Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Synagogen in Hessen

Königstädten

Gemeinde Rüsselsheim, Landkreis Groß-Gerau — Von Wolfgang Fritzsche
Basic Data | History | Betsaal / Synagoge | Weitere Einrichtungen | References | Indices | Recommended Citation
Basic Data

Juden belegt seit

2. Hälfte 18. Jahrhundert

Location

65428 Rüsselsheim, Stadtteil Königstädten, Kleine Gasse

Rabbinat

Darmstadt I

religiöse Ausrichtung

liberal

preserved

nein

Jahr des Verlusts

1944

Art des Verlusts

Kriegshandlungen

Gedenktafel vorhanden

nein

Weitere Informationen zum Standort

Historical Gazetteer

History

Spätestens seit der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts lebten Juden in Königstädten. Die erste im Ort verzeichnete Geburt war am 17. November 1750, als Liebmann Eleaser, Sohn des Eleaser Heyum geboren wurde. Bis 1776 wurden ausschließlich für diese Familie Geburten verzeichnet. Erst in diesem Jahr kam Mordechai dazu, 1771 Abraham.1 Die Anzahl der Familien war also über die Jahrhundertwende zum 19. Jahrhundert relativ niedrig. Zu dieser Zeit gehörten die in Königstädten lebenden Juden der Gemeinde Rüsselsheim an.

In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts mussten Juden feste Familiennamen annehmen. Aus dieser Zeit liegt ein Verzeichnis der Königstädter Familien vor. Demnach lebten im Ort Abraham Moses mit seiner Frau Bule und drei unverheirateten Kindern. Sie nahmen den Namen Goldschmidt an. Auch der verheiratete Sohn Moses Abraham nahm mit seiner Frau Gütel und seinen Kindern diesen Namen an. Leeser Mordgen und seine Frau Judith samt ihren sechs Kindern nannten sich fortan Marxsohn. Aron Leser übernahm für sich, seine Frau Zetta und die fünf Kinder den Namen Oppenheimer, ebenso wie die Familie seines etwa zu dieser Zeit verstorbenen Bruders Liebmann.2 Die jüdischen Einwohner Königstädtens verdienten ihren Unterhalt zumeist als Getreide-, Kolonial-, Spezerei- oder Manufakturwarenhändler oder lebten vom Hausierhandel.3

In den 1830er Jahren wollte die Gemeinde Rüsselsheim zunächst die Mikwe erneuern. Dagegen opponierten die angeschlossenen Mitglieder aus den umliegenden Dörfern, vor allem aus Königstädten. Als Argument führten sie an: „die Erbauung eines Baades ist blos privat, und keine frühere Gerechtigkeit.“ Als etwas später in Rüsselsheim auch zu Spenden für den Bau der Synagoge aufgerufen wurden, betonten sie, diese seien eben für den Bau der Synagoge, „nicht aber zu Erbauung eines Frauen Baads, das blos zur Bequemlichkeit dienen soll“4 gedacht. Nicht zuletzt dieser Widerstand verhinderte zumindest den Bau der zunächst geplanten Mikwe in Rüsselsheim. Als aber 1841 zur Finanzierung der geplanten neuen Synagoge in Rüsselsheim aufgerufen wurde, mussten auch die sieben in Königstädten lebenden Gemeindemitglieder ihren Obolus leisten. Spätestens seit 1833 liefen Bestrebungen, die Ablösung von der Gemeinde Rüsselsheim formal zu vollziehen, aber erst 1848 verfügte das Großherzogliche Ministerium die Trennung, wogegen allerdings die Hauptgemeinde Widerspruch einlegte. Erst 1856 wurde die Trennung letztlich vollzogen.5

Wenig später erreichte die Zahl jüdischer Einwohner 35 und mit 4,6 Prozent anteilig ihren höchsten Stand. In den folgenden Jahren sank sie wieder und lag 1933 noch bei fünf.6

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts erwarben verschiedene Familien Grundbesitz und gingen ihren beruflichen Tätigkeiten nach. Dies waren in der Hügelstraße (heute Georg-Bärsch-Straße) Herz Adler, der mit Spezereiwaren und Spirituosen handelte. Aaron Oppenheimer betrieb in der Nauheimer Straße 1 einen Spezerei- und Fruchthandel, Karl Goldschmidt betrieb Ecke Bismarckplatz/Waldstraße eine Schächterei, die Mitte der 1980er Jahre abgebrochen wurde. Bei der Loslösung von der Gemeinde hatte Amschel Goldschmidt die Aufgabe des Schochet übernommen. Abraham Marxsohn handelte in der Obergasse 8 ebenfalls mit Spezereiwaren und betrieb Ackerbau, unweit davon in der Obergasse 23 lebte die Familie Feist Mayer von Spezerei- und Hausiererhandel. Isaak Marxsohn-Nau unterhielt in der Hintergasse 18 einen Kolonialwaren- und Fruchthandel und David Oppenheimer im Eckhaus Rüsselsheimer Straße/Kirchgasse einen Spezerei- und Manufakturwarenhandel.7

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wanderten bis auf Mitglieder der Familien Marxsohn und Mayer alle jüdischen Einwohner Königstädtens aus. Dies führte 1909 zu ersten Bestrebungen, die Gemeinde wieder aufzulösen. Am 22. Oktober 1912 teilte der damalige Vorsteher der Gemeinde Nauheim mit, er habe alle Unterlagen und Dokumente der Königstädter Gemeinde zur Verwahrung der Gemeinde in Nauheim übergeben. Hintergrund war wohl, dass die Königstädter Synagoge mit einer Hypothek in Höhe von 3.200 Mark belastet war und die Bezirkssparkasse Groß-Gerau das Gebäude am 14. Mai 1912 erworben hatte. Auch die noch verbliebenen Immobilien sowie die Barkasse mit einem Barvermögen in Höhe von 90 DM gingen zur Sicherung der noch offenen Schulden an die Bank über.8

Betsaal / Synagoge

In Erwartung eines positiven Bescheides auf die seit 1833 unternommenen Bestrebungen, sich von der Hauptgemeinde Rüsselsheim loszusagen, hatten die jüdischen Einwohner Königstädtens 1845 ein Grundstück in der Kleinen Gasse erworben, um darauf ihre eigene Synagoge zu bauen. Die faktische Trennung wurde erst 1856 vollzogen, 1862 begann der Bau der Synagoge überwiegend unter der Leitung des Bauaufseher Johann Amendt. Die Pläne hatte vermutlich der Kreisbaumeister Eduard Renner vorgelegt. Das Gebäude wurde noch im gleichen Jahr fertiggestellt, aufgrund ungünstiger Witterung aber erst am 2. Januar 1863 eingeweiht. An dieser Einweihung nahm neben dem damaligen Landesrabbiner Dr. Landsberger aus Darmstadt, Vertretern der lokalen Behörden und Kirchen auch Johann Amendt als Vertreter der Kreis-Baubehörde teil.9

Weder über das konkrete Aussehen des Gebäudes noch über die Inneneinrichtung liegen Nachrichten vor.

1912 ging in die Synagoge aufgrund einer Hypothekenbelastung in den Besitz der Bezirkssparkasse Groß-Gerau über, 1925/26 an den in der Nachbarschaft wohnenden Landwirt Georg Röder. Er baute sie in ein Wirtschaftsgebäude für seinen Hof um. In der Nacht vom 12. auf den 13. August 1944 fing das Gebäude infolge eines Bombenangriffes Feuer und brannte ab.10

Weitere Einrichtungen

Schule

Bereits 1817 hatte die Gemeinde einen eigenen Lehrer zur Unterrichtung der Kinder eingestellt, über die Lage des Schullokals ist nichts bekannt geworden.

Cemetery

Die Verstorbenen der Gemeinde wurden in Groß-Gerau bestattet.

Groß-Gerau, Jüdischer Friedhof: Datensatz anzeigen

References

Weblinks

Sources

Bibliography

Indices

Persons

Liebmann Eleaser · Eleaser Heyum · Mordechai · Abraham · Abraham Moses · Bule · Goldschmidt, Abraham · Goldschmidt, Bule · Goldschmidt, Moses · Goldschmidt, Gütel · Moses Abraham · Gütel · Leeser Mordgen · Judith · Marxsohn, Leeser · Marxsohn, Judith · Aron Leser · Zetta · Oppenheimer, Aron · Oppenheimer, Zetta · Oppenheimer, Liebmann · Adler, Herz · Goldschmidt, Karl · Mayer, Feist · Marxsohn-Nau, Isaak · Oppenheimer, David · Marxsohn, Familie · Mayer, Familie · Amendt, Johann · Renner, Eduard · Landsberger, Dr. · Röder, Georg

Places

Rüsselsheim · Nauheim · Groß-Gerau · Darmstadt

Fußnoten
  1. HHStAW 365, 523
  2. Verzeichnis der in Königstädten lebenden Juden, 1809, in: StadtA Rüdesheim XIII, 2/1
  3. Schleindl: Verschwundene Nachbarn, S. 277
  4. HStAD G 15 Groß-Gerau, L 28
  5. Schleindl: Verschwundene Nachbarn, S. 278
  6. Schleindl: Verschwundene Nachbarn, S. 277
  7. Höngen: Gemeinde Königstädten, S. 80
  8. HStAD G 15 Groß-Gerau, L 26
  9. Schleindl: Verschwundene Nachbarn, S. 279
  10. Höngen: Gemeinde Königstädten, S. 82
Recommended Citation
„Königstädten (Landkreis Groß-Gerau)“, in: Synagogen in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/en/purl/resolve/subject/syn/id/40> (Stand: 29.4.2022)