Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Synagogen in Hessen

Nauheim Karten-Symbol

Gemeinde Nauheim, Landkreis Groß-Gerau — Von Wolfgang Fritzsche
Basic Data | History | Betsaal / Synagoge | Weitere Einrichtungen | References | Indices | Recommended Citation
Basic Data

Juden belegt seit

1563

Location

64569 Nauheim, Hintergasse 25 | → Lage anzeigen

Rabbinat

Darmstadt II

religiöse Ausrichtung

orthodox

preserved

ja

Gedenktafel vorhanden

nein

Weitere Informationen zum Standort

Historical Gazetteer

History

Der wohl älteste Hinweis auf einen jüdischen Einwohner Nauheims findet sich in einer Bürgermeistereirechnung aus dem Jahre 1563, als Abraham einen Malter Korn zur Entlohnung für Arbeiten am Brunnen im Pfarrhof erhielt. Nur drei Jahre später, 1566, erscheint der Name abermals, als besagter Abraham der Gemeinde Korn abkaufte. 1608 wurde Nathan genannt, und 1626 erwarben „Abraham Judt Zue Nauheim sampt seinen Consorten” einen Garten aus dem Besitz des Zehntgrafen in Groß-Gerau, um dort einen Friedhof einzurichten.1 1631 erscheint dann abermals Abraham als jüdischer Einwohner des Dorfes, dem Christoph von Straßburg unter König Gustav Adolf von Schweden freies Geleit zugesagte.2 Ungeklärt ist, ob es sich um die gleiche Person handelt. Mangels Nachweisen lässt sich auch kein dauerhafter Aufenthalt bis in das 18. Jahrhundert belegen. Einzig ein Hinweis aus dem Jahr 1697 deutet darauf hin, dass ein Jude im Ort lebte.3 1730 wurde der Name Feist erwähnt, ab 1764 die ersten, noch wenigen Geburten verzeichnet. Dabei werden immer wieder nur drei Familien genannt. Nach Annahme feste Familiennamen finden sich die Familien Marx, Marxsohn, Goldschmidt und Oppenheimer.4 Die Wahl der Familiennamen entspricht der im benachbarten Königstädten und könnte auf eine große soziale, vielleicht sogar familiäre Nähe dorthin verweisen.

Bereits in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts war die Zahl jüdischer Einwohner rückläufig. Sie hatte im Jahr 1900 mit 28 Personen ihren höchsten Stand erreicht und lag 1905 und 1933 bei 19.5 1912 teilte der Vorstand der Gemeinde Simon Marx mit, er habe alle Unterlagen und Dokumente der sich auflösenden Gemeinde Königstädten zur Aufbewahrung erhalten.6

Im Haus Hintergasse 2 richtete Witwe Marx einen Laden für Manufaktur- und Kurzwaren ein. In der Hintergasse 13 betrieb die Familie Ludwig Strauß Viehhandel, in der Waldstraße 10 Familie Siegfried Marx einen Textilhandel. Bernhard Marx handelte in der Vorderstraße 30 mit Vieh und Getreide.

In der Pogromnacht wurde die Familie von Ludwig Strauß misshandelt. 12 Personen kamen im Holocaust ums Leben.

Anfang der 1990er Jahre fand man bei Sanierungsarbeiten am Haus Vorderstraße 30, hier wohnte die Familie Marx, in einem Nebenbau Reste einer Laubhütte.

Betsaal / Synagoge

Im 19. Jahrhundert zählten die jüdischen Bewohner zur Gemeinde Groß-Gerau. Ende dieses Jahrhunderts konstituierte sich eine eigene Gemeinde, die im Wohnhaus von Elias Marx, heute Hintergasse 2, eine Betstube einrichtete. Nach dem Tod von Elias Marx meldete dessen Witwe im Oktober 1906 Eigenbedarf an und kündigte den Raum auf. Wenige Tage später bot der Vorsteher der Gemeinde, Levi Hass, an, im Obergeschoss seines Hauses Hintergasse 25, eine Betstube einzurichten. Die Umbaukosten beliefen sich auf 225 Mark.7 Im Laufe der 1930er Jahre nahm die Zahl der jüdischen Einwohner ab, der Betsaal wurde schon um 1935 praktisch nicht mehr genutzt. Nach dem Tod von Levi Haas ging das Haus an eine Erbengemeinschaft über, die es 1937 an einen christlichen Besitzer verkaufte. Später schrieb ein Sohn der Familie, dass es gerade in den letzten Jahren schwierig war, „den jüdischen Gottesdienst zu halten. Es waren 10 erwachsene Männer dazu notwendig und die waren in Nauheim nicht mehr vorhanden. Meine Eltern luden dazu polnische Juden aus Mainz ein. Sie übernachteten in unserem Haus oder später bei Anna in einem Gasthaus (Zum Hirsch) in der Nähe der Bürgermeisterei und meine Eltern übernahmen die Kosten dafür.”8

Weil es nicht mehr als Betstube genutzt wurde, blieb das Haus in der Pogromnacht verschont.

Weitere Einrichtungen

Schule

Zur Unterrichtung der Kinder und Besorgung religiöser Aufgaben war zeitweise ein eigener Lehrer angestellt.

Cemetery

1626 erwarben „Abraham Judt Zue Nauheim sampt seinen Consorten” einen Garten aus dem Besitz des Zehntgrafen in Groß-Gerau, um dort einen Friedhof einzurichten.9 Dieses Vorhaben wurde aber nicht realisiert, sondern die Verstorbenen in Groß-Gerau bestattet.

Groß-Gerau, Jüdischer Friedhof: Datensatz anzeigen

References

Weblinks

Sources

Bibliography

Illustrations

Fußnoten
  1. Hock, Juden in Nauheim, S. 392
  2. HStAD E 8 A, in 75/9
  3. Hock, Juden in Nauheim, S. 393
  4. Schleindl, Verschwundene Nachbarn, S. 211
  5. Schleindl, Verschwundene Nachbarn, S. 211
  6. HStAD G 15 Groß-Gerau, L 26
  7. HStAD G 15 Groß-Gerau, L 27
  8. Pilz, Schicksal der jüdischen Nauheimer, S. 37
  9. Hock, Juden in Nauheim, S. 392
Recommended Citation
„Nauheim (Landkreis Groß-Gerau)“, in: Synagogen in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/en/purl/resolve/subject/syn/id/48> (Stand: 23.7.2022)