Topografie des Nationalsozialismus in Hessen
Weitere Informationen
Herborn, Operationsabteilung, Landesheil- und Pflegeanstalt
- Herborn, Gemeinde Herborn, Lahn-Dill-Kreis | Historisches Ortslexikon
- Klassifikation ↑
-
Kategorie:
Verfolgung
-
Subkategorie:
- Nutzungsgeschichte ↑
-
Beschreibung:
In den Landesheilanstalten Herborn und auf dem Eichberg wurden ab 1934 Zwangssterilisationen durchgeführt. Der Bezirksverband richtete eigens dafür an beiden Orten Operationsabteilungen ein. Grundlage für die Zwangseingriffe war das am 17.7.1934 verkündete „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ (GzVeN)
Zwischen dem 18.12.1934 und dem 26.7.1939 wurden bei mindestens 1.184 Menschen Zwangssterilisationen vorgenommen. Bei mindestens 561 Frauen – davon 47 Minderjährige – durch vollständige Entfernung der Eileiter und der Tubenwinkel aus dem Uterus. Bei mindestens 623 Männern – davon 95 Minderjährige – durch die vollständige Entnahme der Samenleiter. Die jüngsten Sterilisanden waren drei Jungen im Alter von elf und 12 Jahren und ein 12 jähriges Mädchen. Die ältesten Sterilisanden waren zwei 65 jährige Männer und eine 50 jährige Frau. Die zu sterilisierenden Personen wurden in der Regel ein bis zwei Tage vor dem Eingriff in Herborn aufgenommen. Entlassungen erfolgten in seltenen Fällen binnen einer Woche, in wenigen Fällen binnen zwei Wochen. Frauen verblieben in Folge des Eingriffs durchschnittlich 21 Tage, Männer 16 Tage in Herborn. Wie viele in Folge der Zwangseingriffe in Herborn starben, lässt sich im Einzelnen nicht rekonstruieren.
1.148 Sterilisanden, und damit die meisten, kamen aus den Anstalten Hadamar, Herborn, Idstein (Kalmenhof), Scheuern und Weilmünster:
Herkunftsanstalt Anzahl Hadamar 344 Herborn 264 Idstein (Kalmenhof) 222 Scheuern 68 Weilmünster 250 Weitere 26 aus Polen (8), Frankreich (7), Österreich (4), Schweiz (2), Italien (Südtirol) (2), Luxemburg (2), Tschechien (1), Ukraine (1) undb Belgien (1).
Unter den Diagnosen der Herborner Zwangssterilisationsopfer, die auf Grundlage des GzVeN gestellt wurden, sticht der „angeborene Schwachsinn“ heraus. 287 Männer und 218 Frauen mit dieser Diagnose finden sich im Sterilisationsbuch. Weitere 92 Menschen bekamen eine Form des „Schwachsinns“ in Kombination mit „Psychopathie“ (14 Frauen), „Epilepsie“ (6 Männer und 14 Frauen), „Alkoholismus“ (7 Männer, 2 Frauen), „Schizophrenie“ (5 Männer, 7 Frauen) oder „Imbezilität“ und „Debilität“ (13 Männer, 24 Frauen).
-
Nutzungsanfang (früheste Erwähnung):
18.12.1934
-
Nutzungsende (späteste Erwähnung):
26.7.1939
- Indizes ↑
-
Orte:
-
Sachbegriffe:
Euthanasie · Gesundheitswesen · Verfolgung · Zwischenanstalten
- Nachweise ↑
-
Literatur:
- Sandner, Der Bezirksverband Nassau und seine Anstalt Herborn in der Zeit des Nationalsozialismus, in: >Vanja, 100 Jahre Psychiatrie in Herborn, S. 100-118.
- Weigend, Zwangssterilisationen in Herborn, in: >Vanja, 100 Jahre Psychiatrie in Herborn, S. 126-135.
-
Weblinks:
Fachtagung: "'Zwischenanstalten'. Ein besonderer Typus Anstalt im NS"? (15.11.2023)
- Zitierweise ↑
- „Herborn, Operationsabteilung, Landesheil- und Pflegeanstalt“, in: Topographie des Nationalsozialismus in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/nstopo/id/3537> (Stand: 18.2.2024)