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Gründung des Jungdeutschen Ordens in Kassel, 17. März 1920

In Kassel gründen Kriegsheimkehrer und freiwillig dienende Zeitsoldaten den Jungdeutschen Orden, einen nationalen Verband, der den bündischen Kreisen nahesteht, sozialromantische Ziele vertritt und organisatorisch dem Deutschen Orden nachgebildet ist (ähnlich der Struktur der mittelalterlichen Ritterorden).

Erster Hochmeister (Vorsitzender) des hierarchisch strukturierten Verbandes wird der gebürtig aus Kassel stammende Oberleutnant a. D. Artur Mahraun (1890–1950). Mahraun gründete zu Beginn des vorangegangenen Jahres ein Freikorps mit dem Namen „Freiwilligen-Verband der Offiziers-Kompanie Cassel“ (OKC, auch: „Bataillon Mahraun“), das die Keimzelle des Jungdeutschen Ordens bildet. Die Gründung des Ordens findet im Rahmen eines von Marraun einberufenen Treffens statt, bei dem den Führer des Freiwilligen- Verbandes das Programm für einen „Jungdeutschen Orden“ vorgelegt wird.

Hohe Attraktivität durch völkisch-sozialromantische Zielsetzungen

Der Verband, der für eine Überwindung von Standes- und Klassengegensätze durch die Bildung einer nationalen „Volksgemeinschaft“ eintritt und eine entsprechende Reform der deutschen Staatsverfassung fordert, besitzt eine hohe Attraktivität für zahlreiche Menschen, die von den Fesseln des Versailler Vertrags und der kriegsbedingten Umwälzung der wirtschaftlichen, sozialen und politischen Verhältnisse enttäuscht sind. Im Sommer 1921 zählt der konservativ und antisemitisch ausgerichtete Orden bereits 70.000 Mitglieder. Ab dem 1. Mai 1920 erscheint in Kassel zweimal monatlich eine Verbandszeitung unter dem Titel „Die Ordenszeitung“.

Solidarisch mit der demokratisch legitimierten Staatsführung bei Kapp-Putsch und Ruhraufstand

Im Gegensatz zu den meisten anderen national eingestellten Organisationen fordert der Jungdeutsche Orden eine deutsch-französische Zusammenarbeit auf allen Gebieten und den Neuaufbau des Reiches unter Verzicht auf die Rückkehr zur Monarchie oder die Errichtung einer autoritären Diktatur. Während des Kapp-Putsches, bei dem fast gleichzeitig mit der Gründung des Ordens konterrevolutionäre Freikorps unter der Führung von General Walther von Lüttwitz (1859–1942) im März 1920 versuchen, die von SPD, Zentrumspartei und DDP getragene Regierung unter Gustav Bauer (1870–1944; SPD) zu stürzen, erklärt sich der Jungdeutsche Orden mit der rechtmäßigen Staatsführung solidarisch und beteiligte sich im Auftrag der Reichsregierung im März 1920 auch an der Niederschlagung des linksradikalen Arbeiteraufstands im Ruhrgebiet.

1930 schließt sich der Verband kurzfristig an die linksliberale Deutsche Demokratische Partei an. Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten wird der Jungdeutsche Orden außer in der Provinz Preußen landesweit verboten, da sich die Landesverbände überwiegend einer Gleichschaltung und Eingliederung in die NS-Organisationen widersetzen. Einem Verbot in Preußen (und der damit verbundenen Enteignung) kommt der Orden am 3. Juli 1933 durch Selbstauflösung zuvor.
(KU)

Records
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Recommended Citation
„Gründung des Jungdeutschen Ordens in Kassel, 17. März 1920“, in: Zeitgeschichte in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/en/subjects/idrec/sn/edb/id/2971> (Stand: 17.3.2023)
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