Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Synagogen in Hessen

Outline map of Hessen
Ordnance Map
5119 Kirchhain
Modern Maps
Kartenangebot der Landesvermessung
Historical Maps
Kurfürstentum Hessen 1840-1861 – 61. Kirchhain

Rauschenberg Karten-Symbol

Gemeinde Rauschenberg, Landkreis Marburg-Biedenkopf — Von Susanne Gerschlauer
Basic Data | History | Betsaal / Synagoge | Weitere Einrichtungen | References | Indices | Recommended Citation
Basic Data

Juden belegt seit

1570

Location

35282 Rauschenberg, Rosengasse 7/11 | → Lage anzeigen

Rabbinat

Oberhessen

preserved

nein

Jahr des Verlusts

1939

Art des Verlusts

Abbruch

Gedenktafel vorhanden

nein

Weitere Informationen zum Standort

Historical Gazetteer

History

Unter der Grundherrschaft der Grafen von Ziegenhain, wurde der Ort am 25.5.1266 mit Stadtrechten ausgestattet. Neben Marktrechten und anderem gestatteten die Grafen von Ziegenhain, Lehnsnehmer der hessischen Landgrafen, den Zuzug aus umliegenden Gemeinden. Dies bewirkte ein enormes Anwachsen der Bevölkerung, was auch bauliche Erweiterungen der Stadt nach sich zog. Mit dem Aussterben des Ziegenhainer Grafengeschlechts 1450 ging u.a. ihr Rauschenberger Besitz an die Landgrafen von Hessen. Rauschenberg war bis 1821 Amtssitz, bevor er durch die Schaffung des Kreises Kirchhain dorthin verlegt wurde. Die geographische Lage abseits wichtiger Verkehrs- und Handelswege, wie dem zwischen Frankfurt und Kassel, bedingte seit dem ausgehenden 17. Jahrhundert eine ökonomisch und demografisch eher ungünstige Entwicklung der Stadt. Bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts hinein blieb der Ort durch seine landwirtschaftliche und kleingewerbliche Struktur geprägt.1

Die erste belegte Erwähnung von Juden stammt aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Im Salbuch der Stadt von 1570 wird das rituelle Tauchbad erwähnt.2 Daraus kann eine bereits länger währende Ansässigkeit von Familien jüdischen Glaubens im Ort erschlossen werden. In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts werden zwei Familien gezählt. Um 1720 lebten vier Familien in Rauschenberg, mit insgesamt 14 Personen.3 Um 1770 betrug der Anteil der Juden an der Gesamtbevölkerung 2,83 Prozent (27 Juden), um 1835 lebten hier 34 Juden und Jüdinnen (2,33 Prozent).4 Um 1860 lag der Anteil mit 66 Bürgerinnen und Bürgern jüdischen Glaubens bei 4,42 Prozent, um 1905 mit 98 und 8,3 Prozent fast dreimal höher als noch 70 Jahre zuvor. Der Anteil an der Bevölkerung war jedoch bereits 20 Jahre später auf 39 Personen bzw. 3,4 Prozent erheblich gesunken. Dies ist vermutlich auf die um die Jahrhundertwende einsetzende Landflucht zurückzuführen.

Die jüdische Gemeinde Rauschenberg bestand bis um 1880 aus den in Betziesdorf, Schönstadt und Bürgeln lebenden Juden. Sitz der Gemeinde war Rauschenberg. In diesem Jahr spalteten sich die Betziesdorfer mit den Schönstädter und Bürgelner Juden von denen in Rauschenberg ab und gründeten eine eigene Gemeinde mit Sitz in Betziesdorf.5

Um 1925 war Isaak Plaut Vorsitzender der Synagogengemeinde, 1932 hatte Plaut II. das Amt inne. Faktisches Ende der Synagogengemeinde war 1938, offizielles 1940.6

Die Mehrheit der jüdischen Rauschenberger lebte um die Mitte des 19. Jahrhunderts vom Handel mit Vieh und Kramwaren, daneben gab es sechs Nebenerwerbsmetzger.7 Mit Markus Maranna lebte auch ein Possenmacher im Ort.8

Von den 30 1933 noch am Ort lebenden jüdischen Rauschenbergern zogen bis 1942 viele innerhalb Deutschlands um. Einige emigrierten ins Ausland (u.a. nach Argentinien).9 Von den sieben Verbliebenen wurden drei im Dezember 1941 verhaftet und nach Riga ins Ghetto deportiert, vier während der Jahre 1942/43 nach Sobibor, Theresienstadt und Auschwitz deportiert. Alle wurden ermordet.10

Betsaal / Synagoge

Der erste nachweisbare Betraum ist 1753 dokumentiert. Er befand sich bis mindestens 1802 gemeinsam mit einem Raum für den jüdischen Religionsunterricht im Haus des Isaak Katz, der zeitweise auch Lehrer war.11

Um Mitte des 19. Jahrhunderts bestand vermutlich bereits das Synagogengebäude in der heutigen Rosengasse, zwischen den heutigen Hausnummern 7 und 11, ehemals Hausnummer 204.12 Das Gebäude lag im Innern des alten Ortskerns. Wahrscheinlich hat es sich von der Nachbarbebauung kaum unterschieden.

Vermutlich dasselbe Synagogengebäude ist um 1896 dokumentiert, als der zwei Jahre zuvor angestellte Religionslehrer im Obergeschoss des Hauses von der Synagogengemeinde eine kleine Wohnung gestellt bekam. Der Betraum besaß eine Größe von 7,70 mal 8,70 Metern. Um 1910 rief die Rauschenberger Synagogengemeinde eine Sammelaktion zur Erhaltung bzw. Renovierung - vielleicht auch Neuerrichtung - ihrer Synagoge ins Leben. 1922, mit dem Ende der oberhessenweiten Sammlung waren 5.466 Mark zusammengekommen.13 Was mit dem Geld geschah, ist nicht überliefert.

1939 wurde das Synagogengebäude an eine Privatfamilie verkauft, die es zu Wohnzwecken nutzte. Vor 1985 wurde es vollständig abgebrochen, stattdessen bauten die Eigentümer drei Garagen.14

Von 1890 bis zu seinem Abbruch vor 1923 war ein "Betehäuschen" - vermutlich im Winter beheizbar - im Haus Nummer 232 in für Gottesdienste in Benutzung.15

Weitere Einrichtungen

Mikwe

Vermutlich existierte bereits um 1570 in Rauschenberg eine Mikwe. Im Salbuch der Stadt von 1570 wird das rituelle Tauchbad erwähnt.16

Schule

Im Haus des Isaak Katz war nachweislich seit ca. 1747 ein Raum für den Religionsunterricht in Benutzung. Lehrer war zu dieser Zeit Isaak Katz. Ein mehrfach gestellter Antrag der jüdischen Gemeinde an die zuständige Regierung in Marburg, eine Religionsschule neu zu bauen, wurde abgewiesen. Ob ein neuer Schulraum nach 1802 in Benutzung war, ist nicht überliefert. Seit 1827 sind auswärtige, angestellte Lehrer nachweisbar.17 1838 war offenbar ein alternativer Schulraum gefunden. Im Jahr 1839 wurde der Lehrer Aaron Luhs aus Eschwege angestellt. Er arbeitete bis zu seinem Tod im Jahr 1878 in Rauschenberg. Neben den durchschnittlich etwa 12 Kindern in Rauschenberg hatte er auch im rund sechs Kilometer südlich entfernt gelegenen Betziesdorf die etwa neun Betziesdorfer, Schönstädter und Bürgelner Kindern gemeinsam zu unterrichten. Zu seinen Aufgaben gehörten zeitweise auch die eines Vorsängers und Schächters.

1869 ist die Größe des Schulraums für zu dieser Zeit 11 Kinder im Schulbericht belegt: Der Raum war 5,17 mal 4,59 Meter groß und hatte eine Deckenhöhe von 2,30 Metern.18 Allerdings ist nicht überliefert, wo sich dieser Raum befand.

In den Jahren nach 1880 bis ca. 1894 wurde in Rauschenberg aufgrund der geringen Zahl an Kindern aber auch an Lehrpersonal eher unregelmäßig Unterricht erteilt. Zwischenzeitlich wurden die bis zu 19 Kinder in der Elementarschule Rauschenbergs in jüdischer Religion unterrichtet. Seit 1894 fand wieder regelmäßig Unterricht statt. 1896 wurde dem Lehrer von der jüdischen Gemeinde eine kleine Wohnung gestellt, die über dem Synagogenraum, Haus Nr. 204, lag.

1897 wurde der nicht mehr ausreichende Schulraum oberhalb des Synagogenraums zugunsten einer neuen Unterkunft im Haus von Simon Katz-Stiefel, Haus Nummer 54 aufgegeben. Dieser Schulraum bot neben vier Fenstern eine Größe von 6,14 mal 5,20 Metern und eine Raumhöhe von 2,70 Metern. Zudem gab es zwei Aborte auf dem Hof.19

Um 1903 belegt der Schulbericht, dass die jüdischen Kinder in der Elementarschule einen Schulraum mit 24 Plätzen benutzten. Er sei 5,45 mal 4,65 Meter groß und 3,20 Meter hoch. 1932 wurde der Unterricht aufgrund mangelnder Kinderzahl aufgegeben.20

Cemetery

Die Mitglieder der jüdischen Gemeinde Rauschenberg begruben ihre Verstorbenen zunächst auf dem etwa zehn Kilometer östlich liegenden jüdischen Friedhof in Hatzbach.21 Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde nordwestlich des Ortes, an der Albshäusertorstraße, Richtung Schwabendorf, ein eigener jüdische Friedhof in Benutzung genommen.

Hatzbach, Jüdischer Friedhof: Datensatz anzeigen
Rauschenberg, Jüdischer Friedhof: Datensatz anzeigen

References

Weblinks

Sources

Bibliography

Indices

Sachbegriffe Geschichte

Riga, Ghetto · Sobibor, Konzentrationslager · Theresienstadt, Konzentrationslager · Auschwitz, Konzentrationslager

Fußnoten
  1. Schneider, S. 166 f.
  2. Schneider., S. 167
  3. Schneider., S. 167
  4. Schneider., S. 167
  5. HStAM 180, 836
  6. Ortsartikel Rauschenberg auf Alemannia Judaica (s. Weblink)
  7. Schneider, S. 169 f.
  8. Arnsberg, JÜdische Gemeinden 2, S. 208
  9. Schneider, S. 188
  10. Gedenkbuch des Bundesarchivs (s. Weblink)
  11. Schneider, S. 18; die Gottesdienste in Rauschenberg wurden zu dieser Zeit auch von den in Halsdorf und Wohra lebenden Juden besucht.
  12. Ortsartikel Rauschenberg auf Alemannia Judaica (s. Weblink)
  13. Schneider, S. 172
  14. Schneider, S. 172
  15. Schneider, S. 172
  16. Schneider, S. 167
  17. Schneider, S. 169
  18. Schneider, S. 170
  19. Schneider, S. 171
  20. Ortsartikel Rauschenberg auf Alemannia Judaica (s. Weblink)
  21. Schneider, S. 172
Recommended Citation
„Rauschenberg (Landkreis Marburg-Biedenkopf)“, in: Synagogen in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/en/purl/resolve/subject/syn/id/162> (Stand: 5.9.2022)