Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Synagogen in Hessen

Bad Orb Karten-Symbol

Gemeinde Bad Orb, Main-Kinzig-Kreis — Von Wolfgang Fritzsche
Basic Data | History | Betsaal / Synagoge | Weitere Einrichtungen | References | Indices | Recommended Citation
Basic Data

Juden belegt seit

1387

Location

63619 Bad Orb, Solplatz 1 | → Lage anzeigen

Rabbinat

Hanau

preserved

ja

Gedenktafel vorhanden

ja

Weitere Informationen zum Standort

Historical Gazetteer

History

Der Ort Orb wurde urkundlich erstmals 1064 erwähnt, als Heinrich IV. die Burg und die Salzquellen dem Mainzer Erzbischof schenkte. 1244 mit Stadtrechten ausgestattet, verpfändete Kurmainz die Stadt von 1428 bis 1566 an die Grafen von Hanau. Im Zuge des Reichsdeputationshauptschlusses kam Orb an das Fürstentum Aschaffenburg und 1814 an das Königreich Bayern. 1866 gelangte es an Preußen und wurde Teil des Kreises Gelnhausen. Dieser wurde am 1. Juli 1974 aufgelöst und in den Main-Kinzig-Kreis überführt.

Die jüdische Gemeinde gehörte zunächst zum Rabbinat Mainz, später zu dem in Aschaffenburg. Diese Zugehörigkeit wurde auch nach der Überführung zu Preußen beibehalten. Erst 1932 wählte die Gemeinde freiwillig die Zugehörigkeit zum Rabbinat Hanau.1

Die Anfänge einer jüdischen Bevölkerung in Bad Orb liegen im Dunkeln. So sollen bereits im Mittelalter Juden in der Stadt gewohnt haben, die aber Mitte des 14. Jahrhunderts vertrieben wurden. 1387 erhielt Hasemann aus Mainz einen auf drei Jahre befristeten Schutzbrief. Für 1464 ist die Anwesenheit eines oder mehrerer Juden in Orb ebenso belegt, wie für 1525 und 1563.2 1600 baten Gumprecht und Jacob aus Orb darum, sich in Kesselstadt niederlassen zu dürfen.3 Auch für die Zeit nach dem Dreißigjährigen Krieg liegen nur sporadisch Einzelnennungen vor.

Dies änderte sich 1722, als Kurmainz die Saline an den Hoffaktor Moises Löb Isaak aus Frankfurt verpachtete.4 Wenig später, 1725, entstand an der Stadtmauer der erste jüdische Friedhof, was als Indiz dafür gewertet werden kann, dass zu dieser Zeit bereits eine Gemeinde bestand.

Nach dem Übergang Orbs an das Fürstentum Aschaffenburg und wenig später an Bayern verdichten sich die Nachrichten. 1828, als Orb bereits zu Bayern gehörte, lebten 13 jüdische Familien mit sieben schulpflichtigen Kindern in der Stadt, weitere vier Familien in Aufenau und eine in Wirtheim. Sie bildeten zusammen eine Gemeinde, die in der Schachtstraße, heute Kanalstraße, in einem angemieteten Raum eine Synagoge unterhielt. Im 19. Jahrhundert lag die Zahl der jüdischen Einwohner mehr oder weniger konstant bei 80 Personen, um 1905 mit 90 Personen ihren absoluten Höhepunkt zu erreichen.

Einer Gewerbeübersicht aus dem Jahr 1851 ist die Berufsstruktur zu entnehmen: Die Witwe von Mendel Lustenstädter betrieb Warenhandel ebenso wie Joel Eisenmanns Witwe, Jakob Hecht, Abraham Kohn Silberthau und die Witwe von Löb Seliger, die auch als Viehhändlerin auftrat. Viehhandel betrieben auch Joel Seliger und Koppel Eisenmann. Michael Reiss und Seligmann Seliger waren Metzger. Samuel Seliger und Löw Seliger wurden als Ökonom bezeichnet. Abraham Seliger war Tuchmacher und Salomon Tann Seifensieder.5

Am 24. August 1847 gründeten 13 Männern den Israelitischen Krankenverein. Zu seinen Aufgaben gehörte es, im Krankheitsfall neben der kostenfreien ärztlichen und wundärztlichen Behandlung auch die finanzielle Unterstützung der Erkrankten und ihrer Familien zu übernehmen. Dafür war ein ärztliches Attest vorzulegen.6

Bereits in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts waren Juden im örtlichen Vereinsleben aktiv. Sie gehörten teilweise der Pflicht–, teilweise der Freiwilligen Feuerwehr an, waren Mitglied in Gesangsvereinen oder in einem der Sportvereine. Adolf Adler, Besitzer des Hotels Adler, war zeitweise Protokollführer des Wirte-Vereins und ab 1920 Vertrauensmann beim Gewerbeverein. Zu den 93 Mitgliedern des Verschönerungsvereins zählten 1906 auch elf jüdische Einwohner.

Viele engagierten sich auch in der politischen Gemeinde. Schon 1898 erhielten Emanuel Goldschmidt und Max Lichtenstädter ein Mandat in der Stadtverordnetenversammlung. Letzterer war zudem Mitglied des Aufsichtsrates der Kurverwaltung. Dr. Rudolf Weinberg war von 1913 bis 1919 Stadtverordneter und ab 1926 Magistratsmitglied.7 Nach dem Zweiten Weltkrieg gab die Stadt einer Straße seinen Namen.

Nachdem sich um 1900 ein professionelles Kurwesen etabliert hatte, Orb wurde 1909 staatlich anerkanntes Heilbad, entstanden auch jüdisch geführte Etablissements. Das um 1900 erbaute Hotel Adler lag in der damaligen Würzburger Straße und wurde spätestens seit 1902 durch Adolf Adler und seine Frau Berta betrieben. Adolf Adler war zumindest zeitweise gleichzeitig als Händler tätig. In einer Anzeige im Israeliten im Juli 1902 warb er mit einer eigenen Molkerei und streng ritueller Küche. Während des Ersten Weltkrieges diente das Hotel als Reservelazarett. 1932 verfügte es über 30 Betten, Zentralheizung und fließendes Wasser. Auf Druck des NS-Regimes verkaufte Adler sein Hotel vermutlich gegen Ende des Jahres 1937 und verließ Bad Orb am 19. Mai 1938.

Auch die Pension Reis bot 1901 koschere Küche an. Sie wurde von Bertha Reis am heutigen Marktplatz betrieben.

In der früheren Würzburger Straße 7, heute Ludwig-Schmank-Straße, unterhielt der Pferdehändler Isidor Seliger nicht nur sein Viehhandelsgeschäft, sondern betrieb mit seiner Frau auch die Villa Hortensia mit sechs Betten.

1932 eröffneten Max und Adele Mannheimer für kurze Zeit die Pension Mannheimer in der Kanalstraße. Auch sie boten ihren Gästen koschere Speisen an.

In der zweiten Hälfte der 1920er Jahre war der Arzt Dr. Bacharach Besitzer der Villa Sofie und vermietete einige Räume an Dauermieter.

Unmittelbar am Eingang zum Kurpark, Salinenstraße 6, bezog Dr. Rudolf Weinberg 1926 seine Praxisräume in der Pension Regina mit zehn Betten, Zentralheizung und fließendem Wasser.

Noch im Mai 1933 warb „Der Israelit“ für einen Aufenthalt in Bad Orb. Nach einer kurzen Beschreibung heißt es weiter: „Was für den jüdischen Kurgast als Plus hinzu kommt, das ist die Tatsache, dass sich in Bad und Stadt Orb eine wohl organisierte jüdische Gemeinde befindet, die mit ihrer schönen Synagoge, in der täglich Gottesdienst in alter frommer Weise abgehalten wird, wie mit all ihren anderen jüdischen Einrichtungen ihm alle von Haus aus gewohnten jüdischen Lebensmöglichkeiten bietet. Sodann aber findet er im Hotel Adler ein wahrhaft geistliches Heim, in dem ihm alles in höchstem Maße geboten wird, was er zu seiner Erholung braucht: Ruhe, vortreffliche Verpflegung, aufmerksame Bedienung, bei Preisen, die sich der Zeit möglichst anpassen. Das Orbtal und das Bad insbesondere bilden eine wahre Ruheinsel jenseits allen politischen Getriebes, man atmet die würzige Luft in Gemeinschaft mit angenehmen, lieben Menschen, die auch ihrerseits Ruhe und Erholung suchen und sie anderen gönnen. Unter den einheimischen Bädern, die man erst recht dieses Jahr berücksichtigen soll, müsste auch Bad Orb in erster Reihe genannt werden.“8

Diese Situation änderte sich nach der Machtübernahme schnell. Repressalien führten nicht nur zu einem Rückgang der Geschäftstätigkeit, auch verließen viele Menschen den Ort. 1937/1938 warb Bad Orb für sich als Heilbad, versah diese Werbung allerdings mit dem Zusatz „Juden nicht erwünscht“.

Im August 1938 löste sich die jüdische Gemeinde auf und verkaufte die Synagoge. Die in der Stadt verbliebenen Juden verhaftete man in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938, brachte sie in ihrer Nachtbekleidung auf die etwa vier Kilometer entfernte Eiserne Hand und ließ sie zu Fuß zurück nach Bad Orb laufen. Bereits am 9. November war in der Zeitung die Nachricht erschienen, dass Bad Orb „judenfrei“ sei, weil die meisten verbliebenen ihre formale Abmeldung bereits getätigt hatten.

Am 9. November 2002 enthüllte die Stadt eine Gedenktafel am Solplatz in Erinnerung an ihre „ehemaligen Nachbarn und Freunde“. Sie wurde im Spätsommer 2006 mutwillig beschädigt. Seit dem 9. November 2006 findet auf private Initiative ein Gedenkmarsch von der Eisernen Hand zum Solplatz, dem Standort der Synagoge, statt. Seit November 2012 werden in Bad Orb Stolpersteine verlegt.

Betsaal / Synagoge

Auch wenn davon ausgegangen werden kann, dass sich bereits im ersten Drittel des 18. Jahrhunderts eine Gemeinde gegründet hatte, liegen nur fragmentarische Hinweise auf eine Synagoge vor.

1829 hatte man ein großes Zimmer eines Privathauses in der Schachtstraße, heute Kanalstraße, als Synagoge hergerichtet, in dem der Lehrer als Vorsänger den Gottesdienst besorgte.9

Vermutlich 1849 hatte der Vermieter gekündigt und die Gemeinde 1850 das Haus von Abraham Seliger für 915 Gulden gekauft. Obwohl es als baufällig galt, sollten dort die Synagoge, eine Schule, eine Wohnung für den Lehrer und eine Mikwe eingerichtet werden. Die projektierten Kosten beliefen sich auf 1.600 Gulden. Eine zur Deckung der Baukosten durchgeführte Kollekte erbrachte aber nur 184 Gulden, 18 Kreuzer.

Noch im gleichen Jahr legten die beiden Vorsteher Seliger und Silberthau einen Umbauplan vor. Demzufolge handelte es sich um die rechte Hälfte eines dreigeschossigen Wohnhauses, das mit seinem Satteldach versehen traufständig zum heutigen Solplatz stand. Über dem massiven Erdgeschoss erhoben sich zwei Fachwerkgeschosse. Der Zugang erfolgte über eine dreistufige Außentreppe. Hinter der Tür lag der Hausgang, von dem links eine Treppe in das Obergeschoss führte und sich rechts ein Wohnzimmer anschloss. Hinter dem Wohnzimmer befand sich eine Kammer, während sich dem Hausgang die Küche anschloss.

Im Obergeschoss war von der Treppe ein Vorplatz zu betreten, von dem aus rechts sich eine Stube erschloss. Durch diese wiederum waren drei weitere Kammern zugänglich. Aus dem Vorplatz führte eine weitere Treppe in das zweite Obergeschoss, von dem rechts ein Zimmer abging. Den hinteren Bereich des Hauses nahmen rechts die Sitze für die Männer und links die für die Frauen ein. Dabei war der Frauenbereich nur durch Stützen vom Männerbereich abgetrennt. Eine Empore bestand nicht. Diese beiden Räume konnten bislang nur über die linke Haushälfte betreten werden.10

Die wesentlichen Umbaumaßnahmen betrafen den Einbau der Mikwe und die Schaffung eines Zuganges zur Synagoge in der rechten Gebäudehälfte. Bei dieser Gelegenheit wurden im ersten Obergeschoss ein Abort und eine Gerätekammer, eingebaut.

1851 beantragte die Gemeinde Orb die Durchführung einer Kollekte, deren Erlös man zum Bau einer „neuen Synagoge mit Lehr-Zimmer, Religionslehrer-Wohnung mit Frauenbad“ verwenden wollte.11 Es ist unbekannt, ob diese Sammlung durchgeführt wurde. Unwahrscheinlich ist, dass der Bau aus ausgeführt wurde.

Als am 15. April 1859 ein Blitz in das Haus einschlug wurde beschrieben, dass dieser durch das Getäfel des Bethauses in den mittleren Stock und von da hinunter in die Küche und die Schlafstube des Lehrers fuhr. Weder am Gebäude noch am Mobiliar entstand ein Schaden.12 Es kann also als gesichert gelten, dass dieses Haus in den 1850er Jahren als Gemeindezentrum genutzt wurde.

1863 reichte der damalige Gemeindevorstand Herz Wolfeiler Plan und Kostenschlag zur Erbauung einer neuen Synagoge ein und bat um die Genehmigung einer Kollekte.13 Dem Gutachten der Baubehörde vom Juli 1864 ist zu entnehmen, dass der Plan erheblich vereinfacht werden müsse. Die nun veranschlagten Baukosten lagen bei 6.000 Gulden, während sie 1851 für das damalige Projekt noch 1.600 Gulden betrugen. „Dieser hohe Kostenbetrag scheint hauptsächlich in den projektierten Verzierungs- und Gesimse-Arbeiten seinen Grund zu haben, welche ohne den Zweck des Gebäudes zu beeinträchtigen, auch unterlassen werden können.“14 Tatsächlich wurden die Pläne und der Kostenvoranschlag im April 1865 an den Maurer Schneeweis übergeben, um sie umzuarbeiten. Ein Foto der Synagoge von 1927 zeigt einen zweistöckigen Massivbau unter Mansarddach. Hierbei kann es sich eigentlich nur um einen völligen Neubau handeln. Darauf deutet auch die Jahreszahl 1870 im Türsturz hin. Daraus lässt sich – kurzgefasst – ableiten, dass das Haus spätestens seit 1850 als Synagoge genutzt wurde. Der 1864 gestellte Bauantrag für einen Neubau wurde schließlich 1870 realisiert.

1920 wurde die Synagoge anlässlich ihres 50jährigen Bestehens grundlegend saniert. Leider liegen keine weiteren Akten vor, die das Gebäude beschreiben. Erst die nach dem Zweiten Weltkrieg angelegten Entschädigungsakten geben weitere Hinweise. Demnach war die Synagoge, ein zweigeschossiges Gebäude aus Bruchsteinen, um 1870 erbaut worden. Etwa 3/5 der Fläche des Erdgeschosses dienten in den 1930er Jahren als Betraum, die übrige Fläche als Wohnraum.15 Der Zustand soll etwas vernachlässigt gewesen sein, da die Gemeinde 1933 geplant hatte, eine neue Synagoge zu bauen. Seinerzeit bestand die Inneneinrichtung aus alten hölzernen Bänken, einem Rednerpult und einer Wanduhr. Rabbiner Isaak Silberthau soll die Bänke als Brennholz verkauft haben, der Verkauf des Gebäudes erfolgte im August 1938. Silberthau soll im Oktober 1938 alle Kultgegenstände herausgenommen haben, wohl, um sie auf dem Friedhof zu begraben. Auch nach dem Verkauf sollen noch Gebetsstunden gehalten worden sein.

Über den Verkauf der Synagoge gibt der Brief einen Überlebenden des Holocaust Aufschluss. Moritz Lichtenstädter, seinerzeit Vorstandsmitglied, bestätigt darin: „In Herrn Müller sah ich einen Mann, der der NSDAP ablehnend gegenüberstand und daß auf jeden Fall vermieden werden musste, daß das Gebäude einem Nazianhänger zufallen würde. Der Verkauf an Herrn Müller erfolgte vollständig freiwillig und ohne jeden Druck. Der vereinbarte Kaufpreis in Höhe von RM 6.000,- ist richtig bezahlt worden. Es ist mein Wille […], dass Herr Müller in dem ungestörten Besitz der früheren Synagoge bleibt.“16

Zu den aus Bad Orb in das Gemeindehaus Hanau ausgelagerten Kultgegenständen im Wert von 59.850 DM gehörten sechs Thorarollen, zwei silberne Thorakronen, zwei silberne Thoraaufsätze mit Schellen, zwei silberne Lesefinger, zwölf goldbestickte Thoramäntel, 50 handbemalte Wimpel, sechs goldbestickte Thoraschreinvorhänge aus Plüsch, Samt und Seide, fünf goldbestickte Decken für das Vorbeterpult aus Plüsch, Samt und Seide, fünf goldbestickte Decken für das Vorlesepult ebenfalls aus Plüsch, Samt und Seide, eine Ewige Lampe, ein siebenarmiger Leuchter, ein Channukahleuchter, zwei silberne Weinbecher, eine silberne Hawdallahgarnitur, ein pergamentbeschriebenes Megillah mit Mantel, zwei Schofarhörner und eine silberne Etrogbüchse.

2002 wurde in unmittelbarer Nähe eine Gedenktafel angebracht.

Weitere Einrichtungen

Mikwe

Obwohl eine Mikwe zu den notwendigen Einrichtungen einer jüdischen Gemeinde gehört, bestand eine solche bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts nicht. Noch 1841 benutzten die Frauen die Mikwe in Wächtersbach, die erst kurz zuvor erneuert worden war.17 Zu diesem Zeitpunkt befasste sich die Gemeinde erstmals mit einer Erneuerung ihrer Einrichtungen und sah auch den Bau einer Mikwe als dringend notwendig an. Finanziert werden sollte das Vorhaben aus offenen Forderungen in Höhe von 100 Gulden und einer freiwilligen Sicherung durch ihre Mitglieder. Für die Nutzung sollte jede einheimische Frau fünf Kreuzer, jede auswärtige 20 Kreuzer zahlen. Neu hinzugezogene Frauen hatten einen einmaligen Beitrag in Höhe von fünf Gulden zu leisten.

Die Regierung machte den Bau allerdings von der Einrichtung einer Schule abhängig und schlug das Gesuch zunächst ab. Auch die Gemeinde selbst bat wenig später um Aufschub, weil es wegen der Nutzung zu Unstimmigkeiten innerhalb der Gemeinde kam. Zudem beschuldigte sie den Lehrer Mack, Mikwe und Schule miteinander in Verbindung gebracht zu haben, um eine eigene Wohnung zu bekommen.

Nach einiger Zeit wiederholte die Gemeinde im Dezember 1843 ihr Baugesuch, weil sich die Zahl der Frauen erhöht und eine Gelegenheit ergeben habe, günstig an ein passendes Gebäude zu kommen. Das sollte das Rehbergersche Wohnhaus sein, in dem auch eine Schule untergebracht werden könne. Aber auch daraus wurde nichts, weil sich die Mitglieder abermals uneinig war.

Bis 1850 hatte die Gemeinde das Haus des Abraham Seliger, „welches bisher die Schule und Synagoge der Juden in Orb enthielt“18, erworben und wollte dort ein Gemeindezentrum samt Mikwe einrichten, weil es eine solche in Orb nicht gab. Die beiden Vorsteher Seliger und Silberthau legten einen Plan vor, dem ein Grundriss der bisherigen Lokalitäten des alten Hauses beilag. Die projektierten Umbaukosten beliefen sich auf 1.600 Gulden, 41 Kreuzer. Das Gebäude galt allerdings als sehr baufällig. Zum Abschluss der Arbeiten sollte das Haus an drei Seiten verputzt werden.

Die ursprüngliche Planung sah vor, im hinteren Bereich des massiven Erdgeschosses von der Küche und einer benachbarten Kammer einen Teil abzutrennen und dort die Mikwe einzurichten. Der Zugang erfolgte über die Küche. Rechts schlossen sich drei Stufen an, über die ein Podest mit einer hölzernen Bütte für die Körperreinigung zu erreichen war. Hier befand sich auch ein gemauerter Kessel, mit dem das Wasser des eigentlichen Bades erwärmt werden konnte. Dieses war über eine neunstufige Treppe zu betreten, lag also eigentlich im Keller. Das Badebecken war durch eine Falltür verschließbar. Es folgte eine Diskussion über zu ändernde Baudetails, mit denen sich die Gemeinde letztlich einverstanden erklärte: Die ehemalige Küche wurde komplett aufgegeben und stattdessen eine Heizkammer mit Kessel zur Erwärmung des Badewassers eingebaut. Die eigentliche Mikwe blieb im Keller an der hinteren Hauswand bestehen.

Der Baubeginn verzögerte sich, weil abermals eine Kollekte durchgeführt werden sollte.

Im September 1851 bat der Vorsteher der jüdischen Gemeinde schließlich den königlichen Landgerichtsarzt, vor der Eröffnung das neu eingerichtete Bad zu besichtigen. Dieser hatte nichts gegen den künftigen Gebrauch einzuwenden, wünschte jedoch noch die Anschaffung eines Vorhangs am Fenster, eines Teppichs oder einer Strohmatte vor der Ankleide, eines großen Spiegels und einer hängenden Lampe.19

Mit dem Neubau der Synagoge 1870 dürfte auch die Mikwe vollständig erneuert worden sein.

Schule

Die erste bekannte Schule befand sich wohl in der Synagoge Schachtstraße und wurde Ende der 1840er Jahre in das seinerzeit genutzte Synagogengebäude verlegt. 1873 gründeten Orb und Wächtersbach einen Schulverband. Während dieser Zeit wohnte der Lehrer in den Sommermonaten von April bis Oktober in Orb, auch um die dortigen Kurgäste zu betreuen.20

Nach dem Neubau 1870 befand sich das Schulzimmer im Erdgeschoss links des Eingangs. In dem Haus hatte auch der Lehrer seine Wohnung.

Cemetery

1725 erhielt die jüdische Gemeinde im oberen südwestlichen Stadtgraben, unmittelbar an der Stadtmauer, einen Platz, um einen eigenen Friedhof anzulegen. Dieser sollte 1823 aus sanitären Gründen geschlossen werden. Dagegen erhob die Gemeinde Einspruch, dem auch stattgegeben wurde. Gleichwohl einigten sich die jüdische und die politische Gemeinde später, um seit 1841 auf dem Friedhof in Aufenau zu bestatten.21 Auf dem Platz entstand später der städtische Holzhof. Als dieser in den 1990er Jahren abgerissen wurde, fand man Reste von jüdischen Grabsteinen, die sich heute im örtlichen Museum befinden.

Nachdem der Friedhof in Aufenau vollständig belegt war, erhielt die Gemeinde 1927 in der heutigen Rhönstraße ein 785 Quadratmeter großes Areal für einen neuen Friedhof, der mit 79 Reihen– und 28 Kindergräbern Platz für 80 Familien bot. Aus der Zeit bis 1935 haben sich elf Grabstätten erhalten.22

Bad Orb, Jüdischer Friedhof: Datensatz anzeigen
Aufenau, Jüdischer Friedhof: Datensatz anzeigen

References

Weblinks

Sources

Bibliography

Illustrations

Indices

Persons

Heinrich IV. · Hanau, Grafen von · Hasemann · Gumprecht · Jacob · Moises Löb Isaak · Lustenstädter, Mendel, Witwe · Eisenmann, Joel, Witwe · Hecht, Jacob · Silberthau, Abraham Kohn · Seliger, Löb, Witwe · Seliger, Joel · Eisenmann, Koppel · Reiss, Michael · Seliger, Seligmann · Seliger, Samuel · Seliger, Löw · Seliger, Abraham · Tann, Salomon · Adler, Adolf · Goldschmidt, Emanuel · Lichtenstädter, Max · Weinberg, Rudolf · Adler, Berta · Reis, Bertha · Seliger, Isidor · Mannheimer, Adele · Mannheimer, Max · Bacharach, Dr. · Wolfeiler, Herz · Schneeweis · Silberthau, Isaak · Lichtenstädter, Moritz · Mack

Places

Kesselstadt · Frankfurt am Main · Aufenau · Wirtheim · Hanau · Wächtersbach

Sachbegriffe Geschichte

Mainz, Kurfürstentum · Reichsdeputationshauptschluss · Aschaffenburg, Fürstentum · Bayern, Königreich · Preußen · Mainz, Rabbinat · Aschaffenburg, Rabbinat · Dreißigjähriger Krieg · Orb, Israelitischer Krankenverein · Orb, Wirte-Verein · Stolpersteine · Orb, Hotel Adler · Orb, Pension Reis · Orb, Villa Hortensia · Orb, Pension Mannheimer · Orb, Villa Sofie · Orb, Pension Regina

Sachbegriffe Ausstattung

Rednerpulte · Wanduhren · Thorarollen · Thorakronen · Thoraaufsätze · Schellen · Lesefinger · Thoramäntel · Wimpel · Thoravorhänge · Decken · Vorbeterpulte · Vorlesepulte · Ewige Lampen · Leuchter · Chanukkaleuchter · Weinbecher · Hawdalah-Garnituren · Megillot · Schofarot · Etrogbüchsen · Bütten · Kessel · Vorhänge · Teppiche · Strohmatte

Sachbegriffe Architektur

Satteldächer · Fachwerkgeschosse · Außentreppen · Emporen · Aborte · Mansarddächer · Türsturze · Bruchstein

Fußnoten
  1. Koch, 2009, S. 2
  2. HStAM Urk. 66, 301
  3. HStAM 86, 25917
  4. Ackermann, 1997, S. 39
  5. HStAM 112 d Orb, 2398
  6. HStAM 112 b, 239
  7. Koch, 2009, S. 21
  8. Koch, 2009, S. 54
  9. HStAM 112 b, 754
  10. HStAM 112 d Orb, 2398
  11. HStAM 112 a, 80
  12. HStAM 112 d Orb, 804
  13. HStAM 112 d Orb, 2400
  14. HStAM 112 d Orb, 2400
  15. HHStAW 518, 1232
  16. HHStAW 518, 1232
  17. HStAM 112 d Orb, 574
  18. HStAM 112 d Orb, 2398
  19. HStAM 112 d Orb, 2398
  20. Koch, 2009, S. 8
  21. Koch, 2009, S. 24
  22. Koch, 2009, S. 31
Recommended Citation
„Bad Orb (Main-Kinzig-Kreis)“, in: Synagogen in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/en/purl/resolve/subject/syn/id/405> (Stand: 23.7.2022)