Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Synagogen in Hessen

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Kurfürstentum Hessen 1840-1861 – 94. Birstein

Hellstein Karten-Symbol

Gemeinde Brachttal, Main-Kinzig-Kreis — Von Wolfgang Fritzsche
Basic Data | History | Betsaal / Synagoge | Weitere Einrichtungen | References | Indices | Recommended Citation
Basic Data

Juden belegt seit

2. Hälfte 17. Jahrhundert

Location

63636 Brachttal, Ortsteil Hellstein, Oberweg 2 | → Lage anzeigen

Rabbinat

Hanau

preserved

ja

Gedenktafel vorhanden

nein

Weitere Informationen zum Standort

Historical Gazetteer

History

Hellstein wurde um 900 nach Christus erstmals urkundlich erwähnt und gehörte seit 1384 zur Grafschaft Isenburg und dort zum Gericht und Amt Spielberg. 1816 kam es an das Kurfürstentum Hessen und 1866 an das Königreich Preußen, in dessen Provinz Hessen-Nassau es lag. Heute ist es einer von sechs Ortsteilen der Gemeinde Brachttal im Main-Kinzig-Kreis.

In Amt und Gericht Spielberg lebten bereits in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts Juden. Unklar ist, ob sie sich auch in Hellstein niedergelassen hatten.

1816 lebten in Hellstein 21 Juden: sechs Männer, sechs Frauen und neun Kinder. Sie gehörten der jüdischen Gemeinde Birstein an, deren Schule die Kinder besuchten. Auch die Verstorbenen wurden in Birstein bestattet. Bis 1842 stieg die Zahl auf 23 Personen an. Davon waren acht Männer, acht Frauen und sieben Kinder. Sechs Familienvorstände betrieben Klein-, einer Nothandel.1 Gleichzeitig wohnten in Schlierbach zwei Familien mit nicht mehr als vier Personen. Damit war die notwendige Zahl an Männern erreicht, um Gottesdienst in Hellstein abhalten zu können, der seit 1845 in einer Stube des Wohnhauses von Michel und Wolf Kaufmann stattfand. Nachdem die Rabbiner in Gelnhausen und Schlüchtern bescheinigt hatten, dass der Weg durch den Wald nach Birstein zu weit sei, genehmigte die Hanauer Provinzial-Regierung diese Einrichtung, nahm die Genehmigung jedoch 1850 wieder zurück, nachdem die Muttergemeinde vor allem aufgrund finanzieller Aspekte gegen die Separierung geklagt hatte.2 Ein weiteres Argument war, dass die Frauen aus Hellstein die Mikwe in Birstein nutzten.

Die Anzahl der jüdischen Einwohner in Hellstein und Schlierbach stieg weiter an und lag 1854 bei 42 Personen in Hellstein und acht Personen in Schlierbach. Sie hatten Moses Moritz zu ihrem Sprecher gewählt, der noch im gleichen Jahr abermals eine Loslösung der Gemeinde beantragte und dabei noch einen neu nach Udenbach gezogenen Juden erwähnte, der künftig die Synagoge im Hellstein besuchen wollte. Zudem hätten sie bereits zwei Thorarollen angeschafft und wollten aus eigenen Mitteln eine Synagoge mit Schullokal einrichten.

Erst 1868 kam es tatsächlich zur Konstituierung einer eigenen Gemeinde Hellstein mit Schlierbach und Udenbach. Die ersten Vorsitzenden waren Moses Moritz und Isaak Grünebaum. Die Gemeinde hatte am heutigen Oberweg ein Haus gekauft und zu Gemeindezwecken umgebaut.

Viele jüdische Einwohner waren auch in der politischen Gemeinde und in Vereinen engagiert. Zwei Teilnehmer des Ersten Weltkrieges sind auf dem Kriegerdenkmal festgehalten: Lazarus Kaufmann und Zadock Grünebaum.

1933 gehörten noch 22 Personen zur Gemeinde, von denen einige Hellstein noch vor den Pogromen verließen.

Betsaal / Synagoge

Nachdem seit 1845 eine Stube im Wohnhaus der Familie Kaufmann als Betraum genutzt worden war, richtete sich die Gemeinde am Oberweg ein Gemeindehaus ein. Der Bauplatz gehörte einem Gemeindemitglied, Michael Kaufmann, der es kostenlos zur Verfügung stellte. 1868 stellte er namens der Gemeinde den Antrag auf einen Neubau, dessen Beginn, die Genehmigung vorausgesetzt, noch im gleichen Jahr erfolgen sollte. Am 5. April 1868 wurde die Baugenehmigung erteilt, allerdings unter der Auflage, den Schulverband mit Birstein zumindest vorläufig aufrecht zu erhalten.3

Ob es sich dabei tatsächlich um den Bau eines neuen Hauses auf einem zuvor unbebauten Grundstück handelte, ist abschließend nicht geklärt. Jürgen Ackermann schreibt in seiner Abhandlung zur Hellsteiner Synagoge, das auf diesem Grundstück stehende Haus habe ursprünglich „wohl zu einem landwirtschaftlichen Anwesen“4 gehört. Er datiert den Umbau in ein Gemeindezentrum ebenfalls in das Jahr 1868.

Im Erdgeschoss des zweigeschossigen Hauses lag eine kleine Wohnung, die im 20. Jahrhundert an Christen vermietet war. Ihre Aufgabe bestand darin, den Schul- und Betsaal in Ordnung zu halten und bei Bedarf Wasser für die Mikwe zu erwärmen.5

Im Obergeschoss befand sich neben der Wohnung für den Lehrer der eigentliche Synagogenraum an der Ostseite des Gebäudes. Links und rechts des Thoraschreins befand sich jeweils ein buntverglastes Fenster. Sie sind heute zugemauert.

Das Frauenabteil befand sich, durch ein etwa wandhohes Gitter abgetrennt, an der Nordwand des Betraums. Der Zugang dorthin erfolgte über einen gesonderten Eingang durch das Schulzimmer.

Jonas Grünebaum verkaufte die Synagoge bevor er den Ort verließ für 1.600 Reichsmark.6

In der Pogromnacht drangen dennoch uniformierte SA-Männer in den Hof ein und zerstörten Fensterscheiben. Die Inneneinrichtung und die Kultgegenstände waren zuvor weggebracht worden. Nach dem Holocaust ging man davon aus, dass sie in Frankfurt zerstört wurden.7 Zu den Kultgegenständen gehörten fünf Thorarollen, ein silberner Lesefinger, 20 gold- und silberbestickte Thoramäntel, 100 handbemalte oder bestickte Wimpel, sechs gold- und silberbestickte Thoraschreinvorhänge aus Plüsch, Samt und Seide, sechs gold- und silberbestickte Decken für das Vorbeterpult aus Plüsch, Samt und Seide, sechs gold- und silberbestickte Decken für das Vorlesepult aus Plüsch, Samt und Seide, ein pergamentbeschriebenes Megillah mit Mantel, ein Schofarhorn, 30 Gebetmäntel, zehn paar Gebetriemen und 30 Gebetbücher. Der Gesamtwert wurde auf 55.500 DM taxiert.8

Weitere Einrichtungen

Mikwe

In Hellstein gab es vermutlich zunächst keine eigene Mikwe, da die Frauen in der Mitte des 19. Jahrhunderts die Mikwe in Birstein nutzten. Erst nach dem Bau des Hauses in der Obergasse wurde dort ein Bad eingerichtet. Der Zugang befand sich im Erdgeschoss, das eigentliche Bad lag um einige Treppenstufen eingetieft im Boden und erhielt sein Wasser aus einer dicht am Haus gelegenen Quelle. Wann die Heizanlage eingebaut wurde, ist ungeklärt.

Schule

Seit 1825 besuchten die schulpflichtigen jüdischen Kinder die örtliche Schule und gingen nur zum Religionsunterricht nach Birstein oder Wächtersbach. Schon 1828 beschäftigten die in Hellstein lebenden Juden einen eigenen Lehrer, was ihnen aber wenig später untersagt wurde. Auch die vorübergehende Loslösung von der Brsteiner Hauptgemeinde brachte keine eigene Schule mit sich. Dies änderte sich auch 1868 nicht, als sich eine eigene Gemeinde in Hellstein konstituierte. Der in Birstein beschäftigte Lehrer unterrichtete an zwei Tagen die Kinder in Hellstein. Nachdem dieser Lehrer 1881 gekündigt hatte, schlug das Israelitische Vorsteheramt Hanau zunächst einen Schulverband Wächtersbach-Hellstein vor, was aber nicht realisiert wurde. Daher entschloss sich die Hellsteiner Gemeinde im Oktober 1883, einen eigenen Lehrer einzustellen. Ab 1911 unterrichteten wieder Lehrer aus den umliegenden Gemeinden Wächtersbach, Bad Orb, Gelnhausen und Birstein.9

Cemetery

Die Verstorbenen aus Hellstein wurden auf dem Friedhof in Birstein bestattet.

Birstein, Jüdischer Friedhof: Datensatz anzeigen

Grabstätten

Birstein, Jüdischer Friedhof: Grabstätten anzeigen

References

Weblinks

Sources

Bibliography

Illustration available

(in Bearbeitung)

Fußnoten
  1. HStAM 180 Gelnhausen, 26
  2. Ackermann 1988, 188
  3. HStAM 180 Gelnhausen, 3119
  4. Ackermann, 1988, S. 10
  5. Ackermann 1988, S. 188
  6. Ackermann 1988, S. 193
  7. HHStAW 503, 7357
  8. HHStAW 518, 1218
  9. Ackermann 1988, S. 192
Recommended Citation
„Hellstein (Main-Kinzig-Kreis)“, in: Synagogen in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/en/purl/resolve/subject/syn/id/193> (Stand: 22.7.2022)