Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Synagogen in Hessen

Outline map of Hessen
Ordnance Map
5615 Villmar
Modern Maps
Kartenangebot der Landesvermessung
Historical Maps
Herzogtum Nassau 1819 – 27. Hasselbach

Münster

Gemeinde Selters (Taunus), Landkreis Limburg-Weilburg — Von Carina Schmidt
Basic Data | History | Betsaal / Synagoge | Weitere Einrichtungen | References | Indices | Recommended Citation
Basic Data

Juden belegt seit

1694

Location

65618 Selters, Ortsteil Münster, Vorderstraße

preserved

nein

Gedenktafel vorhanden

nein

Weitere Informationen zum Standort

Historical Gazetteer

History

Über die Grundherrschaft Münster verfügte im hohen Mittelalter das Bistum Worms, ab 1194 das Kloster Arnstein. Ende des 16. Jahrhunderts ging die Gemarkung in den Besitz der Grafen von Wied-Runkel über. Dem Herzogtum Nassau wurde das Dorf 1806 einverleibt und dem Amt Runkel zugeteilt, 1866 gelangte es unter preußische Herrschaft. Heute bildet Münster einen Ortsteil der Gemeinde Selters im Taunus im hessischen Landkreis Limburg-Weilburg.1

Erstmals wird ein jüdischer Einwohner von Münster 1694 erwähnt. 1717 ist die Geburt der Jüdin Bayle Levi in Münster vermerkt, Tochter der dort wohnhaften Eltern Aaron Levi und Jütel, geborene Nathan. Dann tauchen ansässige Juden erst wieder in den Sendgerichtsakten von 1762-1780 auf, genannt sind Jun, Eisig und Abraham. Tatsächlich gab es aber wohl schon um 1728/29 eine kleine Kultusgemeinde in Münster. Darauf weisen die erhaltenen Thorawimpel aus der Synagoge in Weyer hin, denn sämtliche älteren Wimpel sind mit den Namen von Schutzjudenfamilien aus Münster bestickt. Diese wurden beim Anschluss der Münsterer Juden Anfang des 20. Jahrhunderts an die Kultusgemeinde Weyer dorthin überführt. Ein Machsor, ein Gebetbuch für die hohen Feiertage, von 1595 wurde ebenfalls entdeckt. Ob dieser tatsächlich bereits im ausgehenden 16. Jahrhundert in Weyer, der älteren jüdischen Gemeinde in Münster oder andernorts Verwendung fand, lässt sich aber nicht mit Bestimmtheit sagen.2

In einer Schatzungsliste von 1806 sind elf jüdische Steuerzahler, neun Männer und zwei Witwen, vermerkt. Insgesamt gab es damals rund 30 Juden in Münster. Seit etwa 1830 existierte vor Ort nachweislich eine Synagoge auf einem privaten Anwesen in der Vordergasse. Bis 1854 wuchs die Gemeinde auf 43 Personen in neun Familien an, darunter die Großfamilie des wohlhabenden Nathan L. Königsberger, der von seinem Vater Löb Aaron Königsberger, einem erfolgreichen Handelsmann und Geldverleiher aus Münster, rund 15.000 Gulden hinterlassen bekam. Ferner sind folgende Familien belegt: Nathan Lichtenstein, Joseph Königsberger, Isaak Saalfelds Witwe, Manche Jacob, Jacob Wolf und Joseph Zodaks Witwe sowie Seligmann Kahn, der Kultusvorsteher. Bis um die Jahrhundertwende ging die Mitgliederzahl der Gemeinde so stark zurück, dass diese sich auflöste. 1903 waren nur noch zwei Juden in Münster ansässig. Sie veräußerten die Synaoge und schlossen sich der jüdischen Gemeinde in Weyer an.3

Betsaal / Synagoge

Ein jüdisches Bethaus ist in Münster im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts belegt. Es befand sich auf dem Grundstück von Jacob Isaac neben dessen Wohnhaus in der Vordergasse (heute Vorderstraße) und hatte eine Grundfläche von etwa 54 Quadratmetern. 1836 ging das Anwesen an Manche Jacob über und gelangte um 1854 in den Besitz der jüdischen Gemeinde. Im Stockbuch wird die Synagoge als einstöckiges Gebäude von etwa 11 Metern Länge und neun Metern Tiefe beschrieben. Als die Kultusgemeinde Anfang des 20. Jahrhunderts eingegangen war, wurden Teile der Einrichtung und die Ritualien nachweislich in die Synagoge in Weyer überführt. Das inzwischen baufällige Gotteshaus in Münster sollte versteigert und der Erlös an den bedürftigen ortsansässigen Aaron Oppenheimer, einen 74-jährigen, fast blinden Kramwarenhändler, gehen. Zwei Auktionen fanden statt, doch die Gebote waren so niedrig, dass der Vorsteher Blumenthal von Weyer dem Verkauf nicht zustimmte. Stattdessen überschrieb die Gemeinde Oppenheimer und seiner Ehefrau Jettchen, geborene Hirsch, das Haus. Im Jahr darauf gelangte das Gebäude in den Besitz von Anton Hepp II. und seiner Ehefrau Elisabetha, geborene Völker. Was weiterhin mit dem Gebäude passiert ist, lässt sich nicht feststellen; dem Ehepaar Hepp gehörte um 1910 nur noch ein Haus in der Hintergasse.4

Weitere Einrichtungen

Mikwe

In Münster existierte eine Mikwe, die sich in einem einstöckigen Gebäude in der Seltersergasse (heute Selterser Straße), früher Hausnummer 167 (um 1940), befand. Diese war 1840 von der Kultusgemeinde Münster neu erbaut worden und stand auch den jüdischen Frauen aus Weyer und Eisenbach zur Verfügung. Den Schlüssel zu dem Haus verwahrte Anfang der 1850er Jahre der Vorsteher Seligmann Kahn. Dadurch waren die Frauen, wenn sie das Bad benutzen wollten, stets gezwungen, einen Mann um Einlass zu bitten. Da sie ihre rituellen Reinigungen auf diese Weise nicht geheim halten konnten, beschwerte sich der Rechner Josef Löb Königsberger 1854 beim Herzoglichen Kreisamt Limburg über diesen Umstand, seine Eingabe blieb aber folgenlos. 1881 verkaufte die jüdische Gemeinde das Badhaus an den Bierbrauer Wilhelm Lang, 1940 ging es in den Besitz des Bergmanns August Lang über.5

Schule

Schon 1841 bestand ein Schulverband zwischen den jüdischen Gemeinden Münster und Weyer, die zusammen Lehrer Salomon Rothschild von Hoffenheim bestellten. Nachdem sie Rothschild gekündigt hatten, wurde 1848 Lehrer Henoch aus Weilmünster unter Vertrag genommen. Anfang der 1850er Jahre schlossen sich die Juden von Villmar und 1856 auch diejenigen von Runkel dem Schulverband an. Zwischen 1852 und 1855 unterrichtete Lehrer Löwenberg von Schupbach die schulpflichtigen Kinder. 1856 übernahm Anselm Rosenfeld von Singhofen den Schuldienst, 1860 Hirsch Laubheim, ebenfalls von Singhofen. Als 1885 zeitweilig keine schulpflichtigen Kinder mehr vor Ort waren, bemühten sich die Juden von Münster erfolglos um eine Befreiung von der Beitragspflicht zum Lehrergehalt. Der Unterricht wurde in den 1920er Jahren von Siegmund Bravmann aus Weilburg erteilt, zuletzt war hier ab 1932 der Lehrer Julius Isaak aus Limburg tätig.6

Cemetery

Die Verstorbenen der Kultusgemeinde Münster wurden auf dem bis 1938 genutzten jüdischen Friedhof in Weyer beigesetzt, eine eigene Begräbnisstätte vor Ort ist nicht bekannt.7

Weyer, Jüdischer Friedhof: Datensatz anzeigen

Grabstätten

Weyer, Jüdischer Friedhof: Grabstätten anzeigen

References

Weblinks

Sources

Bibliography

Fußnoten
  1. May, Territorialgeschichte, S. 68–69, 274; Weidenbach, Nassauische Territorien, S. 302–303, 332–333; Ortsartikel Münster in LAGIS, Historisches Ortslexikon (siehe Link oben)
  2. Pullmann/Caspary, Kultusgemeinden, S. 30–32, 41–42, 53–54; Safrai, Bestickte Torawimpel aus Weyer, S. 104–108
  3. Pullmann/Caspary, Kultusgemeinden, S. 55–57, 67; Schatzung der Judenschaft im Amt Runkel, 1806–1807, in: HHStAW 239, 613; Gebäudesteuerkataster der Gemeinde Münster, 1822, Artikel 54, in: HHStAW 239, 1224; Bevölkerungstabelle für das herzoglich-nassauische Amt Runkel, 1854 (fol. 126–134), in: HHStAW 239, 18; HHStAW 412, 108
  4. Pullmann/Caspary, Kultusgemeinden, S. 69–70; Gebäudesteuerkataster der Gemeinde Münster, 1822, Artikel 54, in: HHStAW 239, 1224; Die israelitische Kultusgemeinde Weyer, 1896–1932, in: HHStAW 412, 108; Immobilien der Kultusgemeinde Münster, in: HHStAW 362/25, Stockbuch Münster, Bd. 3, Artikel 125; Immobilien des Aaron Oppenheimer von Münster, in: HHStAW 362/25, Stockbuch Münster, Bd. 11, Artikel 708; zur Umrechnung der Maßeinheiten von Fuß in Meter siehe Verdenhalven, Meß- und Währungssysteme, S. 19–20; Gebäudebuch zur Gemarkung Münster, Gemeinde Selters, 1910–1959, Artikel 22, in: HHStAW 433, 5041
  5. Pullmann/Caspary: Die jüdischen Kultusgemeinden Weyer und Münster, S. 66–68; Immobilien der Kultusgemeinde Münster, in: HHStAW 362/25, Stockbuch Münster, Bd. 3, Artikel 125; Gebäudebuch zur Gemarkung Münster, Gemeinde Selters, 1910–1959, Artikel 183, in: HHStAW 433, 5041
  6. Die Religionslehrerstelle für die israelitischen Kultusgemeinden Münster, Weyer, Villmar und Runkel, 1841–1860, in: HHStAW 211, 11468; Die israelitische Kultusgemeinde Münster, 1884–1885, in: HHStAW 405, 1538; Ortsartikel Weyer (mit Münster) auf Alemannia Judaica (s. Weblink)
  7. Pullmann/Caspary, Kultusgemeinden, S. 84
Recommended Citation
„Münster (Landkreis Limburg-Weilburg)“, in: Synagogen in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/en/purl/resolve/subject/syn/id/16> (Stand: 25.8.2022)