikwe

Es ist davon auszugehen, dass bereits im 17. und 18. Jahrhundert die Möglichkeit bestand, rituelle Bäder zu nehmen. Wo sich diese Mikwe befand, ist heute nicht mehr zu klären.

Im Zuge der sich verändernden hygienischen Vorgaben der Landesregierung mussten diese mit kaltem Wasser betriebenen Einrichtungen geschlossen und moderne Warmwasserbäder eingeführt werden. Dies geschah in Schlüchtern Anfang der 1830er Jahre.

Im Juni 1831 legte der Kreisphysikus Zinkhan den Bauplan einer Mikwe vor und fügte hinzu, dieser Plan könne künftig für alle entsprechenden Bauvorhaben auf Grundstücken verwendet werden, die den Zu- und Ablauf des Wassers gestatteten. Die Mikwe war ein mit Plattziegeln gedeckter Fachwerkbau. Unter Plattziegeln dürften Biberschwänze zu verstehen sein. Im Inneren bestanden drei Räume: ein Vorraum mit Feuerung, eine Stube und das eigentliche Bad. Der Vorraum war mit Sandsteinplatten belegt und die Wände getüncht. Hier befand sich die Feuerungsanlage aus einem Kessel mit Zu- und Ablaufrohren, einem Rauchfang und einer eisernen, in die Wand eingelassenen Platte, über die die eigentliche Badestube erwärmt werden konnte. Diese Badestube war mit Tannendielen belegt und die Wände geweißt. Das Wasserbecken lag rund fünf Fuß unter dem Fußbodenniveau und war über eine siebenstufige, mit Werksteinen belegte Treppe zu betreten. Es wurde durch eine Spundwand aus zwei Zoll dicken Eichenbohlen abgedichtet und durch eine Falltür verschlossen. Das erwärmte Wasser floss aus der Feuerungsanlage hinein und konnte über einen durch ein Klappenventil verschließbaren Abfluss wieder abgelassen werden. Der Fußboden der Stube war mit Dielen belegt und entlang der Wand zog sich eine ein Fuß hohe Lamperie.17 Die Arbeiten wurden wohl 1832 aufgenommen und weitgehend beendet. Allerdings erwies es sich als problematisch, dass eine Pumpe das Wasser zur Mikwe führte. Dies, so die Gemeindeältesten, würde den Gebräuchen der Juden widersprechen. Offen bleibt, wie dieser Änderungswunsch aufgenommen wurde. Tatsächlich wurde die Mikwe genutzt, als 1837 ein weiteres Problem auftrat: Die Gemeinde hatte den Bergmann Georg Meister aus Biber beauftragt, zur Versorgung neben dem Bad einen neuen Brunnen zu graben. Dabei stieß er auf ein armdickes Loch in der Südwand und man befürchtete, dass daraus Jauche aus der Mistgrube des Nachbaranwesens Guthermuth in das Frauenbad fließen könne. Die Arbeiten wurden sofort gestoppt. Auch hier ist nicht bekannt, wie das Problem gelöst wurde.

Die im 20. Jahrhundert genutzte Mikwe befand sich in einem Anbau an dem Schulhaus auf den Synagogengrundstück zwischen diesem und dem benachbarten Grundstück Pauli.

Schule

Bereits im 19. Jahrhundert verfügte die jüdische Gemeinde über ein eigenes Schulgebäude. Mit dem Bau der neuen Synagoge 1898 stand auf dem dortigen Grundstück ein neues zur Verfügung. Dort wurden 1927 50 Kinder unterrichtet. Zwischen 1928 und 1930 waren es noch 27 Kinder, 1936 nur noch zwölf.18

Im Schulgebäude befanden sie die Wochentagssynagoge, das Vorstandszimmer und die Bibliothek, sowie zwei Schulzimmer mit Schränken, Tischen, Lehrerpulten mit Stühlen, Wandtafeln, Anschauung – und Lehrmaterial, Beleuchtungskörpern und Öfen.19

Cemetery

Der älteste Hinweis auf einen jüdischen Friedhof in Schlüchtern stammt aus dem Jahr 1235, als dort 34 Personen aus Fulda bestattet wurden, die einem Ritualmord zum Opfer gefallen waren. Es handelte sich mit großer Wahrscheinlichkeit um einen Sammelfriedhof. Dieser sogenannte Alte Friedhof liegt an der Breitenbacher Straße unmittelbar neben der Seifenfabrik. Nach deren Enteignung und Übergang in den Besitz von E. Heinlein wurde das Friedhofsgelände 1941 durch den neuen Besitzer zur Erweiterung des Firmengeländes von der Stadt erworben. Ein Großteil der Gräber war bereits zuvor verwüstet worden. 1942 und 1943 räumte die Firma den Rest ab und verwendete die Grabsteine zum Bau eines neuen Wäschereigebäudes. Etwa 25 Steine kaufte der Steinmetz Degenhard zur Weiterverwendung. Auf Veranlassung der Militärregierung musste er einen Teil davon nach 1945 wieder zurückführen. Auch ein Teil des Friedhofes musste wieder hergestellt werden, mehr als 75 Prozent blieben aber Firmengelände.20 Am 7. August 1949 ließ die Stadt hier ein Ehrenmal für die während des Holocaust ermordeten Juden errichten. Auf dem von dem Architekten Lammatsch entworfenen Gedenkstein steht „Zum ewigen Gedenken an die Märtyrer der jüdischen Gemeinden im Kreise Schlüchtern 1933-1945“.

Ein neuer jüdischer Friedhof war im Jahr 1926 an der Fuldaer Straße auf dem Areal des christlichen Friedhofs angelegt worden.

Schlüchtern, Alter Jüdischer Friedhof (Lindengärten): Datensatz anzeigen
Schlüchtern, Neuer Jüdischer Friedhof (Fuldaer Straße): Datensatz anzeigen

References

Weblinks

Sources

Bibliography

Illustration available

(in Bearbeitung)

Indices

Persons

Hanau, Herren von · Süßkind · Trimberg, Albert von · Mannesse · Hanau, Grafen von · Isaac · Salomon · Süssel · Aron · Joel · Loeb · Loeb Jehuda Sofer · Mordechai Löb · Grimm, Ludwig Emil · Grimm, Brüder · Adler, Familie · Grünebaum, Familie · Goldschmidt, Familie · Katzenstein, Familie · Oppenheimer, Familie · Preuß, Familie · Seelig, Familie · Stern, Familie · Schlüchtern, Familie · Stern, Victor Hirsch · Schwarzschild, Bezirksrabbiner · Rothschild, Jakob Hirsch · Wolf, Mayer · Stern, Kreisvorsteher · Spangenberg, Landbaumeister · Klober, Zimmermann · Praesent, Wilhelm · Beitscher, Joseph · Martin, Malermeister · Oppenheimer, Moses · Pauli, Autohändler · Zinkhan, Kreisphysikus · Meister, Georg · Guthermuth · Heinlein, E. · Degenhard, Steinmetz · Lammatsch, Architekt

Places

Fulda · Trimberg · Zürich · Frankreich · Spanien · Portugal · Frankfurt am Main · Elm · Brückenau · Biber

Sachbegriffe Geschichte

Pogrome · Minnesänger · Preußchen von Schlüchtern · Erster Weltkrieg · Militärregierung · Wochentagssynagogen

Sachbegriffe Ausstattung

Thoraschreine · Altäre · Vorhänge · Heilige Lade · Beschneidungsbänke · Memorbücher · Gebetbücher · Opferbüchsen · Garderoben · Altaraufbauten · Almemore · Lesepulte · Vorlesepulte · Wickelbänke · Vorbeterpulte · Rabbinerpulte · Predigerpulte · Lehnsessel · Konferenztische · Aktenschränke · Archivschränke · Schreibmaschinen · Bibliotheken · Thorarollen · Thorakronen · Thoraaufsätze · Schellen · Thoraschilde · Lesefinger · Thoramäntel · Wimpel · Thoravorhänge · Decken · Ewige Lampen · Chanukkaleuchter · Jahrzeitleuchter · Weinbecher · Pokale · Hawdalah-Garnituren · Trauhimmel · Megillot · Schofarot · Gebetmäntel · Gebetriemen · Festgebetbücher · Pentateuch · Talmud · Mischnajot · Priesterwaschbecken · Kannen · Hutten’sche Schüsseln · Etrogbüchsen · Trauergebetbücher · Trauerschemel · Trauertafeln · Almosenbüchsen · Gedenktafeln · Kronleuchter · Seitenleuchter · Kandelaber · Teppiche · Läufer · Schränke · Tresore · Wanduhren · Flügel · Öfen

Sachbegriffe Architektur

Fachwerkbauten · Krüppelwalmdächer · Balkendecken · Sandsteinplatten · Treppen · Brüstungen · Tannendielen · Gitter · Aborte · Zentralgebäude · Sandstein · Schildgiebel · Rundbogenfriese · Kleeblattöffnungen · Radfenster · Zwerggalerien · Türme · Plattziegel

Fußnoten
  1. Reis 1988, S. 19
  2. Reis 1988, S. 22
  3. Arnsberg 1971, S. 278
  4. HStAM 82, c 878
  5. HStAM 180 Schlüchtern, 494
  6. HStAM 180 Schlüchtern, 494
  7. Briefe 1982, S. 58
  8. Zur Geschichte der Seifenfabrik: Wittrock 2002
  9. HStAM 190 a Schlüchtern, 89
  10. Hahn 1982, S. 63
  11. Praesent 1969, S. 100
  12. HHStAW 1266, 40
  13. HStAM 274 Hanau, 1717
  14. Vogt 2002, S. 22
  15. HHStAW 518, 1175
  16. HHStAW 503, 7366
  17. HStAM 190 Schlüchtern, 92
  18. Krucker 1988, S. 42
  19. HHStAW 518, 1175
  20. Wittrock 2002, S. 137; Krucker 1988, S. 49
Recommended Citation
„Schlüchtern (Main-Kinzig-Kreis)“, in: Synagogen in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/en/purl/resolve/subject/syn/id/188> (Stand: 25.8.2022)