Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Synagogen in Hessen

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5524 Weyhers
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Hettenhausen

Gemeinde Gersfeld (Rhön), Landkreis Fulda — Von Susanne Gerschlauer
Basic Data | History | Betsaal / Synagoge | Weitere Einrichtungen | References | Indices | Recommended Citation
Basic Data

Juden belegt seit

1693

Location

36129 Gersfeld (Rhön), Ortsteil Hettenhausen

Rabbinat

Gersfeld (bis 1892); Fulda (ab 1892)

religiöse Ausrichtung

orthodox

preserved

nein

Jahr des Verlusts

ca. 1938

Art des Verlusts

Abbruch

Gedenktafel vorhanden

nein

Weitere Informationen zum Standort

Historical Gazetteer

History

Der Ort wurde erstmals im Jahr 956 schriftlich als Besitz des Klosters Fulda erwähnt. Als Lehensnehmer des Klosters waren im 14. Jahrhundert bis 1401 die Herren von Ebersberg gen. von Weyhers eingesetzt. Seitdem bis 1440 hatte der Landgraf von Hessen das Lehen. 1661 teilten sich die Lehensnehmer von Ebersberg gen. von Weyhers mit der Fürstabtei Fulda die Ortsherrschaft. Im 18. Jahrhundert war Hettenhausen im Verwaltungsamt Weyhers fuldisch. Anfang des 19. Jahrhunderts gehörte der Ort verwaltungstechnisch zur Fürstabtei Fulda im Amt Weyhers. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wechselte die Zugehörigkeit des Dorfes jeweils nach kurzer Zeit vom Fürstentum Nassau-Oranien-Fulda (1803-1806), zum Kaiserreich Frankreich (1806-1810), zum Großherzogtum Frankfurt (1810-1813) und danach zum Königreich Bayern, dem es von 1814-1866 am längsten angehörte. Bis dahin war Weyhers als Amts- und Landgericht zuständig, ab 1862 lag die Zuständigkeit im Bezirksamt in Gersfeld. Seit 1867 gehörte Hettenhausen zum Königreich Preußen, Provinz Hessen-Nassau im Regierungsbezirk Kassel. 1932 kam Hettenhausen zum Freistaat Preußen im Landkreis Fulda, bevor die Zuständigkeit 1945 zunächst in Groß-Hessen und 1946 beim Land Hessen lag. Zuständig war nunmehr das Amtsgericht Fulda mit der Zweigstelle in Gersfeld.1 Am 31.12.1971 wurde Hettenhausen im Rahmen der Gebietsreform in die Stadt Gersfeld eingemeindet. Es bildet heute gemeinsam mit 12 weiteren benachbarten Gemeinden einen Verband mit Gersfeld. 2020 lebten in Hettenhausen 910 Einwohnerinnen und Einwohner.2

Die erste Erwähnung von Juden in Hettenhausen geht auf das Jahr 1693 zurück, als Itzig aus Hettenhausen als Schutzjude aufgeführt wird. Spätestens seitdem lebten kontinuierlich Juden am Ort. 1762 wurden im Zusammenhang mit Vermögenserfassungen sechs jüdische Familien verzeichnet. 1789 lebten neun Familien mit 46 Angehörigen im Dorf.3 1817 wurden zehn Familienvorstände gelistet. Um 1860 lebten acht Familien im Dorf. Um 1883 wurde mit 88 Jüdinnen und Juden die größte Zahl der im Verlauf der Jahre in Hettenhausen lebenden Juden gezählt (ca. zehn Prozent Anteil an der Gesamtbevölkerung). 1905 wohnten nur noch 32 jüdische Menschen in Hettenhausen.4

Möglicherweise gab es bereits Ende des 18. Jahrhunderts ausreichend viele Juden zur Gründung einer eigenen jüdischen Gemeinde. Beleg hierfür könnte die Überlieferung einer Synagogenordnung aus dem Jahr 1770 darstellen. Sie regelt die regelmäßigen Gottesdienstbesuche, Einhaltung der Trauerzeiten, Almosenzahlungen sowie Einhaltung des Verhaltens während der Gottesdienste.5 Vermutlich lebte die jüdische Gemeinde nach orthodoxem Ritus. Aufgrund der schwindenden Mitgliederzahl der jüdischen Gemeinde im Zuge der Landflucht kam schon 1918 kein eigener Minjan mehr zustande. Daher wurden die in Hettenhausen lebenden Juden und Jüdinnen der etwa zwei Kilometer weiter westlich benachbart gelegenen jüdischen Gemeinde Schmalnau zugeordnet. Deren Vorsitzender war bis zur ihrer erzwungenen Auflösung 1936 Jakob Katz.6

Die Juden in Hettenhausen lebten eher in bescheidenen Verhältnissen. Die Mehrheit war Viehhändler von Beruf. Anfang des Jahrhunderts gab es neben Tagelöhnern zudem einen Metzger, einen Kramwarenhändler, einen Manufaktur- und Kolonialwarenhändler sowie einen Schnittwarenhändler.7

1927 gab es noch drei jüdischen Familien, davon zog eine nach Fulda um. Von den letzten sieben jüdischen Hettenhausenern wanderten die drei Mitglieder der Familie Guldmann in die USA aus. Zwei Mitglieder der Familie May verstarben eines natürlichen Todes. Die Brüder Leopold und Isaak Kamm übersiedelten in ein Altersheim nach Darmstadt und wurden vermutlich von dort aus deportiert und umgebracht.8

Betsaal / Synagoge

Ein Vorgängerraum für die Gottesdienste bestand als Betraum im Privathaus von Joel Hammel.9 Über dessen Lage, Aussehen und Größe sind keine Angaben zu finden.

Um 1850 ließ die jüdische Gemeinde ein kleines Gebäude für Gottesdienste errichten. Es lag an der Hauptdurchgangsstraße des Ortes, etwa in Ortsmitte, ehemals Hausnummer 88, heute Hauptstraße.10 Das Synagogengebäude lag beengt zwischen Wohnhaus und Scheune „des Juden Kamm“.11 Der rechteckige Grundriss von ca. 5 x 7 Metern12 lässt vermuten, dass das in seiner Grundfläche nur etwa 35 Quadratmeter große, wohl schlichte Gebäude zweigeschossig und möglicherweise mit einer Frauenempore ausgestattet war. Offenbar waren auf der Giebelspitze die Gesetzestafeln angebracht gewesen.13 Seit Ende des 1. Weltkriegs wurde die Synagoge nur selten und nur zu Jubiläumsgottesdiensten (z. B. Goldene Hochzeit) genutzt. Die letzte Nutzung fand vermutlich um 1923 statt.14 Aufgrund der Eingliederung in die jüdische Gemeinde von Schmalnau wurde die Synagoge wohl vor 1936 verkauft und vor 1938 abgerissen. Einige der Kultusgegenstände sollen auf dem Friedhof in Weyhers begraben sein.15

Eine Erinnerungstafel ist nicht vorhanden.

Weitere Einrichtungen

Mikwe

Eine Mikwe bestand im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts im Kellerraum eines Privathauses. Der Vorraum zum Bad besaß einen Holzfußboden. Der Raum hatte Fenster, die Tageslicht einließen und eine Durchlüftung ermöglichten. Zudem gab es einen Ofen. Dieser konnte sowohl zur Raumerwärmung dienen, als auch, um darauf Wasser zu erhitzen, das zum Anwärmen des Grundwassers im Tauchbad genutzt werden konnte. Das Tauchbecken war ausreichend tief, das Wasser sauber und konnte zur Reinigung abgelassen werden. Damit entsprach das Wasserbecken den religiösen Vorschriften. Die Kellermikwe wurde 1827 im Rahmen staatlicher Hygienekontrollen überprüft und nicht beanstandet.16 Wo sich die Mikwe in Hettenhausen befand und wie lange sie genutzt wurde ist bislang nicht bekannt.

Schule

Der Religionsunterricht wurde wahrscheinlich in der Synagoge abgehalten. Die Lehrer dazu kamen aus Gersfeld oder Schmalnau. Um 1833 unterrichtete Lehrer Berolsheimer die jüdischen Kinder, Anfang des 20. Jahrhunderts die Lehrer Isaak Leopold und Aron Roßmann.17 Seit um 1920 besuchten die wenigen jüdischen Kinder die Religionsschule im benachbarten Schmalnau. Um 1932 hieß der Religionslehrer Leopold Kamm. Er lebte bis zu seiner Umsiedlung in das Altersheim in Darmstadt in Hettenhausen.18

Cemetery

Die Juden von Hettenhausen begruben ihre Verstorbenen auf dem jüdischen Sammelfriedhof in Weyhers, Ortsteil der Gemeinde Ebersburg.19 Er liegt etwa sechs Kilometer nordwestlich von Hettenhausen, im Norden von Weyhers, westlich der Straße nach Dietershausen, Flur 4, 91/1. Der Friedhof wurde durch die Fürstäbte des Klosters Fulda ehemals für die Bestattung der Juden aus den Ämtern Weyhers und Gersfeld angelegt. Er soll älter als 500 Jahre sein. Noch erhaltene Grabsteine gehen bis auf 1731 zurück. Etwa seit der Mitte des 19. Jahrhunderts diente er als Bestattungsort für die Juden aus dem Altkreis Gersfeld. Der Sammelfriedhof besitzt heute noch 612 Grabsteine, wobei teilweise getrennt nach Geschlecht beerdigt wurde. Auch für Kinder existiert ein separates Gräberfeld. Das jüngste Grab des Friedhofs stammt von 1942.

Die Heilige Lade, die Gesetzestafeln und weitere Kultusgegenstände der Synagoge von Hettenhausen wurden am 24.5.1935 auf dem Friedhof Weyhers in einer Holzkiste bestattet. Allerdings soll die Kiste später ausgegraben und weggebracht worden sein. Konkretere Hinweise sind nicht bekannt.20

Weyhers, Jüdischer Friedhof: Datensatz anzeigen

Grabstätten

Weyhers, Jüdischer Friedhof: Grabstätten anzeigen

References

Weblinks

Sources

Bibliography

Indices

Persons

Ebersberg gen. von Weyhers, Herren von · Itzig · Katz, Jakob · Guldmann, Familie · May, Familie · Kamm, Leopold · Kamm, Isaak · Hammel, Joel · Berolsheimer · Leopold, Isaak · Roßmann, Aron

Places

Gersfeld · Schmalnau · Fulda · USA · Darmstadt · Weyhers · Ebersburg · Dietershausen

Sachbegriffe Geschichte

Schutzjuden · Synagogenordnungen · Erster Weltkrieg

Sachbegriffe Ausstattung

Gesetzestafeln · Heilige Lade

Sachbegriffe Architektur

Frauenemporen

Fußnoten
  1. Ortsartikel Hettenhausen auf LAGIS, Historisches Ortslexikon (siehe Link oben)
  2. Artikel Hettenhausen auf Wikipedia
  3. Imhof, Juden in der Rhön, S. 94, 97
  4. Die hohe Zahl von 88 Personen findet sich bei Jüdische Gemeinden: Gersfeld mit Hettenhausen (s. Weblink), Ortsartikel Hettenhausen auf Alemannia Judaica (s. Weblink) sowie in Arnsberg, Jüdische Gemeinden 1, S. 363. Sie unterscheidet sich deutlich von der bei Imhof, Juden in Deutschland, S. 322 mit 36 angegebenen. Ein Grund für diesen Unterschied ist bisher unklar.
  5. Imhof, Juden in der Rhön, S. 89
  6. Ortsartikel Schmalnau auf Alemannia Judaica (s. Weblink); Arnsberg, Jüdische Gemeinden 1, S. 362; Jüdische Gemeinden: Gersfeld mit Hettenhausen (s. Weblink)
  7. Imhof, Juden in Deutschland, S. 322; Ortsartikel Hettenhausen auf Alemannia Judaica (s. Weblink)
  8. Arnsberg, Jüdische Gemeinden 1, S. 363; Ortsartikel Hettenhausen auf Alemannia Judaica (s. Weblink)
  9. Imhof, Juden in der Rhön, S. 202
  10. Imhof, Juden in Deutschland, S. 324; Die Hausnummer ist ohne Straßennamenzuordnung angegeben. Es handelt sich wohl um die Hauptstraße, das Nachbarhaus zum ehemaligen Synagogenstandort liegt heute wohl in der Hauptstraße 28.
  11. Arnsberg, Jüdische Gemeinden 1, S. 363
  12. Arnsberg, Jüdische Gemeinden 1, S. 363
  13. Imhof, Juden in Deutschland, S. 323
  14. Jüdische Gemeinden: Gersfeld mit Hettenhausen (s. Weblink); Arnsberg, Jüdische Gemeinden 1, S. 363
  15. Ortsartikel Hettenhausen auf Alemannia Judaica (s. Weblink); Arnsberg, Jüdische Gemeinden 2, S. 384
  16. Imhof, Juden in der Rhön, S. 200
  17. Imhof, Juden in Deutschland, S. 323
  18. Arnsberg, Jüdische Gemeinden 2, S. 279
  19. Imhof, Juden in der Rhön, S. 99; Arnsberg, Jüdische Gemeinden 2, S. 383 f.
  20. Imhof, Juden in Deutschland, S. 323, 376; Jüdische Gemeinden: Weyhers (s. Weblink); Arnsberg, Jüdische Gemeinden 2, S. 384 f.
Recommended Citation
„Hettenhausen (Landkreis Fulda)“, in: Synagogen in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/en/purl/resolve/subject/syn/id/536> (Stand: 25.8.2022)