Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg

↑ Chronik des Ersten Weltkriegs im Stadtbuch von Gemünden (Wohra) (1914-1918)

Abschnitt 8: Waffenstillstand, Revolution, Demobilmachung

[9-10] Während unsere Unterhändler sich nach Frankreich begeben wollten, brach am 9. November 1918 im Inland die Revolution aus. Die militärische Disziplin wurde zum Teil ganz abgeschafft und durch die gewählten Arbeiter- u. Soldatenräte ersetzt, welche dann die Garnison-Truppen entwaffneten und auch die Truppentransporte zur Front aufhielten und in die Heimat zurückschickten, hierdurch brach dann unsere Front gegen den Feind völlig zusammen, die Moral in dem Heer sank immer tiefer. Der Kaiser legte die Krone nieder und floh nach Holland, wohin ihm auch der Kronprinz folgte Die Armee flutete unaufhaltsam nach Deutschland und hinterließ unzähliges Kriegsmaterial, Lebensmittel und Bekleidungsstücke von ganz ungeheurem Wert dem Feinde. Die nun folgenden schweren Waffenstillstandsbedingungen unserer Feinde mußten wir bedingungslos annehmen, welche dan später zu dem schmählichen Frieden von Versailles führte.

Nun begann im November 1918 die Demobilmachung der gesamten Deutschen Armee. Auch unsere Stadt erlebte einen Teil davon und zwar durch Truppen des 18. Armeekorps. Bis Ende Januar 1919 durchzogen viele Truppen unsere Stadt und Umgegend. Gemünden wurde reichlich mit Einquartierungen bedacht, mehrere Tage waren 1000 bis 1500 Soldaten mit Pferden und allerlei Kriegsgerät einquartiert, es war deshalb eine Feldbäckerei, Feldschlachterei, Proviantamt und eine Waffensammelstelle eingesetzt. Schul- und Tanzsääle waren mit Truppen belegt.

[S. 10] Auf dem Bahnhof war das Proviantamt eingerichtet, hier waren Lebensmittel aller Art, sehr reichlich, in Eisenbahnwagen und im Güterschuppen untergebracht, welche an die hier einquartierten und durchziehenden Truppen verausgabt wurden, aber es wurde auch von Soldaten und Einwohner sehr viel gestohlen. Von einem hier aufgestellten großen Wagenpark wurden viele Wagen an hießige Einwohner verkauft. Auch 150 Militärpferde wurden zu niedrigen Preisen (von 3 bis 1000 Mark) hier verkauft.

Aus hießiger Stadt waren von 1914-1918 418 Männer und Jünglinge eingezogen wovon 61 den Heldentod auf den Schlachtfeldern und in Lazaretten starben, 14 gerieten in Gefangenschaft und sind sämtlich gesund zurückgekehrt. Im Sommer 1918 wurde der Friedhof an der Moischeiderstraße geschlossen und der bei der Zusammenlegung ausgewiesene an dem alten Todenhof vor dem Obertor, eröffnet, und durch Herrn Pfarrer Rüger bei der ersten Beerdigung eingeweiht. Der Erste, der auf dem neuen Friedhof beerdigt wurde, war der im Krieg schwer verwundete und im Lazarett in Mainz verstorbene Gefreite Justus Brück, Hrchs Sohn von hier.


Personen: Wilhelm II., Deutsches Reich, Kaiser · Rüger, Georg · Brück, Justus
Orte: Gemünden (Wohra) · Frankreich · Versailles · Mainz
Sachbegriffe: Novemberrevolution 1918 · Arbeiter- und Soldatenräte · Waffenstillstandsverhandlungen · Truppenrückmarsch · Demobilmachung · Einquartierungen · Bahnhöfe · Gefallene · Lazarette · Pferde · Versailler Vertrag
Empfohlene Zitierweise: „Chronik des Ersten Weltkriegs im Stadtbuch von Gemünden (Wohra) (1914-1918), Abschnitt 16: Waffenstillstand, Revolution, Demobilmachung“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/de/purl/resolve/subject/qhg/id/6-8> (aufgerufen am 26.04.2024)