Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Synagogen in Hessen

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Kurfürstentum Hessen 1840-1861 – 64. Neukirchen

Ottrau Karten-Symbol

Gemeinde Ottrau, Schwalm-Eder-Kreis — Von Barbara Greve
Basic Data | History | Betsaal / Synagoge | Weitere Einrichtungen | References | Indices | Recommended Citation
Basic Data

Juden belegt seit

1696

Location

34633 Ottrau, Bilz 10 | → Lage anzeigen

preserved

nein

Art des Verlusts

Abbruch

Gedenktafel vorhanden

nein

Weitere Informationen zum Standort

Historical Gazetteer

History

Die Gemeinde Ottrau liegt an den südlichen Ausläufern des Knüllgebirges, zugleich am südlichen Rand des Schwalm-Eder-Kreises. Seit 1585 gehörte das Gericht Ottrau zum hessischen Amt Neukirchen.

Eine Besonderheit waren die Rechte der Adelsfamilie v. Schwertzell, die das Recht zu Ottrau besaßen, Schutzbriefe an Juden auszustellten, wovon sie dann auch unter finanziellen Gesichtspunkten Gebrauch machten. Ihren Hauptsitz hatte die Familie im nahen Willingshausen (Schloss Willingshausen) mit einem angeschlossenen Gutsbezirk. Auch dort sorgten sie für die Ansiedlung von Juden, die jedoch zur Synagogengemeinde Merzhausen gehörten.

Im Jahre 1696 werden fünf Juden für Ottrau genannt. Sie lebten dort sowohl unter herrschaftlichem, d.h. hessischem Schutz als auch unter dem der Herren von Schwertzell.1 Familiennamen sind seit 1739 für die nunmehr neun Juden nachweisbar. Im Jahre 1816 lebten acht jüdische Familien mit 43 Erwachsenen und Kindern im Dorf. Bis auf einen nährten sie sich alle vom Viehhandel. Daneben betrieben sie auch den sogenannten „Nothandel“. 1828 zog Mendel Levi von Neustadt nach Berfa, seine Familie gehört damit zur Synagogengemeinde Ottrau.2

1836 lebten 61 erwachsene Juden in Ottrau, welche 9 Söhne und 14 Töchter hatten. 9 Kinder waren schulpflichtig. In der Folge sank die jüdische Bevölkerung und betrug zwischen 1861-1905 etwa 32 Personen. 1920 gab es nur noch fünf religionsgesetzlich erwachsene, männliche Juden in Ottrau. Gemeindeältester war Salomon Plaut. Der Vorsänger an den Hohen Feiertagen, zu denen man befreundete oder durchreisende Juden einlud, um einen Minjan bilden zu können, war Moritz Nussbaum aus Neukirchen. Die Gemeinde besaß zu diesem Zeitpunkt drei Thorarollen sowie ein Gebetbuch.3

Die jüdische Bevölkerung der Synagogengemeinde Ottrau ist im 19. Jahrhundert ab 1824 aus den erhaltenen Geburts-, Trau- und Sterberegistern belegt. Diese sogenannten „Gatermann-Filme“ sind jedoch für Ottrau wegen der schlechten Bildqualität nur schwer zu lesen.4 Die Register sind in Arcinsys digital eingestellt.

1933 waren noch 17 Juden, Erwachsene und Kinder, in Ottrau wohnhaft. Laut Angaben des Gedenkbuches des Bundesarchivs wurden sechs von ihnen sowie weitere 13 aus Ottrau gebürtige, aber auswärts lebende Juden deportiert und ermordet.5 Die Festschrift von 1982 zur 1200-Jahrfeier des Ortes erwähnt die 250jährige Geschichte der Juden in Ottrau gerade einmal auf sieben Zeilen. Im Ort erinnert heute nichts mehr an die einstigen jüdischen Nachbarn.6

Betsaal / Synagoge

Ottrau besaß lange Zeit keine eigene Synagoge, jedoch gibt es Zeugnisse darüber, dass regelmäßig Schul, d.h. Gottesdienst gehalten wurde. Dieser fand wohl in einem jüdischen Privathaus statt. So ist für 1766 eine Schul belegt und im gleichen Jahr erwarb Salomon Wallach aus Ottrau 46 Stück kalbfellen Pergament für die fünf Bücher Mose.7

1824 hatte die Gemeinde einen Betraum im Hause des Feist Wallach für acht Reichstaler gemietet. Nach 1849-1862 gingen Mietzahlungen für einen Synagogenraum an Simon Falk. Der genaue Zeitpunkt des Erwerbs einer eigenen Immobilie ist unbekannt. Es handelte sich um ein firstseitig zur Straße stehendes einstöckiges Gebäude mit den Außenmaßen 7,1 m x10,6 m. Die Nutzungsaufteilung des Gebäudes ist unbekannt. Die Synagoge wurde nach der Pogromnacht zwangsweise am 12.12.1938 an einen Privatmann verkauft und später abgerissen.8

Das Gemeindevermögen bestand 1890 aus vier Thorarollen, einem Gebetbuch und einer Laterne (Ewiges Licht). Die Kultgegenstände sollen vor der Pogromnacht 1938 in die Kasseler Hauptsynagoge ausgelagert worden sein, wo sie durch den gelegten Brand oder den nachfolgenden Abriss vernichtet wurden. Über die von der IRSO nach dem Krieg geltend gemachten Angaben zu den vorhandenen Kultgegenständen können nach Wert und Anzahl keine Aussagen gemacht werden. Die Angaben scheinen jedoch plausibel.9

Weitere Einrichtungen

Mikwe

Im Jahre 1835 wurden die vorhandenen „Badelöcher“ in den Kellern der jüdischen Häuser behördlicherseits versiegelt und die Anlage eines zweckmäßigen „Weiberbades“ gefordert. Der Gemeindeälteste Salomon Wallach wies auf die finanzielle Situation der Gemeindemitglieder hin, welche „teils zu schwach, größtenteils aber unbemittelt“ seien, und deshalb kein neues Bad erbauen könnten. Außerdem ermangele es an einem dafür geeigneten Platz. Darüber hinaus hätten vier Familien kein Bad nötig und Mentel Levis Familie aus Berfa besuche das hiesige Bad nicht mehr. Die Einwohner würden aufgrund ihrer finanziellen Notlage „lieber das Bad nicht gebrauchen und in strengen Wintern in den Fluss gehen als sich solchen Abgaben zu unterwerfen.“ Über ein Ergebnis dieses Disputs liegen keine Angaben vor.10

Schule

Für 1773 wird der Schulmeister Simon David aus Schenklengsfeld genannt, dessen Sohn Levi sich in Lingelbach taufen ließ und den Namen Christian Constantin erhielt. Seit 1820 hatte die Gemeinde den Lehrer und Vorsänger Jonas Lewi. Im Jahre 1827 wurde Isac Herz aus Tann in der Rhön auf drei Jahre als Lehrer verpflichtet. Ihm folgte 1832 Heß Bleiweiß aus Gehaus im Großherzogtum Weimar, welcher auch Schächter der Gemeinde war. Gleichzeitig wird für dieses Jahr auch Levi Wertheim aus Langenschwarz als Privatlehrer bei Feist Wallach genannt. Zwischen dem 1841 auf fünf Jahre angenommenen Meier Levi aus Wehrda und der Gemeinde kam es immer wieder, auch wegen der allzu geringen Besoldung, zu aktenfüllenden Streitereien. David Katz aus Zimmersrode wurde 1872 für die Hohen Feiertage als Vorbeter verpflichtet, desgleichen Moses Goldschmidt in 1880. Seit wann die jüdischen Kinder die Gemeindeschule besuchten, ist nicht bekannt. 1884 erteilte der Lehrer Rothschild aus Neukirchen den Religionsunterricht.

Cemetery

Einen eigenen Friedhof besaßen die Juden in Ottrau nicht. Vielmehr begruben sie ihre Toten auf dem großen Sammelfriedhof in Oberaula.11 Dort sind nach den Grabinschriften wenigstens 24 Juden aus Ottrau für den Zeitraum von 1740 bis 1931 nachzuweisen. Die Grabinschriften des jüdischen Friedhofs Oberaula sind von der Kommission für die Geschichte der Juden in Hessen dokumentiert und in LAGIS einsehbar. Dazu findet sich dort auch ein Lageplan, der das Auffinden der Grabsteine erleichtert.

Oberaula, Jüdischer Friedhof: Datensatz anzeigen

Grabstätten

Oberaula, Jüdischer Friedhof: Grabstätten anzeigen

References

Weblinks

Sources

Bibliography

Fußnoten
  1. Greve, Jüdisches Leben, S. 694 ff.; Greve, Friedhof Oberaula, S. 164
  2. HStAM, 19 h, 582
  3. HStAM, Rechnungen III Ottrau, 1791; Best. 180 Ziegenhain, 3696 und 4606
  4. HHStAW 365, 703-707
  5. Gedenkbuch des Bundesarchivs
  6. Festschrift Ottrau, S. 41
  7. HStAM, 40 a Rubr. 02, 2253
  8. HStAM, Rechnungen III Ottrau, 1791; Best. 224, 131
  9. HStAM, Rechnungen III Ottrau, 1791; Best. 19 h, 582; Best. 180 Ziegenhain, 3014
  10. HStAM, 180 Ziegenhain, 2873
  11. Greve, Jüdisches Leben, S. 166 ff.
Recommended Citation
„Ottrau (Schwalm-Eder-Kreis)“, in: Synagogen in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/en/purl/resolve/subject/syn/id/396> (Stand: 23.7.2022)