Synagogen in Hessen
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- 5620 Ortenberg
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- Großherzogtum Hessen 1823-1850 (Übersichtskarte mit handschriftlichen Ergänzungen) – 16. Büdingen
Ortenberg
- Gemeinde Ortenberg, Wetteraukreis — Von Susanne Gerschlauer
- Basic Data ↑
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Juden belegt seit
13. Jahrhundert
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Location
63683 Ortenberg, Wilhelm-Leuschner-Straße 7, 63683 Ortenberg | → Lage anzeigen
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Rabbinat
Oberhessen
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religiöse Ausrichtung
liberal
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preserved
ja
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Gedenktafel vorhanden
nein
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Weitere Informationen zum Standort
- History ↑
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Seit dem 12. Jahrhundert besaßen die Burgmannen von Ortenberg die Gerichtshoheit im Ort. Bis 1810, als Ortenberg an das Großherzogtum Hessen fiel, waren zu je 2/3 bzw. 1/3 die Herren von Stollberg-Rossla bzw. Hanau die Ortsherren.
Schon im 13. und 14. Jahrhundert lebten nachweislich Juden im 1266 zur Stadt erhobenen Ortenberg.1 Um die Mitte des 17. Jahrhunderts waren zehn jüdische Familien gemeldet. 1828 sind 28, 1871 81 Juden in Ortenberg wohnhaft. Im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts lebten 46 Juden in Ortenberg. Bei 1.000 Einwohnern war dies ein Anteil von ca. fünf Prozent an der Gesamtbevölkerung.
Zusammen mit den im etwa vier Kilometer entfernten Bleichenbach lebenden Juden bildeten die Juden von Ortenberg eine liberal orientierte Gemeinde. Der letzte Vorsitzende der Synagogengemeinde, die sich bereits vor 1938 aufgelöst hatte, war Willy Oppenheimer.
Überwiegend lebten die Ortenberger Juden vom Handel mit Pferden, Vieh und Textilien. Es gab einen Herren- und Damenschneider, einen Elektroinstallateur sowie einen Arbeiter und einen Metzger. Nach der Auflösung der Gemeinde zogen alle jüdischen Ortenberger weg.2
- Betsaal / Synagoge ↑
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Bereits vor Mitte des 17. Jahrhunderts ist ein Betraum innerhalb eines privaten Wohnhauses belegt. In seiner Nachfolge könnte ein Synagogengebäude errichtet worden sein, oder es wurde ein bestehender Bau zu gottesdienstlichen Zwecken umgenutzt. Ihr Betrieb störte die Ratsherren und christlichen Ortenberger.3 Um 1760 ließ die Synagogengemeinde ein Synagogengebäude errichten, das sich nahe des städtischen Gasthauses befand. Es war ein zweigeschossiger Bau, in dem zuerst jüdischer Religionsunterricht gehalten wurde und das bis 1877 für den Gottesdienst diente. Im Brandkataster von 1812 erschien das Gebäude mit einem Versicherungswert von 600 Gulden. Nach dem Umzug der Gemeinde in die Wilhelm-Leuschner-Straße ließ man den Bau abreißen.4
Weil das bisher genutzte Gebäude erhebliche bauliche Mängel aufwies, plante die jüdische Gemeinde um 1872 die Errichtung eines repräsentativen zweigeschossigen Synagogenneubaus mit Versammlungs- bzw. Schulraum sowie einer Lehrerwohnung. Das Haus sollte in der südlichen Vorstadt gebaut und dafür Gelände von der politischen Gemeinde und der Kirche erworben werden.5 Mitte Mai 1876 gab die Synagogengemeinde ihr Projekt auf. Einer der Gründe könnte in der Ablehnung der Bauentwürfe durch die Kreisbaubehörde in Büdingen liegen. Den Plänen wurde mangelnder Realismus in Bezug auf Kosten und Materialansatz bescheinigt und dem ausführenden Gemeindebaumeister Tünezer eine Überarbeitung der Unterlagen empfohlen.6 Ein weiteres Motiv gegen ein umfangreiches und vermutlich kostspieliges Neubauprojekt ist in der schwinden Zahl der Gemeindemitglieder zu suchen. Die Synagogengemeinde Ortenberg war den Auswirkungen der Landflucht ebenso ausgesetzt wie andere Synagogengemeinden in ländlichen Gebieten Hessens.
Da das Neubauprojekt nicht zustande kam, erwarb die jüdische Gemeinde unter erheblichem finanziellem Kraftaufwand für 8.550 Mark die sog. Kraft'sche Hofreite, in der ein Gottesdienstraum eingerichtet wurde. Die Synagoge wurde 1877 eingeweiht. Das auch als Wohn- und Geschäftshaus genutzte Gebäude befand sich in der südlichen Vorstadt, in der Wilhelm-Leuschner-Straße 7, der Hauptdurchgangsstraße Ortenbergs, etwa 200 Meter außerhalb des alten Ortskerns, südlich davon. Der längsrechteckige zweigeschossige Bau mit Satteldach steht traufständig zur Straße. Zur Nutzungszeit in den späten 1870er Jahren hob sich das Gebäude aufgrund seiner Ausdehnung an der Straße von der umgebenden Bebauung geringfügig ab. Der Umbau zur Synagoge bzw. für Gemeindezwecke hatte wohl nur im Inneren massivere Auswirkung. Vermutlich wiesen, abgesehen von den Rundbogenfenstern im westlichen Gebäudeteil (Gottesdienstraum), nur einzelne architektonische Elemente am Außenbild auf eine Nutzung als Synagoge hin. Die jüdische Gemeinde löste sich bereits vor 1938 auf und verkaufte im Zuge der Auflösung das Gebäude, in dem bis 1933 der Gottesdienst abgehalten wurde. Heute dient das Gebäude als Wohn- und Geschäftshaus.
- Weitere Einrichtungen ↑
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Mikwe
Im 16. Jahrhundert bestand außerhalb der Stadtmauern eine Mikwe.7 Möglicherweise diente eine Stelle im nahe gelegenen Mühlbach oder der nahen Nidder zur rituellen Reinigung. In der Nähe des Stadtbrunnens gab es bis in die 1930er Jahre eine weitere Mikwe, die wahrscheinlich mindestens eine Vorgängerin besaß.8
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Cemetery
Es gab vermutlich zwei jüdische Friedhöfe; einer wurde bereits 1545 genannt. Seine Lage ist unklar.9 Ein jüngerer Friedhof, nahe der Nidda, wurde mindestens seit 1728 (ältester Grabstein) genutzt.10
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Grabstätten
- References ↑
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Weblinks
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Sources
- Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden (HHStAW):
- HHStAW Best. 503, Nr. 7361: Entschädigungsansprüche der jüdischen Gemeinden im Regierungsbezirk Wiesbaden. Band 6: Gebäude der jüdischen Kultusgemeinde in Hanau (enthält: Zerstörung der Kultgegenstände aus der Synagoge Ortenberg), (1932-1933) 1960-1962
- Hessisches Staatsarchiv Darmstadt (HStAD):
- HStAD Best. G 15 Büdingen, Nr. L 90: Synagoge zu Ortenberg, 1872–1913
- HStAD Best. G 15 Büdingen, Nr. L 113: Jüdisches Frauenbad zu Ortenberg, 1907
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Bibliography
- Meuser, Manfred; Schroeder, Michael: Geschichte der jüdischen Gemeinde von Ortenberg in Hessen (Ortenberger kleine historische Schriften, Heft 4), Ortenberg 2018
- Altaras, Thea: Synagogen und jüdische Rituelle Tauchbäder in Hessen – Was geschah seit 1945? Königstein im Taunus 2007
- Arnsberg, Paul: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang. Untergang. Neubeginn, 2 Bde. Frankfurt a.M. 1971/1972, hier: Band 2, S. 189-190
- Engel, Fritz: Zur Geschichte der Juden in Ortenberg. Ortenberg 1981
- Gerschlauer, Susanne: Ländliche Synagogen im 19. und 20. Jahrhundert in der Wetterau und im Vorderen Vogelsberg an ausgewählten Beispielen. Magisterarbeit Univ. Marburg 1991
- Heusohn, Karl: Ortenberg. Burg, Stadt und Landgericht unter der Linde. Ortenberg 1927
- Ruppin, Arthur: Die Juden im Großherzogtum Hessen. Berlin 1909
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Illustration available
✓ (in Bearbeitung)
- Indices ↑
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Persons
Hanau, Herren von · Oppenheimer, Willy · Stollberg-Rossla, Herren von
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Places
- Fußnoten ↑
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- Arnsberg, Jüdische Gemeinden 2, S. 189 ↑
- Arnsberg, Jüdische Gemeinden 2, S. 189 ↑
- Heuson, Ortenberg, S. 57 f. ↑
- Heuson, Ortenberg, S. 59 ↑
- Näheres dazu bei Gerschlauer: Ländliche Synagogen, S. 39 ff. ↑
- HStAD G 15 Büdingen, L 90 ↑
- Arnsberg, Jüdische Gemeinden 2, S. 189 ↑
- Ausführlicher dazu Altaras, Synagogen, S. 392 ff.; Engel, Juden in Ortenberg, S. 10 ↑
- Heuson, Ortenberg, S. 54 ↑
- Vgl. Ortenberg, Jüdischer Friedhof in LAGIS (s. Link) ↑
- Recommended Citation ↑
- „Ortenberg (Wetteraukreis)“, in: Synagogen in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/en/purl/resolve/subject/syn/id/4> (Stand: 12.7.2023)