Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Synagogen in Hessen

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Kurfürstentum Hessen 1840-1861 – 50. Rosenthal
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Halsdorf Karten-Symbol

Gemeinde Wohratal, Landkreis Marburg-Biedenkopf — Von Susanne Gerschlauer
Basic Data | History | Betsaal / Synagoge | Weitere Einrichtungen | References | Indices | Recommended Citation
Basic Data

Juden belegt seit

2. Hälfte 18. Jahrhundert

Location

35288 Wohratal, Ortsteil Halsdorf, Buchenweg 4 | → Lage anzeigen

Rabbinat

Oberhessen

religiöse Ausrichtung

orthodox

preserved

ja

Gedenktafel vorhanden

nein

Weitere Informationen zum Standort

Historical Gazetteer

History

Im 13. Jahrhundert hatten die Grafen von Ziegenhain Halsdorf als Eigentum. Mit dem Aussterben der Ziegenhainer Grafen im Jahr 1450 erbte das Hessische Grafenhaus den Ort. Ortsadlige Lehnsnehmer waren um 1602 die Herren von Rotzmann. Mit der Teilung 1567 kam Halsdorf zu Hessen-Marburg, später Hessen-Kassel und wurde 1866 preußisch.

Halsdorf lag bis zum Bau der Eisenbahn, Mitte des 19. Jahrhunderts, an einer der wichtigen und stark genutzten Heeres- und Handelsfernverkehrsstraßen, die Nord- und Südhessen miteinander verbanden. Eine Poststation und zwei Gastwirtschaften waren Auswirkungen dieser günstigen Lage.

Um die Mitte des 18. Jahrhunderts lebten drei bzw. vier jüdische Familien in Halsdorf.1 Bis ins erste Drittel des 19. Jahrhunderts sind keine weiteren Daten zu Juden im Ort überliefert. Im Jahr 1835 werden 31 Juden gezählt, 1861 40, 1905 lebten noch 29 Juden am Ort. In den angeschlossenen Orten Josbach und Wohra lebten um 1905 49 bzw. 44 Juden. 1933 lebten 30 jüdische Halsdorfer im Dorf.2

Vermutlich lebte bereits in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts eine ausreichende Anzahl von jüdischen Männern in Halsdorf, um eine Synagogengemeinde zu gründen, doch beantragten die Halsdorfer Juden erst in der Mitte des Jahrhunderts die Einrichtung einer Synagoge am Ort.3 Spätestens 1856 bestand eine Synagogengemeinde in Halsdorf. Der Ort, in dem es eine Synagoge, Schule und Mikwe gab, bildete das Zentrum der jüdischen Gemeinde, zu der auch die Juden von Ernsthausen, Josbach, Wohra und Wolferode gehörten. Um 1924 war der Vorsitzende der Synagogengemeinde Meier Katten I., 1932 übernahm Meier Katten II. als letzter Vorsitzender die Gemeindevertretung. Abspaltungsbestrebungen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts von Josbacher und Wohraer Juden, die eigene Beträume besaßen, wurde von den zuständigen Behörden nicht stattgegeben. Mit dem zwangsweisen Verkauf der Synagoge und der Schule im Jahr 1941 erlosch das Bestehen der jüdischen Gemeinde Halsdorf.

Die Mehrheit der in Halsdorf lebenden Juden verdiente ihren Unterhalt mit dem Handel mit Vieh, Kurzwaren, Landprodukten und Spezereien. Zudem gab es einen jüdischen Metzger und ein Textilgeschäft, das der jüdischen Familie Rosenfeld gehörte. Von den 30 zu Beginn der 1930er Jahre noch in Halsdorf lebenden Juden konnten einige vor 1941 ins Ausland emigrieren. Drei Familien, darunter auch eine aus dem benachbarten Josbach, wurden deportiert und ermordet. Das Schicksal der weiteren ist bisher ungeklärt.4

Betsaal / Synagoge

Möglicherweise bestand bereits in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts in Halsdorf eine Vorgängerin zur jüngsten bekannten Synagoge, doch ist über ihre Lage und Gestalt bisher nichts bekannt.5 Die jüngste Synagoge steht im heutigen Buchenweg Nr. 4 am ehemaligen nordöstlichen Ortsrand.6 Das zweigeschossige, in Rähmbauweise gezimmerte Fachwerkgebäude mit Satteldach, hob sich zu seiner Nutzungszeit als Synagoge nur wenig von der Nachbarbebauung ab. Es wurde um 1821 als dreizoniges Nebenerwerbsbauernhaus errichtet und steht giebelständig zum Buchenweg. Das Gebäude war als Einhaus konzipiert, also als Wohnhaus mit kleiner Scheune und Stall unter einem Dach, das kein separates Wirtschaftsgebäude besaß. Das ehemalige Bauernhaus wurde nach dem Verkauf an die jüdische Gemeinde 1856 zu einer Synagoge umgebaut7, was den bisherigen Gebäudezuschnitt im Inneren erheblich veränderte. Äußerlich wurde als exponierteste Veränderung der Ostgiebel gestaltet.8 Ehemals von vier Seiten freistehend, wird das Haus seit 1897 im Westen durch den Schulneubau der jüdischen Gemeinde begrenzt. Da das Gebäude in Hanglage errichtet wurde, weist es im Nordwesten einen mit etwa zwei Metern geschosshohen Sockel auf, der aus regemäßig zugehauenen und lagig gemauerten Buntsandsteinquadern besteht und sich nach Südosten verjüngt. Im Nordwestgiebel waren in jedem Fachwerkgeschoss drei Fensterachsen eingebaut, in der nördlichsten Fensterachse des Erdgeschosses, zur Straße hin, befand sich der Haupteingang in das Haus. Ein zweiter Eingang mit einer einflügeligen Tür ins Kellergeschoss, in dem die Mikwe lag, war in die südliche Achse eingebaut.9 Die Nordosttraufe besaß nur im östlichen Drittel zwei Fensterachsen. In den Südostgiebel war durch den Umbau zur Synagoge ein eingeschossiger Thoraerker eingebaut worden, der auf seiner Nord- und Südseite je ein Fenster besaß. Das Obergeschoss war zu dieser Zeit fensterlos. Vor dem Neubau der Schule, 1896/97 hatte die Südosttraufe im Erdgeschoss fünf und im Obergeschoss vier Fensterachsen. Alle Fenster waren in einheitlicher Höhe eingebaut und vermutlich von gleichen Größe und Bauart. Das Erdgeschoss bot und bietet mit ca. 2,20 Metern die höchsten Innenräume, wohingegen die Deckenhöhe des Obergeschosses nur rund 1,80 Meter betrug, das Dachgeschoss jedoch fast drei Meter.

Der Zugang in das Synagogengebäude erfolgte durch eine einflügelige Tür in der nördlichen Fenster- bzw. Türachse des Nordwestgiebels, die über eine elfstufige Sandsteintreppe entlang der Giebelwand von Süden her zu betreten war.10 Der dahinterliegende Flur führte zur einläufigen Treppe ins Obergeschoss und erschloss den benachbarten südlich gelegenen Schulraum. Vermutlich in der östlichen Flurwand lag der Zugang zum Betraum, der etwa die östlichen zwei Drittel des Gebäudes einnahm. Die etwa 40–50 Sitzplätze verteilten sich auf das Erdgeschoss, in dem die Männerbänke standen, und die entlang der Nordwest- und Südostwand verlaufende, etwa 1,5 Meter tiefen Frauenempore im Obergeschoss.11 Dieses wurde durch die über die Flurtreppe erreichbare einflügelige Tür in der östlichen Wand erschlossen. Im Obergeschoss über dem Schulraum lag ein Raum, in dem die jüdischen Lehrer wohnten, bis mit dem Anbau des Schulgebäudes dort eine größere Lehrerwohnung geschaffen und diese durch einen Durchbruch mit der alten Wohnstube verbunden wurde.

Während des Pogroms vom 9. zum 10. November 1938 wurde die Synagoge geplündert und geschändet, die sichergestellten Kultgegenstände wurden nach Marburg ins zuständige Provinzrabbinat verbracht.12 1941 fand der Zwangsverkauf von Synagoge und Schule statt. Der Eigentümer, Meier Katten II., musste beide für 2.350,00 Reichsmark an die politische Gemeinde verkaufen, die sie für einen Kindergarten und zu Parteiversammlungen nutzen wollte.13 Durch eine Umbauphase im Jahre 1965 wurden erhebliche Veränderungen in der Struktur des Hausinneren vorgenommen. Unter anderem wurde das Treppenhaus verlegt, die Fachwerkwand des ersten Obergeschosses in der Nordosttraufe und Teilen des Nordwestgiebels durch eine massive Mauer ersetzt sowie die Haustür vom Nordwestgiebel in die Nordosttraufe verlegt. Zudem wurde die ca. 2,50 Meter breite doppelflügelige Garagentür in den Sandsteinsockel des Nordwestgiebels eingebaut und im Ostgiebel Fensteröffnungen geschlossen.14 Zu welcher Zeit der Thoraerker abgebrochen wurde, ist bisher unklar.

Weitere Einrichtungen

Mikwe

Im Keller der Synagoge war wahrscheinlich eine Mikwe eingerichtet.15 Der Kellerraum mit dem rituellen Tauchbad lag nach Angaben ehemaliger Hauseigentümer in der Nordwestecke, wo sich ein etwa zwei Meter tiefes, innen verputztes und über eine Treppe begehbares Becken befunden haben soll.16 Durch einen Nachbarraum, der vermutlich als Umkleideraum diente, gelangten die Besucher und Besucherinnen in die Mikwe. In diesem Vorraum befindet sich im Jahr der bauhistorischen Untersuchung (1994) an der Nordwand ein mit Sandsteinen gefasstes Brunnenloch. Dieser Brunnen könnte zur Nutzungszeit der Synagoge als Wasserversorgung für die Mikwe gedient haben.

Schule

1897 wurde anstelle des unter beengten Bedingungen stattfindenden Religionsunterrichts in der Synagoge ein direkt angrenzender zweigeschossiger Neubau über einer Grundfläche von ca. 70 Quadratmetern für die Schule gebaut. Planer war der Kirchhainer Bautechniker Conrad Schweinsberger. In dem Schulneubau wohnte in der Folge auch der jüdische Lehrer Levi, der gleichzeitig der Schächter der Synagogengemeinde war, mit seiner Familie.17

Kaum zwanzig Jahre nach dem Neubau war die Zahl der zu unterrichtenden Kinder erheblich gesunken, so dass auch die jüdischen Kinder aus Josbach und Wohra zum gemeinsamen Religionsunterricht nach Halsdorf kamen. Am 1. Mai 1933 endete der jüdische Religionsunterricht in Halsdorf unter dem Eindruck zunehmender politischer Repressalien.18

Cemetery

Bis 1903 wurden die verstorbenen jüdischen Halsdorfer auf dem alten Friedhof im etwa zehn Kilometer entfernten Hatzbach begraben. Seit 1903 bis 1938 besaß die Synagogengemeinde einen eigenen Friedhof, der neben dem kommunalenFriedhof im Osten des Dorfes liegt und ca. 300 Quadratmeter groß ist. Der älteste der 51 erhaltenen Grabsteine stammt vom Oktober 1903, der jüngste vom April 1938.

Halsdorf, Jüdischer Friedhof: Datensatz anzeigen
Hatzbach, Jüdischer Friedhof: Datensatz anzeigen

Grabstätten

Halsdorf, Jüdischer Friedhof: Grabstätten anzeigen

References

Weblinks

Sources

Bibliography

Illustrations

Fußnoten
  1. Im Ortsartikel Halsdorf auf Alemannia Judaica (s. Weblink) wird auf vier Familien hingewiesen, Gerschlauer/Klein, Marburg-Biedenkopf, S. 30, weisen drei Familien aus.
  2. Gerschlauer/Klein, Marburg-Biedenkopf, S. 30
  3. HStAM 5, 2410
  4. Gerschlauer/Klein, Marburg-Biedenkopf, S. 31
  5. HStAM 5, 2410
  6. GemA Wohratal, Plan für die Erweiterung der jüdischen Schule in Halsdorf, 1896–1897
  7. Gerschlauer/Klein, Marburg-Biedenkopf, S. 31; Arnsberg, Jüdische Gemeinden 1, S. 41 f.
  8. GemA Wohratal, Plan für die Erweiterung der jüdischen Schule in Halsdorf, 1896–1897
  9. Arnsberg, Jüdische Gemeinden 1, S. 317 ff.
  10. GemA Wohratal, Plan für die Erweiterung der jüdischen Schule in Halsdorf, 1896–1897
  11. GemA Wohratal, Plan für die Erweiterung der jüdischen Schule in Halsdorf, 1896–1897; Beschreibung in Gerschlauer/Klein, Marburg-Biedenkopf, S. 40 f.
  12. Händler-Lachmann/Händler/Schütt, Purim, S. 18
  13. GemA Wohratal, Kaufvertrag vom 22.1.1941
  14. Gerschlauer/Klein, Marburg-Biedenkopf, S. 34
  15. Gerschlauer/Klein, Marburg-Biedenkopf, S. 41-43
  16. Gerschlauer/Klein, Marburg-Biedenkopf, S. 41-43
  17. Arnsberg, Jüdische Gemeinden 1, S. 317 ff.
  18. Händler-Lachmann/Händler/Schütt, Purim, S. 18
Recommended Citation
„Halsdorf (Landkreis Marburg-Biedenkopf)“, in: Synagogen in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/en/purl/resolve/subject/syn/id/174> (Stand: 26.7.2022)