Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Synagogen in Hessen

Outline map of Hessen
Ordnance Map
5224 Eiterfeld
Modern Maps
Kartenangebot der Landesvermessung
Historical Maps
Kurfürstentum Hessen 1840-1861 – 76. Eiterfeld

Rothenkirchen Karten-Symbol

Gemeinde Burghaun, Landkreis Fulda — Von Elisabeth Sternberg-Siebert
Basic Data | History | Betsaal / Synagoge | Weitere Einrichtungen | References | Indices | Recommended Citation
Basic Data

Juden belegt seit

1703

Location

36151 Burghaun, Ortsteil Rothenkirchen, Brunnenstraße 9 | → Lage anzeigen

preserved

ja

Gedenktafel vorhanden

ja

Weitere Informationen zum Standort

Historical Gazetteer

History

Bis zur Gebietsreform in Hessen von 1972 bis 1977 war Rothenkirchen eine eigenständige Gemeinde. Seit wann dort Juden lebten, kann bisher nicht genau gesagt werden. Urkundlich belegt ist der Handelsmann Samuel Hesse, der sich 1703, aus Grebenau kommend, in Rothenkirchen ansiedelte.1 Nach Samuel Hesse werden im 18. Jahrhundert zahlreiche Juden teils mit ihren Familien in Rothenkirchen namentlich genannt. Als hessische und fuldische „Schutzjuden“ genossen sie ein unterschiedlich langes Bleiberecht, weshalb ihre Zahl starken Schwankungen unterworfen war.2 Aus einer Besteuerungsliste der Jahre 1773/74 geht hervor, dass zu dieser Zeit neun jüdische Familien mit insgesamt 47 Personen in Rothenkirchen ansässig waren.3 Im Jahr 1822 hatte das Dorf insgesamt 686 Einwohner, von welchen 95 jüdisch und 591 evangelisch waren.4 Bis zum Jahr 1830 hatte sich eine ansehnliche Synagogengemeinde entwickelt mit 97 Personen in 25 Haushalten. Von den Erwerbstätigen waren zu dieser Zeit die meisten Vieh-, Waren- und Kleinhändler, außerdem gab es noch drei Buchbinder und einen Schuhmacher.5

Entgegen der landläufigen Meinung verfügten die meisten Familien nur über bescheidene Einkünfte. Dies geht aus einem “Verzeichnis derjenigen israelitischen Einwohner zu Rothenkirchen” hervor, “bei denen Bundes-Executions-Truppen vom 20ten November bis den 28ten Dezmbr. 1850 einquartiert waren". In dem Verzeichnis werden 17 Haushalte genannt, die Einquartierung aufnahmen, wahrscheinlich sämtliche damalige Judenfamilien. Von ihnen waren acht arm, vier von diesen sogar ganz arm, während ein Haushaltsvorstand vermögend war. Die restlichen besaßen kein, geringes oder etwas Vermögen. Außer dem Lehrer werden alle als Handelsleute bezeichnet.6

Bis zum Ende des Jahres 1852 hatte die Synagogengemeinde ihren Höhepunkt bereits überschritten und die Zahl ihrer Mitglieder sank auf 88 ab. Ein gutes Jahrzehnt blieben diese Verhältnisse stabil, bis die Gemeinde dann von 1864 an kontinuierlich abnahm. Umfasste sie 1875 "64 Seelen" so waren es 1905 nur noch 40. Einige suchten ihr Glück in Amerika, manche zogen nach Schlitz, andere nach Burghaun. Am 16.3.1906 berichtete der Kreisvorsteher der israelitischen Gemeinden im Kreis Hünfeld, H. Speier, dem Landrat, dass die Synagogengemeinde Rothenkirchen nur noch aus zwei Mitgliedern bestünde und er daher die Auflösung der Gemeinde beantrage. Im Verlauf des Jahres 1906 kam es schließlich zur Auflösung der Synagogengemeinde Rothenkirchen und ihrer Zuordnung zu Burghaun.7

Im Gedenkbuch für die „Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933 – 1945“ sind 12 Holocaustopfer genannt, die in Rothenkirchen geboren wurden oder dort längere Zeit gelebt hatten.8

Betsaal / Synagoge

Die jüdische Gemeinde hatte eine eigene Synagoge, die heute noch in der Brunnenstraße 9 vollständig erhalten ist. Das genaue Jahr der Erbauung ist nicht bekannt; der Heimatforscher Herbert Jakob aus Rothenkirchen geht aber davon aus, dass das Gotteshaus um 1838/39 als Neubau errichtet wurde. Es handelt sich bei dem Gebäude um einen zweistöckigen Lehmfachwerkbau mit Krüppelwalmdach, in welchem sich der Gebetsraum - die Synagoge -, ein Schulsaal und die Lehrerwohnung befanden. „An der enorm hohen Fachwerkkonstruktion mit den überlangen Mannfiguren an den Ecken erkennt man, dass im ersten Obergeschoss der Gebetsraum war. Im Giebel sitzt mittig ein nach Jerusalem gerichtetes Rundfenster, das ehemals mit einem Davidstern ausgefüllt war und „Misrach“ genannt wurde.“ Leider sind aus der Erbauungszeit keine Unterlagen bekannt, auch gibt es keinerlei Erkenntnisse über die Inneneinrichtung der Synagoge.9

Nachdem die Synagogengemeinde Rothenkirchen 1906 aufgelöst worden war, wurde das Synagogengebäude meistbietend versteigert. Der erste öffentliche Versteigerungstermin wurde vom Kreisvorsteher Speier aus Burghaun im Hünfelder Kreisblatt vom 5. März 1908 für den 13. März 1908 vormittags 11 Uhr ausgegeben. Den Zuschlag bekam im Jahr 1913 Jakob Kehres, der in dem Haus eine Lebensmittelhandlung einrichtete. Im Lauf der Jahre wurde das Gebäude durch mehrere Umbaumaßnahmen zu einem Wohnhaus umgestaltet, wobei man bedauerlicherweise keinerlei Rücksicht auf die ursprüngliche Architektur nahm.10

Seit einigen Jahren ist die ehemalige Synagoge unbewohnt und bietet einen traurigen und heruntergekommenen Anblick. Dass hier einst das religiöse und kulturelle Zentrum der jüdischen Gemeinde von Rothenkirchen war, erfährt der Betrachter auf einer kleinen Erinnerungstafel, die an der Hauswand auf der Straßenseite angebracht ist.

Weitere Einrichtungen

Mikwe

Die Rothenkirchener Mikwe befand sich in einem kleinen einstöckigen Fachwerkhäuschen, das zwischen der evangelischen Kirche und dem so genannten Unterländer Backhaus stand. In der der dörflichen Mundart wurde es „dos Boadloch“ genannt. Seit wann diese Einrichtung bestand ist bisher nicht bekannt. Nachdem in dem Ort keine Juden mehr lebten, erwarb Karl Schnabel das Gebäude, später dann Heinrich Witzel. Es diente den Eigentümern als Wohnhaus bis es 1954 von der evangelischen Kirchengemeinde gekauft und zwei Jahre später abgerissen wurde.11

Schule

Zunächst besuchten die jüdischen Kinder die christliche Volksschule am Ort und hatten ihren eigenen Religionsunterricht. Etwa 1839/40 richtete die jüdische Gemeinde eine eigenständige „Religions- und Elementarschule“ ein. Es ist anzunehmen, dass dies mit der Erbauung der Synagoge in Zusammenhang stand. Der Schulsaal befand sich im Gebäude der Synagoge im Parterre zur Straße hin. Besuchten anfangs 15 Kinder diese Schule, so waren es im Schuljahr 1899 nur noch 10. Wegen der zu geringen Schülerzahl wurde die Schule bald danach geschlossen. Als Elementar- und Religionslehrer werden genannt: Simon Neumark, Koppel Hecht und Levi Neumark.12 Letzterer war 25 Jahre lang der jüdische Lehrer in Rothenkirchen. Als er 1879 in den Ruhestand ging, wurde er vom Vorsteheramt in Fulda als ein „in den jüdischen als auch in den profanen Disziplinen praktischer Lehrer und ein im Rabbinischen und in der jüdischen Literatur bewanderter Gelehrter“ geehrt und mit einem Ruhesessel beschenkt.13

Cemetery

Der Begräbnisplatz für die Rothenkirchener Juden war zu allen Zeiten der jüdische Zentralfriedhof im benachbarten Burghaun. Dort befinden sich 60 Ruhestätten aus der Zeit von 1789 bis 1898.14

Burghaun, Jüdischer Friedhof: Datensatz anzeigen

Grabstätten

Burghaun, Jüdischer Friedhof: Grabstätten anzeigen

References

Weblinks

Sources

Bibliography

Illustration available

(in Bearbeitung)

Indices

Persons

Samuel Hesse · Speier, H., Landrat · Kehres, Jakob · Schnabel, Karl · Witzel, Heinrich · Neumark, Simon · Hecht, Koppel · Neumark, Levi

Places

Grebenau · Amerika · Schlitz · Burghaun

Sachbegriffe Geschichte

Schutzjuden

Sachbegriffe Architektur

Lehmfachwerkbauten · Krüppelwalmdächer · Mannfiguren · Rundfenster · Davidsterne

Fußnoten
  1. HStAD F 23 A, 611/8
  2. HStAM 17 II, 2518; HStAM 17 II, 1109, Blatt 283 ff.
  3. HStAM 49 d, Hünfeld 565: Zins Extract von der Mengedorfschaft Rothenkirchen
  4. Summa, Kreis Hünfeld, S. 73-93
  5. HStAM 180 Hünfeld, 296 sowie Grundlisten in 180 Hünfeld, 100 Nr. 7685
  6. HStAM 180 Hünfeld, 459
  7. HStAM 180 Hünfeld, 2331, 95, 1666 sowie Hohmann, S. 38
  8. siehe Weblink
  9. Jakob, Gemeindeleben, S. 180-192
  10. Jakob ebd.
  11. Jakob ebd.
  12. Jakob ebd.
  13. Artikel „Rothenkirchen“, Alemannia Judaica, siehe Weblink
  14. Aufnahme des Jüdischen Friedhofs in Burghaun durch die Kommission für die Geschichte der Juden in Hessen 1985
Recommended Citation
„Rothenkirchen (Landkreis Fulda)“, in: Synagogen in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/en/purl/resolve/subject/syn/id/390> (Stand: 21.4.2022)