Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Synagogen in Hessen

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Herzogtum Nassau 1819 – 39. Kemel

Kemel

Gemeinde Heidenrod, Rheingau-Taunus-Kreis — Von Carina Schmidt
Basic Data | History | Betsaal / Synagoge | Weitere Einrichtungen | References | Indices | Recommended Citation
Basic Data

Juden belegt seit

um 1840

Location

65321 Heidenrod, Ortsteil Kemel, Bäderstraße

preserved

nein

Gedenktafel vorhanden

nein

Weitere Informationen zum Standort

Historical Gazetteer

History

Die früheste Erwähnung der Ortschaft Kemel im Rheingau-Taunus-Kreis datiert aus dem 9. Jahrhundert. Ursprünglich gehörte das Dorf zu Kurmainz und wurde als Lehen an die Grafen von Katzenelnbogen ausgegeben. Nach 1479 gelangte Kemel in den Besitz der Landgrafen von Hessen. Zwischen 1806 und 1813 stand das Dorf unter französischer Herrschaft stand. Erst 1816 wurde es nassauisch, 1866 preußisch. Seit 1971 ist Kemel Teil der hessischen Großgemeinde Heidenrod.

Eine selbstständige jüdische Gemeinde in Kemel wurde um 1840 gegründet, eine Winkelsynagoge hatte aber zuvor schon bestanden. Zum Kultusverband gehörten auch die Juden aus den Nachbarorten Springen, Langschied und Hohenstein. 1841 lebten in Kemel fünf und in Springen drei jüdische Familien sowie je eine in Langschied und Hohenstein, die alle zum Gottesdienst nach Kemel gingen. Bis um 1870 blieb die Zahl der Gemeindemitglieder konstant. Es waren stets etwa zehn Familien, also ca. 40 Juden in Kemel und den Filialorten ansässig. Diese lebten in ärmlichen Verhältnissen, so dass sie anfänglich keinen Lehrer besolden konnten. 1842 regte die nassauische Landesregierung deshalb den Anschluss der kleinen Kultusgemeinde Kemel an diejenige in Zorn an, dieser Plan wurde aber nicht realisiert.1

Zum ersten Vorsteher wählte die Gemeinde 1843 Mayer Rosenthal. Weitere Kultusvorsteher waren 1853 Seligmann Stern, 1856 Jacob Ackermann, beide von Kemel, und 1860 Samuel Strauß von Hohenstein. Bis um 1870 sank die Mitgliederzahl der Gemeinde. Als Jacob Ackermann 1872 aufgrund von Streitigkeiten mit seinen Glaubensbrüdern der Synagoge fernblieb, mussten auswärtige Juden „zugekauft“ werden, um einen Minjan bilden und Gottesdienst feiern zu können. Trotzdem blieb die Gemeinde Kemel, die 1902 nur noch sechs steuerpflichtige, jüdische Einwohner zählte, selbstständig und bestand mindestens bis 1915 fort. Ob die Juden aus Kemel zuletzt die Synagoge in Bad Schwalbach besuchten, wie Arnsberg annimmt, lässt sich nicht feststellen.2

Mindestens fünf Juden, die vor dem Zweiten Weltkrieg in Kemel lebten, fielen dem nationalsozialistischen Regime zum Opfer, nämlich Lilli Appel, geborene Strauß, Berta Strauß, geborene Klein, Alfred Strauß, Julius Stern und Leo Stern. Lilli Appel sowie Julius und Leo Stern flohen während des Krieges in die Niederlande, Alfred Strauß zog nach Euskirchen. Sie alle fanden im Konzentrationslager Auschwitz bzw. Minsk den Tod.3 Bis 1939 lebte Moritz Stern in Kemel. Er war zeitweise im Konzentrationslager Buchenwald inhaftiert gewesen, nach seiner Entlassung plante er, nach Chile auszuwandern; sein 77-jähriger Vater blieb offenbar in Kemel zurück.4

Betsaal / Synagoge

Da die jüdische Gemeinde Kemel nur wenige, zumeist unbemittelte Mitglieder hatte, konnte sie sich den Bau eines eigenen Synagogengebäudes nicht leisten. Stattdessen wurde ein Betsaal in einem Privathaus eingerichtet. 1883/84 bezahlte die Kultusgemeinde der Witwe des Bär Strauß, Malche, geborene Löbenstein, jährlich 16,50 Mark „Synagogenzins“. Dies legt nahe, dass die Synagoge sich in ihrem Wohnhaus oder dem dazugehörigen Stallgebäude befand. Das einzige Anwesen, das die Eheleute Strauß besaßen, hatten sie 1865 von Mayer Rosenthal, dem ersten Vorsteher der Gemeinde, gekauft. Dabei handelte es sich um ein zweistöckiges Wohnhaus, mit einer Fläche von 245 qm, samt Hofraum und einem rund 84 qm großen Stall, gelegen in der Ortsstraße (heutige Bäderstraße),5 neben dem Wohnhaus von Georg Maus in der Ortsstraße Nr. 13 (später Nr. 17). Wo genau der Betsaal der jüdischen Gemeinde untergebracht war, lässt sich nicht nachweisen; denkbar ist, dass das geräumige Stallgebäude zur Synagoge umgebaut wurde.6

Weitere Einrichtungen

Mikwe

Für den Bau eines Ritualbades hatte die Gemeinde ebenso wenig Geld, wie für die Errichtung einer eigenen Synagoge. Allerdings gab es 1837, als eine behördliche Überprüfung der jüdischen Badanlagen stattfand, drei Mikwaot in Kemel. Diese waren in den Privathäusern von Simon Mache, Mayer Anschel und Salomo Mayer untergebracht und wurden 1837 wegen hygienischer Mängel geschlossen. 1839 stellte der Schultheiß fest, dass die Bäder sich im gleichen, schlechten Zustand befanden wie zwei Jahre zuvor. Aber zumindest waren inzwischen in allen drei Häusern Leitungen verlegt worden, durch die warmes Wasser aus der Küche in die Bäder geleitet werden konnte.7

Schule

Vor 1840 waren die jüdischen Kinder in Kemel von dem Religionslehrer aus Laufenselden unterrichtet worden. 1842 gründete die Kultusgemeinde einen Schulverband mit der jüdischen Gemeinde in Zorn. Gemeinsam bestellten sie Samuel Goldschmidt, gebürtig aus Wolfshagen bei Kassel, zum Lehrer. Doch 1847 konnten die beiden Kultusgemeinden die Besoldung für Lehrer Goldschmidt nicht mehr aufbringen. Vorübergehend schickte Bezirksrabbiner Hochstädter deshalb Lehramtsaspiranten des Langenschwalbacher Lehrerseminars nach Kemel und Zorn. Um 1850 nahmen die beiden Gemeinden Lehrer Hecht an, dem aber bald darauf wieder gekündigt wurde.8

Cemetery

Begräbnisplatz für die Juden aus Kemel war der jüdische Friedhof in Laufenselden.9

Laufenselden, Jüdischer Friedhof: Datensatz anzeigen

References

Weblinks

Sources

  • Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden (HHStAW):
  • HHStAW Best. 231, Nr. 684: Die Judengemeinde zu Kemel, 1842-1860
  • HHStAW Best. 231, Nr. 1597: Die Kultusverhältnisse der Juden im Amt Langenschwalbach, 1841
  • HHStAW Best. 231, Nr. 1598: Die jüdischen Kultusgemeinden zu Kemel und Zorn, 1841-1843
  • HHStAW Best. 231, Nr. 2704: Jüdische Kultusangelegenheiten im Amt Langenschwalbach, 1874-1885
  • HHStAW Best. 231, Nr. 2852: Zustand der Judenbäder im Amt Langenschwalbach, 1837-1839
  • HHStAW Best. 362/27: Stockbuch Kemel, Bd. 2, Artikel 96: Immobilien des Mayer Rosenthal von Kemel; Stockbuch Kemel, Bd. 4, Artikel 242: Immobilien des Bär Strauß von Kemel
  • HHStAW Best. 405, Nr. 1572: Kultus der Israeliten im Amt Langenschwalbach, 1869-1883
  • HHStAW Best. 418, Nr. 1129: Etat für den israelitischen Zentralkultusfonds, 1873-1915
  • HHStAW Best. 418, Nr. 1279: Ein- und Auswanderung von Juden, 1938-1943
  • HHStAW Best. 433, Nr. 8137: Gebäudebuch zur Gemarkung Kemel, Gemeinde Heidenrod, 1910-1959

Bibliography

  • Göbel, Eva/Hengstenberg, Ruth: Die Synagoge in Laufenselden. Heidenrod 2008 (Heidenroder Heimatblätter, Heft 202).
  • Heinemann, Hartmut: Quellen zur Geschichte der Juden im Hessischen Hauptstaatsarchiv Wiesbaden 1806-1866. Wiesbaden 1997 (Quellen zur Geschichte der Juden in hessischen Archiven, Bd. 3).
  • Verdenhalven, Fritz: Alte Meß- und Währungssysteme aus dem deutschen Sprachgebiet. Was Familien- und Lokalgeschichtsforscher suchen. 2. Auflage. Neustadt an der Aisch 1993.
Fußnoten
  1. Vgl. Die Judengemeinde zu Kemel, 1842-1860, in: HHStAW 231, 684; Die Kultusverhältnisse der Juden im Amt Langenschwalbach, 1841, in: HHStAW 231, 1597; Die jüdischen Kultusgemeinden zu Kemel und Zorn, 1841-1843, in: HHStAW 231, 1598.
  2. Vgl. Die Judengemeinde zu Kemel, 1842-1860, in: HHStAW 231, 684. Vgl. Kultus der Israeliten im Amt Langenschwalbach, 1869-1883, in: HHStAW 405, 1572; Etat für den israelitischen Zentralkultusfonds, 1873-1915, in: HHStAW 418, 1129.
  3. Vgl. Datenbank der Shoah Opfer auf der Seite http://www.yadvashem.org (2012; Besuch am 27.02.2012).
  4. Vgl. Ein- und Auswanderung von Juden, 1938-1943, in: HHStAW 418, 1279.
  5. Der Nachbar der Eheleute Strauß bzw. des Synagogenanwesens war Georg Maus, der sein Wohnhaus Christian Maus vermachte. Dieser veräußerte es 1889 an den Kaufmann Martin Schulz, dessen Anwesen sich laut Gebäudebuch der Gemeinde Kemel in der Ortsstraße (heutige innerörtliche Bäderstraße) befand. Vgl. Gebäudebuch zur Gemarkung Kemel, Gemeinde Heidenrod, 1910-1959, in: HHStAW 433, 8137, Artikel 13, S. 8.
  6. Vgl. Jüdische Kultusangelegenheiten im Amt Langenschwalbach, 1874-1885, in: HHStAW 231, 2704; Immobilien des Bär Strauß von Kemel, in: HHStAW 362/27, Stockbuch Kemel, Bd. 4, Artikel 242; Immobilien des Mayer Rosenthal von Kemel, in: HHStAW 362/27, Stockbuch Kemel, Bd. 2, Artikel 96. Zur Umrechnung der Maßeinheiten siehe Verdenhalven, Meß- und Währungssysteme, S. 19–20.
  7. Vgl. Zustand der Judenbäder im Amt Langenschwalbach, 1837-1839, in: HHStAW 231, 2852.
  8. Vgl. Die Judengemeinde zu Kemel, 1842-1860, in: HHStAW 231, 684.
  9. Vgl. Göbel/Hengstenberg: Die Synagoge in Laufenselden, S. 5.
Recommended Citation
„Kemel (Rheingau-Taunus-Kreis)“, in: Synagogen in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/en/purl/resolve/subject/syn/id/20> (Stand: 24.4.2022)