Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Synagogen in Hessen

Lengfeld Karten-Symbol

Gemeinde Otzberg, Landkreis Darmstadt-Dieburg — Von Wolfgang Fritzsche
Basic Data | History | Betsaal / Synagoge | Weitere Einrichtungen | References | Indices | Recommended Citation
Basic Data

Juden belegt seit

1694

Location

64853 Otzberg, Ortsteil Lengfeld, Bismarckstraße 21 | → Lage anzeigen

Rabbinat

Darmstadt II

religiöse Ausrichtung

orthodox

preserved

ja

Gedenktafel vorhanden

ja

Weitere Informationen zum Standort

Historical Gazetteer

History

Lengfeld wurde urkundlich zum ersten Mal 1244 als fuldischer Pfarrort erwähnt. Ab 1504 gehörte es zu Kurpfalz, kam 1626 an das Haus Hessen-Darmstadt, um Mitte des 17. Jahrhunderts wieder an den Pfalzgrafen zu gelangen. Der Ort blieb bis 1803 kurpfälzisch und wurde in diesem Jahr nach Hessen-Darmstadt inkorporiert. Heute ist Lengfeld Ortsteil von Otzberg.

Auch wenn im Amt Otzberg 1548/50 erstmals zwei jüdische Familien genannt wurden, stammen die ersten Nachweise über gezahlte Begräbnisgelder eines in Lengfeld verstorbenen Juden erst von 1694/95.1 1721 lebten die drei zur Schatzung veranlagten Juden, Jessel, Löw und Isaak im Ort.2 Bei dem ebenfalls genannten Meyer dürfte es sich um den 1690 in der Frankfurter Judengasse geborenen Sohn von Meyer Halevi handeln, der seit 1720 in Lengfeld lebte. Er war ein vermögender Kaufmann und Rabbiner. Auf dem Grundstück seiner Nachfahren, die sich Anfang des 19. Jahrhunderts den Namen Lehmann gaben, wurde 1800 die Synagoge erbaut.

Die Anzahl der jüdischen Einwohner stieg im Laufe des 18. Jahrhunderts und lag 1829 bei 29. Sie erreichte mit 57 im Jahre 1867 ihren höchsten Stand und lag 1900 noch bei 50.3 Bis Anfang der 1930er Jahre sank die Zahl so stark, dass bereits vor 1932 die Synagoge verkauft wurde.

Während der Novemberpogrome 1938 drangen Nationalsozialisten in die Häuser von zwei noch im Ort lebenden jüdischen Familien ein und zerstörten dort das Inventar. Einen Tag später wurden die Familien in das Konzentrationslager Buchenwald deportiert und dort ermordet.

Seit 1988 befindet sich ein Mahnmal an der Otzbergschule, dessen Inschrift lautet: „Den Juden, die in Lengfeld, Habitzheim und Ober Klingen verfolgt und der Vernichtung preisgegeben wurden, zum Gedächtnis - uns selber und künftigen Generationen zur Mahnung. Die Liebe besiegt den Haß! Otzberg, am 50. Jahrestag der so genannten Reichskristallnacht.“

Betsaal / Synagoge

Bei der Synagoge handelte es sich um eine sogenannte Privatsynagoge. Dies bedeutet, dass das Gebäude in privaten Besitz stand, was aber die Bedeutung für jüdische Begriffe nicht minderte.4 Sie war ein um 1800 von Paßach Lehmann, einem Nachfahren des Rabbiners Isaak, errichteter, heute verputzter zweigeschossiger Fachwerkbau, dessen nach Osten gerichteter Giebel mit vorkragendem Obergeschoss zum Salzgässchen weist. Ehemals im Obergeschoss gelegene Segmentbogenfenster sind heute nicht mehr erhalten. Die beiden Eingänge waren über das Salzgässchen zu erreichen. Der Eingang für die Frauen lag in der Giebelwand, der für die Männer hinter einem kleinen Vorplatz in der südlichen Traufwand. Der Betsaal soll ehemals eine gewölbte Decke mit schöner Bemalung gehabt haben.

Um 1820 baute Lehmann sein Wohnhaus, ein massives, zweigeschossiges Gebäude, so um die Synagoge herum, dass diese teilweise darin verschwand. Nach Norden wies ein Treppengiebel, nach Süden ein Walmdach, unter dem im Erdgeschoss der Eingang in einen Laden lag. Nur die zum Salzgässchen weisende Giebelzone bezeugte das vormals selbstständige Gebäude. Durch diesen Neubau erfolgte nun der Zugang für die Männer durch dessen Erdgeschoss. Der Fraueneingang blieb unverändert erhalten. 1863 bis 1865 erfolgten weitere Erneuerungen, in deren Verlauf vermutlich Ecklisenen, mit Zahnschnittprofil versehenes Gurtgesims und Fensterverdachungen angebracht wurden.

Das Anwesen wurde bereits vor 1932 an einen christlichen Besitzer verkauft, allerdings behielt sich die Gemeinde ein Nutzungsrecht vor, das erst 1939 aufgehoben wurde. Die nach Darmstadt verbrachten Kultgegenstände wurden dort in der Pogromnacht zerstört.5

Wenig später wurden der ursprünglich zwischen den beiden Giebelfenstern gelegene Erker der Thoranische beseitigt und die Fenster verändert.6

Weitere Einrichtungen

Mikwe

Die älteste bekannte Mikwe befand sich im Keller des Hauses Neuweg 2/Ecke Hindenburgstraße. Nicht zuletzt die sich verändernden Hygienevorschriften verlangten nach einer Schließung dieses Bades. Erste Pläne für eine neue Mikwe entstanden daher ab 1826. 1883 schließlich verkaufte die jüdische Gemeinde ihr Badehaus im Neuweg, behielt sich aber ein Nutzungsrecht bis zur Fertigstellung eines Neubaus vor. 1884 erwarb die Gemeinde das Haus Arztbergstraße 10 und richtete dort bis 1886 eine Religionsschule mit Lehrerwohnung und moderner Mikwe ein.7 Diese wurde ausschließlich aus einem mit Regenwasser gespeisten Bassin versorgt. Zum Auffangen des Dachflächenwassers war die Krone der östlichen Traufwand als Dachrinne ausgestaltet. Das Gefälle neigte sich zur Mitte, wo ein senkrechtes Rohr das Wasser in das Erdreich und von da aus in das Bassin leitete. Das Bassin wiederum war durch eine runde Öffnung mit dem Tauchbecken verbunden. Gleichzeitig konnte Regenwasser von der gegenüberliegenden Traufseite mittels eines Rohres zum Erwärmen in einen Kessel der Feuerungsstelle geleitet werden.8

In der zur Straße weisenden Zone lag der Schulraum, dem sich nach Norden ein Lagerraum anschloss. Wiederum nördlich davon lag die Mikwe in der östlichen Haushälfte, die Feuerung in der westlichen. Nach Norden schlossen sich ein Gang und ein kleines Umkleidezimmer an. Wiederum nördlich davon befand sich eine Wassergüte und der Abbort. Der Schulraum verfügte über einen eigenen Zugang, über den zunächst ein kleiner Gang mit Treppenhaus zu betreten war. Von hier aus war die im Dachgeschoss gelegene Lehrerwohnung zu erreichen. Die Mikwe verfügte über einen separaten, im nördlichen Gebäudeteil befindlichen Eingang von Westen. Das eigentliche Tauchbecken hatte die Form eines L. Der schmale Schenkel führte die geradläufige, sechsstufige Treppe in das Becken des breiten Schenkels. Tageslicht fiel durch ein Dachfenster, da die Außenwand fensterlos war.

1940 ging das Haus an einen christlichen Besitzer über und wurde zu einem Wohnhaus umgebaut. Tauchbecken und Bassin wurden zwischenzeitlich teilweise entfernt oder mit Erde zugeschüttet.9

Schule

1886 errichtete die Gemeinde in der heutigen Otzbergstraße die Religionsschule. Sie enthielt auch eine Mikwe, die von einem Regenwasserspeicher gespeist wurde. Das Gebäude wurde 1940 an eine christliche Familie verkauft, die es zum Wohnraum umbaute.

Cemetery

Die Verstorbenen aus Lengfeld wurden auf dem Verbandsfriedhof in Dieburg bestattet.

Dieburg, Jüdischer Friedhof: Datensatz anzeigen

Grabstätten

Dieburg, Jüdischer Friedhof: Grabstätten anzeigen

References

Weblinks

Sources

Bibliography

Illustration available

(in Bearbeitung)

Fußnoten
  1. Franz, 2009, S. 60
  2. Großkopf, 1988, S. 28
  3. Alicke, 2008, S. 249
  4. Altaras, 2007, S. 286
  5. HHStAW 518, 1409
  6. Großkopf, 1988, S. 28
  7. Großkopf, 1988, S. 30
  8. Altaras, 2007, S. 288
  9. Altaras, 2007, S. 288
Recommended Citation
„Lengfeld (Landkreis Darmstadt-Dieburg)“, in: Synagogen in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/en/purl/resolve/subject/syn/id/161> (Stand: 22.7.2022)