Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg

↑ Jakob Ebersmann, Berichte aus der Heimat in den Dieburger Feldbriefen, 1915-1917

Abschnitt 45: Meinungen zur neuen Sommerzeit, Ernährungsprobleme

[Nr. 45] Feldbrief vom 14. Mai 1916

Dieser Tage unterhielt ich mich mit einem Dieburger Arbeiter über die neue Sommerzeit. Es interessierte mich, seine Ansicht darüber kennen zu lernen. Er äußerte sich etwa folgendermaßen: Die neue Sommerzeit ist überhaupt keine Sommerzeit, denn jetzt haben wir Mai. Der Sommer beginnt erst am 21. Juni. Der Name paßt also gar nicht. Ferner ist die Einführung für uns unpraktisch. Wir müssen morgens zu früh heraus. Es heißt zwar: „Morgenstund hat Gold im Mund;" aber was gebe ich auf die schönste Morgenstund', wenn man vom Tag zuvor noch so müde ist, daß man sich kaum regen kann. Die Abende sind viel zu lang. Wenn man heimkommt von der Arbeit, muß man noch einmal von neuem dran — bis man nichts mehr sieht. Auch das ließe sich aushalten, wenn man dann wenigstens noch ein „Worschtebrod" und einen guten Schoppen bekäme. Aber auch das gibts nicht.

Ich enthalte mich eines Urteils über diese Anschauung eines Arbeiters, den ich recht hoch schätze. Sie scheint mir interessant genug, sie Euch mitzuteilen. Die Erlaubnis dazu hat er mir gegeben.

Das Jahr 1916 soll, wie die Zeitungen melden, ein gewaltiges Maikäferjahr werden. Hier hat man bis jetzt wenig davon gemerkt. Nur hier und da haben die Buben bei der Jagd auf die Käfer eine Fensterscheibe eingeworfen oder sonstiges Unheil angerichtet. Aber großer Schaden an Bäumen und Pflanzungen ist nicht entstanden. Die Hühner trauern sogar, weil sie nicht einmal zu einem richtigen Maikäferschmaus kommen.

[...]

Die Bestrebungen der Stadt, für den ärmeren Bevölkerungsteil Sorge zu tragen, sind anzuerkennen. Kartoffel, Mehl, Erbsen, Gries u. dgl. Nahrungsmittel wurden bereits von ihr angekauft und zum Selbstkostenpreis abgegeben. Jetzt hat sie einen Zuchtstier schlachten lassen und das Feisch zu 1.70 für das Pfund verkauft. Die Nachfrage war so groß, daß bald das letzte Pfund verkauft war. Auch für Futtermittel war die Stadt, soweit möglich, besorgt.

Gefreiter Joseph Schledt wurde durch Verleihung der hessischen Tapferkeitsmedaille ausgezeichnet.


Personen: Ebersmann, Jakob
Empfohlene Zitierweise: „Jakob Ebersmann, Berichte aus der Heimat in den Dieburger Feldbriefen, 1915-1917, Abschnitt 45: Meinungen zur neuen Sommerzeit, Ernährungsprobleme“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/de/purl/resolve/subject/qhg/id/19-45> (aufgerufen am 01.05.2024)