Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg

↑ Jakob Ebersmann, Berichte aus der Heimat in den Dieburger Feldbriefen, 1915-1917

Abschnitt 38: Aufforderung beunruhigende Briefe zu vermeiden

[Nr. 38] Feldbrief vom 26. März 1916

Heute will ich Euch auf etwas aufmerksam machen, was zwar nicht aus der Heimat kommt, aber in die Heimat geht; nämlich Eure Briefe. Ich zweifle nicht daran, daß Ihr flotte Briefschreiber seid, möchte Euch aber doch empfehlen, in Euren schriftlichen Mitteilungen, die Ihr in die Heimat sendet, recht vorsichtig zu sein. Hütet Euch besonders vor solchen Mitteilungen, die Eure Angehörigen in Aufregung, Gram und Sorge um Euer Leben versetzen. Eure Familien machen sich schon gerade genug Gedanken um Euch, so daß es überflüssig erscheint, sie noch mehr zu ängstigen. Es mag ja Vorkommen, daß ein Krieger eine gewisse Ahnung hat, er werde fallen und seine Lieben in der Heimat nicht mehr sehen. Dann ist auch sein Bedürfnis zu verstehen, von Vater, Mutter und Geschwistern oder von Weib und Kind schriftlich Abschied zu nehmen und sich ihrem Gebete zu empfehlen. Wenn aber die Briefschreiber wüßten, welch niederschmetternden Eindruck ihre Abschiedsbriefe in der Heimat erweckten und wie viel Tränen sie hervorriefen, würden sic sicher diese Schreiben unterlassen oder wenigstens nicht direkt den Angehörigen senden. Da ist es viel gescheiter, solche Abschiedsbriefe an dritte Personen zu schicken, mit der Bitte, nach Eintreffen der Todesnachricht sie den Angehörigen zuzustellen. Dann wird doch die Familie nicht ganz überflüssiger Weise in Aufregung versetzt.

Ich erbiete mich, solche Abschiedsbriefe in Empfang zu nehmen, sie aufzubewahren und nach Bekanntwerden vom Tode der Briefschreiber den Angehörigen zu übergeben. Ich verpflichte mich auch, den Angehörigen nichts davon zu sagen, bis der Tod des Kriegers feststeht. Für den Fall aber, daß die Todesahnung sich nicht verwirklicht, werde ich dem heimkehrenden Krieger den Brief zurückgeben. Letzteres werde ich am liebsten tun.

Mein Anerbieten erklärt sich dadurch, daß ich den Familien in Dieburg unnötigen Kummer ersparen möchte.

Wir suchen es zu vermeiden, Euch etwas Beunruhigendes mitzuteilen, damit Ihr ohne Sorge Euch ganz dem Kriegshandwerk widmen könnt. Deshalb sollt auch Ihr bestrebt sein, nichts Aufregendes in die Heimat zu berichten, damit Eure Angehörigen sich ungestört den Werken des Friedens weihen können.

[...]


Personen: Ebersmann, Jakob
Empfohlene Zitierweise: „Jakob Ebersmann, Berichte aus der Heimat in den Dieburger Feldbriefen, 1915-1917, Abschnitt 38: Aufforderung beunruhigende Briefe zu vermeiden“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/de/purl/resolve/subject/qhg/id/19-38> (aufgerufen am 01.05.2024)