Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg

↑ Jakob Ebersmann, Berichte aus der Heimat in den Dieburger Feldbriefen, 1915-1917

Abschnitt 46: Krieg ständiges Gesprächsthema, Landwirtschaft

[Nr. 46] Feldbrief vom 21. Mai 1916

In Dieburg müssen die Schulkinder zwar Weltgeschichte lernen; es tragen sich hier aber keine großen weltgeschichtlichen Ereignisse zu. Ich kann Euch deshalb in meinen Feldbriefen auch keine weltbewegenden Neuigkeiten von Dieburg melden, sondern nur solche, wie sie in einem kleinen Landstädtchen das Tagesgespräch der Bewohner bilden. Und wovon die Dieburger sprechen, könnt Ihr Euch eigentlich denken. Vom Krieg und seinen Toten, Verwundeten und Vermißten, von dem Elend unter den Völkern, von der Sehnsucht nach dem Frieden. Davon spricht Jung und Alt, Mann und Weib, der Beamte und der Bürgersmann und zwar jeden Tag. Der Krieg und seine Begleiterscheinungen bilden das ständige Gesprächsthema für alle.

In den letzten Tagen sprach man auch viel über die Landwirtschaft. Die Saatfelder stehen recht schön. Der Regen hat ihnen die erforderliche Feuchtigkeit zugeführt. Und jetzt scheint die liebe Sonne so warm, daß man bei einem Gang durch die Fluren zu sehen glaubt, wie wohl sich die Pflanzen in dieser Witterung fühlen. Auch die Tiere empfinden wohltuend die Veränderung des Wetters. Für die jungen Hühnchen und Gänschen war es seither noch etwas kühl; aber jetzt fühlt sich das junge Volk wohl und gibt sich ganz der Freude am Leben hin. Sie marschieren so stolz umher, daß man meint, sie seien sich bewußt, wie wertvoll sie sind. Für ein Hühnchen, das erst ein paar Wochen alt ist, wird schon eine Mark bezahlt, und die Gänschen sind entsprechend teuerer. In Dieburg gibt es dieses Jahr nicht wenige. Fast in jedem Bauernhof sieht man eine Henne, umgeben von ihrem Nachwuchs, gravitätisch umherschreiten. Die Hühnerzucht ist eben rentabel. Ein Ei kostet 25 Pfennig. Glücklich, wer viel verkaufen kann.

Die Kartoffelaussaat ist jetzt ziemlich zu Ende. Für manche Haushaltungen fiel es schwer, die Kartoffeln in die Erde zu bekommen. Denn „der Bauer" hat alle Hände voll zu tun. Er erweist tatsächlich dem kleinen Mann eine Gefälligkeit, wenn er ihm für gutes Geld seine Feldarbeit verrichtet.

Von Seiten der Regierung wird zur Gewinnung von Oel der Anbau von Sonnenblumen empfohlen. Die Stadt hat zu diesem Zweck einen halben Hektar Gelände zur Verfügung gestellt, auf dem die Knaben der oberen Schulklassen nun ihre Kulturarbeit beginnen sollen.

Zu Unteroffizieren wurden befördert die Gefreiten Jean Rödler und Heinrich Bonifer.

Der Unteroffizier Franz Braun IV. erhielt das eiserne Kreuz, Gefreiter Jakob Gerhold die hessische Tapferkeitsmedaille.


Personen: Ebersmann, Jakob
Empfohlene Zitierweise: „Jakob Ebersmann, Berichte aus der Heimat in den Dieburger Feldbriefen, 1915-1917, Abschnitt 46: Krieg ständiges Gesprächsthema, Landwirtschaft“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/de/purl/resolve/subject/qhg/id/19-46> (aufgerufen am 01.05.2024)