Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Synagogen in Hessen

Roßdorf Karten-Symbol

Gemeinde Roßdorf, Landkreis Darmstadt-Dieburg — Von Wolfgang Fritzsche
Basic Data | History | Betsaal / Synagoge | Weitere Einrichtungen | References | Indices | Recommended Citation
Basic Data

Juden belegt seit

1609

Location

64380 Roßdorf, Darmstädter Straße 1 | → Lage anzeigen

Rabbinat

Darmstadt II

religiöse Ausrichtung

orthodox

preserved

ja

Gedenktafel vorhanden

ja

Weitere Informationen zum Standort

Historical Gazetteer

History

Bereits 1609 ist erstmals eine jüdische Familie in Roßdorf erwähnt. Von dort stammte auch Lew, der 1637 als einziger Jude in Darmstadt lebte und als Händler mit dem dortigen Hof in Verbindung stand. Seine Enkelin konvertierte später zum Christentum. Zur gleichen Zeit wurden aus Roßdorf keine Schutzgeldzahlungen geleistet.

1754 und 1781 lebten zwei jüdische Familien im Ort, 1781 waren es insgesamt 13 Personen. Einer von ihnen, der taubstumme Seligmann Hayum verstarb am 15. April 1790 im Alter von 77 Jahren. 1794 verstarb die Witwe Bule, zu Lebzeiten mit Gotschal, einem der Stammväter jüdischer Familien im Ort verheiratet. Kurze Zeit später lebten drei Familien im Ort: Mordechai Gotschal, Gotschal Jacob und Bermann Löw. 1802 kam die Familie Hayum Salomon hinzu. 1804 fand die erste dokumentierte Eheschließung statt: Hirsch Mordechai, Sohn des Schutzjuden Mordechai Jacob aus Roßdorf heiratete in Messel Frommet, Tochter des bereits verstorbenen Schutzjuden Hirsch Isaac ebenfalls aus Messel.1 1805 lag die Zahl der jüdischen Einwohner bei 36 und stieg langsam auf 49 Personen im Jahr 1834.2 Um 1900 lag sie bei 62 Gemeindemitgliedern.3

In dem zu Roßdorf gehörenden Gundernhausen lebten nur wenige Juden. Die seit 1775 geführten Matrikel nennen zunächst nur den Namen Salomon Feidel, der 1803 im Alter von 73 Jahren verstarb.4

Nach 1933 flohen die jüdischen Einwohner in die nahe gelegenen Städte oder entschlossen sich zur Auswanderung. Bis 1938 hatten die meisten den Ort verlassen.

In der Pogromnacht brachen vier Jugendliche in ein jüdisch geführtes Lebensmittelgeschäft und in Wohnungen ein und zerstörten Räume und Inneneinrichtung. Ein Mann wurde nach Buchenwald deportiert. 1939 verließen die verbliebenen Juden Roßdorf. 24 Personen, die in Roßdorf geboren worden waren oder längere Zeit dort lebten, wurden im Holocaust ermordet.

Seit 2010 werden in Roßdorf Stolpersteine verlegt, am 11. Mai 2011 wurde an dem Gebäude der ehemaligen Synagoge in der Darmstädter Straße 1 eine Gedenktafel angebracht.

Betsaal / Synagoge

Das Gebäude, in dem sich später die Synagoge befand, entstammt wohl noch dem 18. Jahrhundert. Es wurde 1874 zur Synagoge umgebaut. Vorher wurde vermutlich in einem privaten Betraum Gottesdienst gefeiert, über dessen Lage nichts bekannt ist.

Die Synagoge war ein eingeschossiges Gebäude von sieben mal zehn Metern Größe und mit nach Nordosten streichendem Satteldach. Auf der Giebelspitze über dem nach Südwesten weisenden Eingang befanden sich die Gesetzestafeln aus rotem Sandstein. Die straßenseitige Traufwand besaß drei hochrechteckige Rundbogenfenster. Zwei weitere, etwas kleinere, flankierten den Eingang, über dem zudem ein rundes Fenster zur Belichtung der dahinter liegenden Empore eingelassen war. Unter der Empore befand sich der Eingangsbereich mit einem Vorraum, von dem der Zugang in den rund fünf Meter hohen Synagogenraum führte.5

1920 einer gründlichen Sanierung unterzogen, wurde das Gebäude zum 1. August 1938 an einen christlichen Besitzer verkauft. Die Kultgegenstände, darunter jeweils drei Thorarollen, goldbestickte Thoramäntel, handbemalte Wimpel, goldbestickte Thoraschreinvorhänge sowie drei Decken für das Vorbeterpult waren zuvor in die Synagoge Bleichstraße in Darmstadt in Sicherheit gebracht worden.6 Ein Teil davon soll sich heute in Israel oder New York befinden.7 Während der Pogromnacht wurden bei der Synagoge, obwohl sie sich bereits in christlichem Besitz befand, die Fenster eingeworfen und die Gesetzestafeln auf dem Dach zerstört. Ihre Fragmente transportierte man zum alten Sportplatz. Noch während des Zweiten Weltkrieges wurde das Gebäude zu Wohnzwecken umgebaut.

Weitere Einrichtungen

Mikwe

Südöstlich der Synagoge lag auf dem gleichen Grundstück die Mikwe. Das Becken maß etwa 1 x 1,5 Meter und war einen Meter tief.8 Das Badegebäude wurde später durch einen neuen Seitenflügel des Wohnhauses, das anstelle der Synagoge entstand, überbaut.

Schule

In Zusammenhang mit der Synagoge bestand auch eine Schule.

Cemetery

Die Verstorbenen der Gemeinde Roßdorf wurden auf dem Verbandsfriedhof in Dieburg beigesetzt.

Dieburg, Jüdischer Friedhof: Datensatz anzeigen

Grabstätten

Dieburg, Jüdischer Friedhof: Grabstätten anzeigen

References

Weblinks

Sources

Bibliography

Illustrations

Indices

Persons

Lew · Seligmann Hayum · Bule, Witwe · Gotschal · Mordechai Gotschal · Gotschal Jacob · Bermann Löw · Hayum Salomon · Hirsch Mordechai · Mordechai Jacob · Frommet · Hirsch Isaac · Salomon Feidel

Places

Darmstadt · Gundernhausen · Messel · Israel · New York · Dieburg

Sachbegriffe Geschichte

Buchenwald, Konzentrationslager · Holocaust · Stolpersteine · Zweiter Weltkrieg

Sachbegriffe Ausstattung

Gedenktafeln · Thoramäntel · Thorarollen · Wimpel · Thoraschreine · Vorhänge · Decken · Vorbeterpulte

Sachbegriffe Architektur

Satteldächer · Gesetzestafeln · Rundbogenfenster · Emporen

Fußnoten
  1. HHStAW 365, 752.
  2. Wagner, 1845, 47.
  3. Wilhelm, 1988, 14.
  4. HHStAW 365, 410.
  5. Wilhelm, 1988, 17.
  6. HHStAW 518, 1402.
  7. Wilhelm, 1988, 17.
  8. Wilhelm, 1988, 17.
Recommended Citation
„Roßdorf (Landkreis Darmstadt-Dieburg)“, in: Synagogen in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/en/purl/resolve/subject/syn/id/107> (Stand: 23.7.2022)