Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Synagogen in Hessen

Langenschwarz Karten-Symbol

Gemeinde Burghaun, Landkreis Fulda — Von Elisabeth Sternberg-Siebert
Basic Data | History | Betsaal / Synagoge | Weitere Einrichtungen | References | Indices | Recommended Citation
Basic Data

Juden belegt seit

1583

Location

36151 Burghaun, Ortsteil Langenschwarz, Rimbacher Weg 2 | → Lage anzeigen

preserved

nein

Jahr des Verlusts

1965

Art des Verlusts

Abbruch

Gedenktafel vorhanden

nein

Weitere Informationen zum Standort

Historical Gazetteer

History

In Langenschwarz1 gab es schon vor mehr als vier Jahrhunderten jüdische Bewohner. Die erste bisher bekannte Erwähnung stammt aus dem Jahr 1583. In einer Akte ist von dem Juden Borach die Rede, der einen Gulden Buße zahlen musste, weil er, als die „Juden zu Langenschwarz“ bei einer Beschneidung waren, „sein wehr über die andtern ausgezogen undt sie schlagen wollen.“

Im August 1587 wird in einem Rechnungseintrag der Jude Josep von Langenschwarz genannt, dem der Küchenmeister zu Fulda zwei Gulden und fünf Batzen für 30 Ellen Sackzwilch bezahlt hat. Es ist nicht bekannt, wie viele Jahre sich die hier Genannten in Langenschwarz im Schutz der Herren von Buchenau, die zu jener Zeit die Grundherren waren, aufhielten. Auch weiß man nicht, ob und wie zahlreich gegebenenfalls Juden in den folgenden Jahrzehnten in dem Ort anwesend waren. Im 18. Jahrhundert haben jedenfalls wieder Juden im Dorf gelebt, denn seit 1771 sind auf dem zuständigen Zentralfriedhof in Burghaun Juden von Langenschwarz begraben.

Die jüdische Gemeinschaft wuchs um die Wende zum 19. Jahrhundert offenbar stark an. In der Grundliste von 1826 sind 131 Personen und in derjenigen von 1827 135 Personen in 28 Haushaltungen verzeichnet. Um diese Zeit finden wir also eine beachtliche Gemeinde in Langenschwarz vor, die nach Mansbach, Rhina und Wehrda die viertgrößte Judengemeinde im Altkreis Hünfeld darstellte.2 Außer Vieh-, Waren- und Fellhändlern gab es damals vier Weber, zwei Schuhmacher, einen Schneider und einen Lehrer. Um 1842 erreichte die jüdische Gemeinde Langenschwarz mit "160 Seelen" ihren Höchststand.3 1846 zählte Langenschwarz insgesamt 1.146 Einwohner, von welchen 122 Juden waren.4 Offensichtlich setzte bereits in diesen Jahren eine starke Abwanderung der Familien ein, insbesondere nach Amerika. So zählte die Gemeinde 1885 noch 525 und 1895 nur noch 27 Personen.

Nachdem die Synagogengemeinde 1902 in Auflösung begriffen war, zogen die meisten der letzten jüdischen Bewohner nach Schlitz. Ab 1910 lebten keine Juden mehr in Langenschwarz. „In den 1920er-Jahren ist nach dem Bericht von Lehrer Siegfried Oppenheim vorübergehend nochmals eine jüdische Familie zugezogen.“6

Zehn Juden, die in Langenschwarz geboren und teils länger dort gelebt hatten, wurden Opfer des Holocaust.7

Betsaal / Synagoge

„Bereits am 27. Juni 1798 wurde der Bau einer Synagoge beschlossen, zu der eine kleine Wohnung für den Lehrer und Vorsänger gehörte …“. So berichtete es der Rhinaer Lehrer Siegfried Oppenheim im Juli 1927 in seinem Artikel „Aus der Ritterschaft“ in der „Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und Waldeck."8 Nach Fertigstellung des Gebäudes versah Hirsch Lazarus dort von ca. 1800 bis 1818/19 seinen Dienst als Lehrer und Vorsänger. Ihm folgten die Lehrer Ruben Hecht, Elias Rothschild und Sußmann Windmüller.9

Der Standort der Synagoge war „ in einem kleinen Garten zwischen dem Anwesen Magnus Müller und Jak. Schmitt “ auf der Hoffläche des heutigen Anwesens der Familie Konheiser im Rimbacher Weg Nr. 2. Es sei ein eingeschossiges Gebäude gewesen.10 Anzunehmen ist, dass es sich um ein Fachwerkhaus handelte, das im Stil der umliegenden Häuser erbaut wurde. Leider konnte über die Innengestaltung bisher nichts in Erfahrung gebracht werden.

Als in der Endphase der Synagogengemeinde die Zahl der männlichen Mitglieder nicht mehr ausreichte, um den vorgeschriebenen Minjan zu erfüllen, musste man gegen Bezahlung die fehlenden Personen aus der Nachbargemeinde Wehrda anmieten, was durchaus üblich war. Am 3. März 1902 fand die vermutlich letzte Gemeindeversammlung statt, in welcher die fünf verbliebenen stimmberechtigten Mitglieder über die bevorstehende Auflösung der Gemeinde berieten und entsprechende Beschlüsse fassten:

Da ein ordnungsgemäßer Gottesdienst nicht mehr stattfinden konnte, sollten verschiedene, nicht mehr verwendbare, Gegenstände aus der Synagoge verkauft und öffentlich versteigert werden: zwei Vorhänge (zur heiligen Lade), mehrere messingene Leuchter, eine silberne Platte/Thorabehänge, eine silberne Hand, mehrere Gebetbücher, ein Tisch, ein Bücherschrank.

Der politischen Gemeinde sollte eine bestimmte Geldsumme aus dem Kapitalvermögen der jüdischen Gemeinde zur Unterstützung der zurückbleibenden notorisch Armen überwiesen werden. Des Weiteren beschloss man, um den Friedhof eine Mauer errichten zu lassen, damit nicht, „wenn Juden hier nicht mehr wohnen werden, die Stätte, auf der die Gebeine unserer verewigten Verwandten ruhen, ein Tummelplatz für wüstes Treiben und Unfug werden könnte, so dass, wenn jemand die Gräber der teuren Angehörigen besuchen wollte, er dieselben nicht mehr auffinden würde.“11

Am 31. Juli 1902 teilte der Regierungspräsident in Kassel dem Vorsteheramt der Israeliten in Fulda mit, dass - zunächst für die Dauer von drei Jahren - mit Wirkung vom 15. August 1902 „die israelitische Gemeinde zu Langenschwarz Kreis Fulda aufgehoben wird und dass die Israeliten dortselbst der Synagogengemeinde zu Wehrda im Kreis Hünfeld zugeteilt werden ..."12 Diese Anordnung erwies sich als endgültig, und im Jahr 1906 wurde die Auflösung der Synagogengemeinde Langenschwarz schließlich auch vom Ministerium genehmigt.13

Nachdem das Synagogengebäude verkauft worden war, wurde es etliche Jahre als Wohnhaus genutzt. Zuletzt bewohnte es Frau Liesel Gaul, bis es 1964/65, als sich die Eigentumsverhältnisse erneut änderten, abgerissen wurde.14

Weitere Einrichtungen

Mikwe

Natürlich unterhielt die jüdische Gemeinde auch eine Mikwe. Aber bisher gibt es keinerlei Erkenntnisse über diese Einrichtung. Aufschluss könnten zwei Akten geben, die im Findbuch des Staatsarchivs Marburg aufgelistet sind: Die erste Akte enthält vermutlich Ausführungen zum Zustand der Mikwe 1841 unter der Überschrift: „Schlechter Zustand bzw. Neubau des Frauenbades“.15 In der zweiten Akte von 1853-1855 ist in einer Beschwerde gegen den Synagogenältesten Rothschild die Rede von der „Benutzung des alten Weiberbades“. Daraus lässt sich schließen, dass es in dem angegebenen Zeitraum 1841-1853 sehr wahrscheinlich zum Neubau eines Badehauses an anderer Stelle gekommen ist.16 Möglicherweise erfährt man hier auch etwas über den Standort.

Schule

Etwa ab 1839 bestand in Langenschwarz eine selbstständige jüdische Volksschule, vorher besuchten die jüdischen Kinder die christliche Schule am Ort und hatten ihren eigenen Religionsunterricht. Die neue Elementarschule wurde 1842 von 29 Kindern besucht.17 Offenbar waren die Räumlichkeiten unzureichend, denn am 10. Mai 1855 beschlossen 29 Mitglieder in einer Gemeindeversammlung die Aufnahme eines Darlehens zum Bau eines neuen Schulhauses mit Lehrerwohnung.18

Lehrer Sußmann Windmüller aus Wolfhagen leitete die jüdische Volksschule seit ihrer Eröffnung bis zu ihrer Schließung im Jahr 1887.19 Windmüller starb 1889 in Langenschwarz und wurde auf dem dortigen jüdischen Friedhof begraben. Auf seinem Grabstein steht geschrieben, dass "… sein Streben nach vorne war zur vollkommenen göttlichen Lehre, die er den Kindern 50 Jahre lang lehrte …"20

Nach Auflösung der Elementarschule vermietete die israelitische Gemeinde das Gebäude bis auf einen Raum, der zur Erteilung des Religionsunterrichts diente. Im Dezember 1899 erbat der Synagogenälteste Moses Rothschild beim Landratsamt in Hünfeld die Erlaubnis zum Verkauf der Schule, denn es stünden Reparaturen am Gebäude an, deren Kosten von den mittlerweile nur noch sechs zahlenden Gemeindemitgliedern nicht getragen werden könnten. Da den drei Kindern, „die nur noch anwesend sind, der Religionsunterricht in dem Wohngebäude der Synagoge erteilt werden kann, so dürfte das Schulgebäude für die israelitische Gemeinde in jeder Weise entbehrlich sein." Dieser Argumentation konnte sich der Landrat nicht verschließen, und so kam es am 25. Mai 1900 zum ersten öffentlichen Versteigerungstermin in der Wirtschaft des Karl Heinrich Kranz. Im letzten öffentlichen Termin am 1. Juni 1900 war Gustav Greif aus Schlitz mit 2.400 Mark der Meistbietende und erhielt den Zuschlag.21

Danach gelangte das Haus in der Hauptstraße in den Besitz der Familie Bolender, die es 1969 abreißen ließ und daneben einen Neubau errichtete mit der Hausnummer 20. Als Hausname hielt sich im Dorf bis heute die Bezeichnung „Judenschule“.22

Cemetery

Die Verstorbenen der Synagogengemeinde Langenschwarz wurden zunächst auf dem Zentralfriedhof für die Juden des Hünfelder Landes in Burghaun begraben. Dort befinden sich 30 Grabstätten von Juden aus Langenschwarz aus der Zeit von 1771 bis 1832.23 Im Jahr 1832 legte die jüdische Gemeinde einen eigenen Begräbnisplatz außerhalb des Dorfes an der Kreisstraße 142 Richtung Wehrda (Wehrdaer Straße) an. Auf diesem Friedhof, der etwa geschätzte 950 Quadratmeter Fläche umfasst, konnten 2006 noch 80 erhaltene Grabsteine dokumentiert werden. Süßkind Schiff, der sich vehement gegen die Auflösung der Gemeinde gestemmt hatte, starb am 15. Januar 1911 und wurde zwei Tage später als letzter Langenschwarzer Jude auf dem dortigen Friedhof begraben.24

Der 1902 beschlossene Bau einer Mauer um den jüdischen Friedhof in Langenschwarz wurde nach einem Bericht des Julius Windmüller, einem Enkel von Lehrer Sußmann Windmüller, im Jahre 1910/11 verwirklicht. Die von diesem als „schöne Sandsteinmauerumfassung“ beschriebene Einfriedung war nach der Erinnerung eines Langenschwarzer Bürgers „etwa 1,60 Meter hoch und oben so abgeschrägt wie bei einem First.“ Während der Terroraktionen der Pogromnacht im November 1938 wurde das gerade mal 28 Jahre alte Friedhofsgemäuer von fanatisierten Bewohnern aus dem Dorf zerstört, jedoch „nur so an den vier Ecken.“ Wann und warum diese wertvolle und angeblich nur wenig beschädigte Sandsteinmauer später vollständig entfernt und durch eine eher minderwertige Betonkonstruktion mit Hecke ersetzt wurde, konnte bisher nicht beantwortet werden.25

Die beiden steinernen Türpfosten am Eingang des Friedhofes sind aber ganz offensichtlich ein Teil der ursprünglichen Einfriedung. Sie tragen links eine hebräische, rechts eine deutsche Inschrift, die lautet: Und es kehrt zurück der Staub / zur Erde wie er war, und / der Geist kehrt zurück zu Gott, / der ihn gegeben. / Gewidm. von Herz Stern u. / dessen Frau Jette 1846.

Burghaun, Jüdischer Friedhof: Datensatz anzeigen
Langenschwarz, Jüdischer Friedhof: Datensatz anzeigen

Grabstätten

Burghaun, Jüdischer Friedhof: Grabstätten anzeigen

References

Weblinks

Sources

Bibliography

Indices

Persons

Borach · Josep · Buchenau, Herren von · Oppenheim, Siegfried · Hirsch Lazarus · Hecht, Ruben · Rothschild, Elias · Windmüller, Sußmann · Müller, Magnus · Schmitt, Jakob · Konheiser, Familie · Gaul, Liesel · Rothschild, Moses · Kranz, Karl Heinrich · Greif, Gustav · Schiff, Süßkind · Windmüller, Julius

Places

Fulda · Burghaun · Mansbach · Rhina · Wehrda · Hünfeld · Schlitz · Kassel · Wolfhagen

Sachbegriffe Geschichte

Pogromnacht

Sachbegriffe Ausstattung

Vorhänge · Leuchter · Platten · Thorabehänge · Gebetbücher · Bücherschränke

Sachbegriffe Architektur

Fachwerkbauten

Fußnoten
  1. Im Wesentlichen übernommen aus: Sternberg-Siebert, Juden in Burghaun, 2008, S. 33
  2. HStAM 100, 7685
  3. Hohman, Ritterschaft, S. 37
  4. Müller: Juden in Langenschwarz, 1990, S. 6
  5. Artikel „Langenschwarz“ in LAGIS, Historisches Ortslexikon (s. Link oben)
  6. Oppenheim, Aus der Ritterschaft, auszugsweise abgedruckt in Ortsartikel „Langenschwarz“, Alemannia Judaica (siehe Weblink)
  7. Gedenkbuch des Bundesarchivs (siehe Weblink)
  8. Oppenheim, Aus der Ritterschaft
  9. Oppenheim, Aus der Ritterschaft; vgl. auch: Oppenheim, Die Juden in der Ritterschaft, 1931, wobei hier für die Dienstzeit von Hirsch Lazarus 1800-1828/29 angegeben wird, was höchstwahrscheinlich unrichtig ist, da am 29. November 1826 der Sohn Anschel des Lehrers Ruben Hecht und dessen Ehefrau Lea in Langenschwarz geboren wurde (siehe Geburtsregister)
  10. Müller: Juden in Langenschwarz, 1990, S. 6
  11. HStAM 180 Hünfeld, 1923
  12. HStAM 180 Hünfeld, 1923
  13. Oppenheim, aus der Ritterschaft
  14. Müller: Juden in Langenschwarz, 1990, S. 6 - Zeitpunkt des Abrisses: Aussage von Toni Konheiser, Langenschwarz, am 15.11.2020
  15. HStAM 180 Hünfeld, 614
  16. HStAM 180 Hünfeld, 1084
  17. HStAM 180 Hünfeld, 575
  18. HStAM 180 Hünfeld, 614
  19. HStAM 180 Hünfeld, 892
  20. Sammlung Elisabeth Sternberg-Siebert: Schriftstücke von Egon Kornblum, Essen, einem Urenkel des Lehrers Sußmann Windmüller
  21. HStAM 180 Hünfeld, 1923
  22. Der Kiebitzgrund, Bd. 2, S. 34
  23. Aufnahme des Jüdischen Friedhofs in Burghaun durch die Kommission für die Geschichte der Juden in Hessen 1985/1986
  24. HStAM 180 Hünfeld, 2331 und Jüdischer Friedhof Langenschwarz. Buch der Erinnerung
  25. Schriftstücke Egon Kornblum: Bericht des Julius Windmüller in Frankfurt a.M. vom 25.6.1941 an die „Bezirksstelle Mainz der Reichsvereinigung der Juden in Deutschland“. Vgl. auch: Der Kiebitzgrund, Band 1, S. 37 und Gespräch mit einem Langenschwarzer Zeitzeugen im Jahr 2000
Recommended Citation
„Langenschwarz (Landkreis Fulda)“, in: Synagogen in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/en/purl/resolve/subject/syn/id/468> (Stand: 27.4.2022)