Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Synagogen in Hessen

Holzhausen über Aar Karten-Symbol

Gemeinde Hohenstein, Rheingau-Taunus-Kreis — Von Carina Schmidt
Basic Data | History | Betsaal / Synagoge | Weitere Einrichtungen | References | Indices | Recommended Citation
Basic Data

Juden belegt seit

1668

Location

65329 Hohenstein, Ortsteil Holzhausen über Aar, Festerbachstraße 15 | → Lage anzeigen

preserved

nein

Jahr des Verlusts

1974

Art des Verlusts

Abbruch

Gedenktafel vorhanden

ja

Weitere Informationen zum Standort

Historical Gazetteer

History

Holzhausen über Aar wird 1343 erstmalig erwähnt und gehörte zum Besitz der Grafen von Katzenelnbogen, die das Dorf den Herren von Hohenstein zu Lehen gaben. Nach 1479 gelangte der Flecken in den Besitz der Landgrafen von Hessen. Zwischen 1806 und 1813 war Holzhausen französisch besetzt, erst 1816 ging der Ort an das Herzogtum Nassau und 1866 an Preußen. Seit 1972 ist Holzhausen Teil der hessischen Großgemeinde Hohenstein im Rheingau-Taunus-Kreis.1

Die Anfänge der Kultusgemeinde in Holzhausen über Aar gehen in die zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts zurück. 1668 lebten dort vier jüdische Familien, die Landwirtschaft betrieben. Sie sollen jeweils über bis zu 10 Hektar Land in teilweise zusammenhängenden Fluren besessen haben, die „Judengewanne“ genannt wurden.2 Um 1700 waren noch immer vier steuerpflichtige Juden namens Meyer, Daniel, Hirsch und Jesaja ansässig. Meyer arbeitete als Viehhändler und Branntweinbrauer, Daniel war ebenfalls Branntweinbrauer; die Erwerbstätigkeit der beiden anderen ist nicht näher bezeichnet.3

Im 18. Jahrhundert blieb die Zahl der Juden in Holzhausen gering: 1750 lebten dort fünf, 1780 drei jüdische Steuerzahler. 1800 zahlten wieder fünf Juden Schutzgeld, nämlich Jacob Wolf Aaron, Salomon Aaron, Löw Mayer, Herz Salomon und Joel Herz.4 Unter nassauischer Herrschaft wuchs die Kultusgemeinde, der auch die jüdischen Einwohner aus Breithardt angehörten. Die meisten Mitglieder wurden um 1850 gezählt, als 20 Familien, etwa 70-80 Juden, ansässig waren.5 Bis um die Jahrhundertwende verringerte sich die Zahl jüdischer Einwohner in beiden Ortschaften wieder, 1902 gab es acht steuerpflichtige Juden in Holzhausen und zwei in Breithardt. Rechnet man die Angehörigen hinzu, so dürften etwa 30-40 Israeliten vor Ort gelebt haben.6

In den 1930er Jahren waren 13 Juden in Holzhausen und 9 in Breithardt wohnhaft. Die meisten wanderten nach Amerika und Südafrika aus, doch mindestens sieben von ihnen wurden in der NS-Zeit ermordet. Zwei dieser Opfer waren Gustav Meyer und seine Ehefrau aus Holzhausen, die noch 1939 dort lebten und schließlich ermordet wurden. Auch der letzte Vorsteher der Gemeinde, Isidor Meyer, und seine Ehefrau kamen im Konzentrationslager in Theresienstadt ums Leben. Über Ausschreitungen gegen Juden in der Pogromnacht 1938 ist nichts bekannt; die Synagoge blieb wohl vor einer Schändung verschont, weil sie bereits 1937 verkauft worden war.7

Betsaal / Synagoge

Schon in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts existierte eine Judenschule in Holzhausen über Aar, die zeitweilig auch von den Juden aus Kettenbach, Rückershausen, Daisbach und Hausen besucht wurde. Dabei handelte es sich vermutlich um einen Betraum in einem jüdischen Wohnhaus. 1840 ersuchte der Kultusvorsteher Herz Löb Joel die Landesregierung um Erlaubnis zur „Wiederherstellung des jüdischen Gottesdienstes zu Holzhausen.“8 Denn zum einen war die Gemeinde inzwischen groß genug, um selbst Gottesdienst feiern zu können, zum anderen hatte sie um 1836/37 eine Synagoge erbaut, zu deren Nutzung nur der landesherrliche Konsens fehlte. Allerdings, so berichtet der Wehener Amtmann Giehse 1841, sei das Gebäude so klein, dass die Gemeinde, sollte sie ein wenig anwachsen, künftig kaum noch Platz darin finden würde. Der zu diesem Zeitpunkt gehegte Plan zum Anschluss der Kultusgemeinde Rückershausen an Holzhausen erschien schon im Hinblick auf das winzige Gotteshaus wenig sinnvoll und wurde verworfen.9

1857 kaufte die jüdische Gemeinde Holzhausen, für die die letztgenannte Synagoge aufgrund der steigenden Mitgliederzahlen sicherlich zu klein geworden war, ein zweistöckiges Haus mit einer Grundfläche von 36 Quadratmetern. Dieses befand sich in einer Straße genannt „an der Linde“, dabei handelt es sich mutmaßlich um die heutige Pferdegasse. In den 1870er Jahren wurde dieser „Judentempel“ abgerissen und das Grundstück an die Zivilgemeinde Holzhausen verkauft. 1876 erwarb die Kultusgemeinde einen Bauplatz in der Hauptstraße und errichtete dort eine neue Synagoge von 12 Metern Länge und 8 Metern Tiefe, die noch im gleichen Jahr eingeweiht werden konnte. Mit einer Fläche von ca. 96 Quadratmetern bot diese deutlich mehr Platz als das frühere Gotteshaus.10

Ab 1877 machte die Zivilgemeinde Holzhausen wiederholt Anstalten zur Anlage eines Brunnenbassins auf dem Synagogenvorplatz. Der Ortsvorstand befand dies für notwendig, um die stets feuchte, kaum passierbare Ortsstraße, die von einer oberhalb gelegenen Quelle hinunter zur Synagoge führte, trockenlegen und ausbauen zu können. Außerdem sollte das Quellwasser, das den Weg hinunter floss, aufgefangen und im Fall eines Brandes zum Löschen verwendet werden können. Aufgrund von Finanzierungsschwierigkeiten verzögerte sich das Projekt jedoch bis in die 1880er Jahre und es bleibt ungewiss, ob die Baupläne je zur Ausführung gekommen sind.11

Die Synagoge in der Hauptstraße Nr. 110 wurde bis 1937 genutzt, als die Kultusgemeinde das Anwesen an den ortsansässigen Zimmermann Ludwig Mager und seine Ehefrau Lina Johanna, geborene Hecking, für rund 500 Reichsmark verkaufte. Später war zeitweilig eine kleine Druckerei darin untergebracht. In den 1970er Jahren wurde das Gebäude abgerissen und auf dem Grundstück ein Garten angelegt. Die Kultgegenstände aus der Synagoge sind 1937 sehr wahrscheinlich in das Verwaltungsgebäude der jüdischen Gemeinde in Frankfurt am Main in der Fahrgasse verbracht worden, wo sie im November 1938 der Zerstörung anheimfielen.12

Weitere Einrichtungen

Schule

Die Kultusgemeinde Holzhausen bildete in den 1860er Jahren einen Schulverband mit den jüdischen Gemeinden in Wehen und Kettenbach. Gemeinsam bestellten sie mehrere Jahre Lehrer Kahn. 1870 schied Wehen aus dem Verbund aus, doch in Holzhausen und Kettenbach erteilte Kahn weiterhin den Religionsunterricht. Ein eigenes Schulgebäude gab es in beiden Gemeinden nicht, vielmehr dienten die Synagogen oder angemietete Zimmer als Lokal. 1872 gab es in Holzhausen nur drei schulpflichtige Kinder, die den Unterricht von Löb Löwenthal in Kettenbach besuchten. Weiter waren 1876 Lehrer Fried aus Mogendorf und 1883 Lehrer Blum von Hausen in den Gemeinden tätig.13

Cemetery

Einen jüdischen Friedhof in Holzhausen über Aar gab es nicht. Die Juden von dort und aus Breithardt wurden üblicherweise auf dem Begräbnisplatz in Burgschwalbach beigesetzt. Einzelne Familien ließen sich auch auf den jüdischen Friedhöfen in Wehen oder Laufenselden beerdigen.14

Wehen, Jüdischer Friedhof: Datensatz anzeigen
Laufenselden, Jüdischer Friedhof: Datensatz anzeigen

Grabstätten

Wehen, Jüdischer Friedhof: Grabstätten anzeigen

References

Weblinks

Sources

Bibliography

Fußnoten
  1. Vgl. Historisches Ortslexikon des Landesgeschichtlichen Informationssystems Hessen (LAGIS) auf der Seite http://www.lagis-hessen.de (Besuch am 20.03.2012).
  2. Vgl. Alicke: Jüdische Gemeinden 1. Sp. 291; Arnsberg: Jüdische Gemeinden 1. S. 385.
  3. Vgl. Steuerregister des Kirchspiels Hohenstein und Holzhausen über Aar, 1699. In: HHStAW 303, 507.
  4. Vgl. Rechnungen des Amtes Hohenstein. In: HHStAW 303, R1, 1750, 1780 und 1800.
  5. Vgl. Alicke: Jüdische Gemeinden 1. Sp. 291; Arnsberg: Jüdische Gemeinden 1. S. 385.
  6. Vgl. Etat für den israelitischen Zentralkultusfonds, 1873-1915. In: HHStAW 418, 1129.
  7. Vgl. Verwaltungsgebäude und Museum Jüdischer Altertümer, Fahrgasse, 1955-1962 (fol. 170-172). In: HHStAW 518, 1218, Bd. 1; Ein- und Auswanderung von Juden, 1938-1943. In: HHStAW 418, 1279; siehe auch den Abschnitt „Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde“, Absatz 6-7, im Artikel „Holzhausen über Aar – Jüdische Geschichte / Synagoge“ auf der Seite http://www.alemannia-judaica.de/holzhausen_aar_synagoge.htm (14.12.2010; Besuch am 20.03.2012).
  8. Vgl. Abgaben der Juden und deren Kultusverhältnisse, 1811-1853. In: HHStAW 244, 91.
  9. Vgl. Schutzjuden im Kirchspiel Kettenbach, 1725-1805. In: HHStAW 134, 99; Abgaben der Juden und deren Kultusverhältnisse, 1811-1853. In: HHStAW 244, 91.
  10. Vgl. Immobilien der jüdischen Gemeinde Holzhausen über Aar. In: HHStAW 362/27, Stockbuch Holzhausen über Aar, Bd. A 11, Artikel 385; Zur Umrechnung der Maßeinheiten siehe Verdenhalven: Meß- und Währungssysteme. S. 19–20.
  11. Vgl. Anlage eines Wasserbassins auf dem Synagogenplatz zu Holzhausen über Aar, 1878-1881. In: HHStAW 405, 6008; Brunnenanlage auf dem Synagogenplatz zu Holzhausen über Aar, 1877-1881. In: HHStAW 418, 424; Jüdische Kultusangelegenheiten in Holzhausen über Aar, 1871-1883. In: HHStAW 244, 1241.
  12. Vgl. Gebäudebuch des Gemeindebezirks Holzhausen über Aar, 1910-1924. In: HHStAW 433/11, 7784, Artikel 118; Entschädigungsansprüche der jüdischen Gemeinden im Regierungsbezirk Wiesbaden. Band 2: Verwaltungsgebäude der jüdischen Gemeinde in Frankfurt am Main und das Museum jüdischer Altertümer (Rothschild-Museum) in Frankfurt am Main, 1960-1962. In: HHStAW 503, 7357; Altaras, Synagogen. S. 368.
  13. Vgl. Israelitische Kultusangelegenheiten im herzoglich-nassauischen Amt Wehen, 1864-1884. In: HHStAW 244, 1460; Jüdische Kultusangelegenheiten in Holzhausen über Aar, 1871-1883. In: HHStAW 244, 1241; Rechnungen der israelitischen Kultusgemeinde zu Holzhausen, 1882-1885. In: HHStAW 244, 1094.
  14. Vgl. Arnsberg: Jüdische Gemeinden 1. S. 386.
Recommended Citation
„Holzhausen über Aar (Rheingau-Taunus-Kreis)“, in: Synagogen in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/en/purl/resolve/subject/syn/id/63> (Stand: 22.7.2022)