Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg

↑ Jakob Ebersmann, Berichte aus der Heimat in den Dieburger Feldbriefen, 1915-1917

Abschnitt 36: Geschützdonner hörbar, Zustimmung zu Kriegsanleihen

[Nr. 36] Feldbrief vom 12. März 1916

Im vorigen Jahre habe ich den Kindern verboten, auf Fastnacht in Maskenanzügen zu erscheinen und den Erwachsenen empfohlen, aus eigenem Antrieb davon abzustehen. Ich habe damals keine Masken bemerkt. In diesem Jahre glaubte ich von einem Verbot abstehn zu sollen, da es eigentlich selbstverständlich ist, daß man in ernster Zeit auch ernst bleibt. Ich gönne gewiß gern jedem ein anständiges Vergnügen. Es wäre aber eine Gefühlsroheit, wollte man Mummenschanz treiben und Hanswurstiaden aufführen in einer Zeit, wo Tausende unserer deutschen Brüder in Feindesland ihr Blut vergießen. Mit Genugtuung kann ich konstatieren, daß im Jahre 1916 Dieburg an den Fastnachtstagen eine würdige Haltung bewahrte. —

[...]

Wie die Zeitungen berichteten, hat man an mehreren Orten des Großherzogtums den Donner der schweren Geschütze von Verdun vernommen, so z. B. in Bingen, Heidesheim, Worms und im Vogelsberg. Auch in Dieburg hörte man davon. Wenigstens wurde mir erzählt, daß man am Stellwerk der Eisenbahn und im Konvikt deutlich das Krachen der schweren Haubitzen vernahm. —

Für die 4. Kriegsanleihe wird auch in Dieburg eifrig Stimmung gemacht. Schon bei den früheren Anleihen wurden hier ziemlich bedeutende Beträge gezeichnet und zwar nicht bloß von den reichen Leuten, sondern auch von denen, die nur über einige Hundert Mark Ersparnisse verfügten. Die Zeichner wollten sich eben einen besseren Zinsfuß sichern. Jetzt bringen sogar die Schulkinder den Inhalt ihrer Sparbüchse dem Vaterlande zum Opfer.

Alle wünschen, den Krieg möglichst bald zu einem glücklichen Ende zu führen. Es gibt zwar manche, die behaupten, durch Verweigerung der Mittel werde der Krieg schnell beendigt. Andere, und sicher die große Mehrheit des deutschen Volkes, glauben, daß durch reiche Unterstützung des Heeres und der Flotte ein baldiges Ende herbeigekührt werden könne. Beide Ansichten stehen sich diametral gegenüber. Ich bin der Anschauung, daß beide Mittel zum Ziele führen können. Nur ist das Ende verschieden. Durch Anwendung des ersten Mittels gäbe es für uns ein unseliges Ende. Unterdrückung, Knechtschaft, Schande und unerschwingliche Steuer wären in seinem Gefolge. Die Anwendung des zweiten Mittels würde für uns ein glorreiches Ende herbeiführen und Sieg, Ruhm, wirtschaftlichen Aufschwung und Freiheit bedeuten. Kann uns da die Wahl schwer fallen?


Personen: Ebersmann, Jakob
Empfohlene Zitierweise: „Jakob Ebersmann, Berichte aus der Heimat in den Dieburger Feldbriefen, 1915-1917, Abschnitt 36: Geschützdonner hörbar, Zustimmung zu Kriegsanleihen“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/de/purl/resolve/subject/qhg/id/19-36> (aufgerufen am 01.05.2024)