Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg

↑ Jakob Ebersmann, Berichte aus der Heimat in den Dieburger Feldbriefen, 1915-1917

Abschnitt 48: Kriegswallfahrt der katholischen Jugendvereine

[Nr. 48] Feldbrief vom 4. Juni 1916

Die Kriegswallfahrt der katholischen Jugendvereine des Bezirks Darmstadt-Dieburg, die am letzten Sonntag in unserer altehrwürdigen Gnadenkapelle stattfand, verlief programmäßig. Am Morgen regnete es zwar, aber gegen Mittag hellte sich der Himmel auf, so daß die nahgelegenen Orte den Weg hierher zu Fuß zurücklegen konnten. Es waren vertreten: Darmstadt, Groß-Gerau, Groß- und Klein-Zimmern, Münster, Eppertshausen, Urberach, Ober- und Nieder-Roden und Dieburg. Die Festpredigt hielt der Diözesanpräses der katholischen Jugendvereine, Herr Professor Lenhart-Bensheim. Er behandelte im Lichte des Glaubens drei Fragen, die jetzt so häufig gestellt werden: 1. Warum müssen in diesem Kriege so viele junge Männer ihr Leben lassen? 2. Warum werde gerade ich vom Unglück betroffen? 3. Warum bleiben so viele Gebete unerhört? In der darauf folgenden Andacht wurde der lebenden, sterbenden und verstorben Mitglieder der Bezirksvereine gedacht. (Von der Dieburger Sodalität sind bereits 12 im Kriege gefallen.) Dann zogen alle zu einer weltlichen Versammlung in den „Mainzer Hof". Dort begrüßte der Bezirkspräses, Herr Pfarrer Reutter-Eppertshausen die Anwesenden und brachte den höchsten Autoritäten, dem Papste und Kaiser, ein Hoch. Darauf schilderte Herr Abgeordneter Uebel die Kulturarbeit der katholischen Kirche, um die Jugend wieder zur Liebe für ihre heilige Sache zu begeistern. Die Versammlung war so gut besucht, daß viele keinen Platz mehr fanden oder sich wenigstens mit einem Stehplatz begnügen mußten. Die Wallfahrt, an der 16 Geistliche teilnahmen, wird so schnell nicht vergessen werden und, so Gott will, gute Früchte hervorbringen. —

In dieser Woche, der Bittwoche, fanden die Flurprozessionen in Dieburg statt. Wie Ihr wißt, ist in anderen Orten an den drei Tagen vor Christi Himmelfahrt täglich ein Bittgang durchs Feld. Hier wird Montags und Mittwochs in der Kirche nur die Allerheiligenlitanei gebetet und das Bittamt gehalten. Dienstags geht die Prozession von der Pfarrkirche durch die Steinstraße und das Minnefeld zur Kapelle, wo das Bittamt gehalten wird. Am Feste Christi Himmelfahrt konnte die Prozession wegen der aufgeweichten Feldwege nicht den gewöhnlichen Weg Groß - Umstädter Chaussee — Klein-Zimmerner Chaussee einschlagen. Sie ging deshalb die Klein-Zimmerner Chaussee hinaus bis zur Krümmung und von dort aus auf demselben Weg zurück zur Pfarrkirche. Diese und andere Flurprozessionen sind von der Kirche angeordnet, um Gottes Segen auf die Feldfrüchte herabzuflehen. In diesem Kriegsjahr haben wir den Segen des Allerhöchsten besonders nötig. Die Früchte stehen zwar sehr schön, wenn aber unser lieber Herrgott nicht das Gedeihen gibt, können die schönsten Hoffnungen vernichtet werden. Deshalb ist ein andächtiges Gebet für eine gute Ernte sehr wohl am Platze.

Dem Reservisten Simon Gruber wurde das Eiserne Kreuz verliehen.


Personen: Ebersmann, Jakob
Empfohlene Zitierweise: „Jakob Ebersmann, Berichte aus der Heimat in den Dieburger Feldbriefen, 1915-1917, Abschnitt 48: Kriegswallfahrt der katholischen Jugendvereine“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/de/purl/resolve/subject/qhg/id/19-48> (aufgerufen am 01.05.2024)