Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg

↑ Die letzten Tage vor dem Krieg in der Oberhessischen Zeitung (Marburg), Juli 1914

Abschnitt 24: 28.7.1914: Die deutsche Sozialdemokratie und der Krieg


Die deutsche Sozialdemokratie und der Krieg.

München, 28. Juli. Eine von vielen Tausenden besuchte sozialdemokratische Volksversammlung, die ursprünglich einberufen war, um gegen den von der bayerischen Regierung drohenden Gewissenszwang zu protestieren, gestaltete sich im weiteren Verlauf zu einer eindrucksvollen Kundgebung für den Weltfrieden und gegen den Krieg. Der Referent Kurt Eisner1 führte aus, daß heute nur noch ein in geistigen Dingen mündiges Volk im wahren Sinne wehrhaft sei. Er betonte, daß, wenn es jetzt zum Aeußersten kommen sollte, selbstverständlich auch der deutsche Sozialdemokrat seine vaterländischen Pflichten in vollem Maße erfüllen werde; doch bleibe der Krieg in jeder Gestalt das Ungeheuerlichste aller Schrecknisse, gegen das sich alle Völker sträuben müßten, denen zum Bewußtsein gekommen sei, daß die Menschheit höhere Aufgaben zu erfüllen habe, als sich zu zerfleischen. Der Redner richtete einen flammenden Appell an die Kulturnationen England und Frankreich, dem Zarentum als dem kulturlosen Unruhestifter Europas kraftvoll entgegenzutreten2.

[Oberhessische Zeitung vom 28. Juli 1914]


  1. Kurt Eisner (1867-1919), Sozialdemokrat, Journalist des Vorwärts, erster Ministerpräsident des Freistaats Bayern.
  2. Rede Eisners vom 27. Juli 1914, zitiert bei Bernhard Grau: Kurt Eisner. 1867–1919. Eine Biografie. München 2001, S. 299–305.

Erläuterungen: Zitat Wikipedia, Artikel Kurt Eisner: "Am 27. Juli 1914 hielt Eisner die Rede bei der zentralen Friedenskundgebung der Münchner Sozialdemokratie. Darin betonte er, in der Politik des zaristischen Russlands liege die größte Gefahr für den Frieden. Er forderte Frankreich, England und Deutschland auf, gemeinsam „die Kriegsfurie“ zu „erwürgen“. Wenn der Krieg aber einmal ausgebrochen sei, so der von einer russischen Aggression überzeugte Eisner, müsse man das Vaterland verteidigen. Darin der von der Reichsregierung gesteuerten manipulativen Informationspolitik erlegen, begrüßte er bei Kriegsbeginn die Zustimmung der Reichstagsfraktion seiner Partei zu den ersten Kriegskrediten, um den „Vernichtungskrieg gegen den Zarismus“ zu führen."
Personen: Eisner, Kurt
Orte: München · England · Frankreich · Russland
Sachbegriffe: Zeitungen · Oberhessische Zeitung · Sozialdemokraten · Volksversammlungen · Kundgebungen · Pazifismus
Empfohlene Zitierweise: „Die letzten Tage vor dem Krieg in der Oberhessischen Zeitung (Marburg), Juli 1914, Abschnitt 6: 28.7.1914: Die deutsche Sozialdemokratie und der Krieg“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/de/purl/resolve/subject/qhg/id/39-24> (aufgerufen am 27.04.2024)