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Staatsminister Carl von Ewald (1852–1932)

Großherzogliche Regierung erklärt Bereitschaft zu parlamentarischer Verfassung, 26. Oktober 1918

Dem Landtag in Darmstadt erklärt Staatsminister Carl von Ewald (1852–1932) die Bereitschaft des Großherzogs und der Regierung zu Wahlrechtsreform und parlamentarischer Umgestaltung der Verfassung.

Erklärung des Staatsministers von Ewald vom 26. Oktober 1918:

In meiner Äußerung zur Frage der Revision des Wahlrechts in der Sitzung der Zweiten Kammer vom 20. März habe ich darauf hingewiesen, daß eine abwartende Haltung für Hessen sich in solange empfehle, als nicht die Wahlrechtsfrage in Preußen geklärt ist. Nach den Mitteilungen in der Presse vom 18. d. M. sind nunmehr die Beschlüsse des Wahlrechts des Wahlrechtsausschusses des Herrenhauses dem Plenum dieses Hauses zugegangen. Nach diesen Vorschlägen darf für Preußen die Einführung des gleichen Wahlrechts ohne jede Zusatzstimme und die Einführung der Verhältniswahl für größere Wahlkreise als gesichert betrachtet werden, wenn auch die Bestimmungen des Wahlgesetzes im übrigen in allen Einzelheiten noch nicht feststehen.
Die Regierung trägt hiernach keine Bedenken, heute schon zu erklären, daß sie die Aufhebung des Mehrstimmenrechts, die Einführung der Verhältniswahl für alle Wahlkreise, in denen mehrere Abgeordnete zu wählen sind, vorschlagen wird, wenn nach dem Ergebnis der Ausschußverhandlungen Aussicht besteht, daß diese Vorschläge die erforderliche Mehrheit finden werden. Die Regierung ist ferner bereit, mit dem Ausschuß über die weiterhin bestehenden Wünsche zu beraten, um aus dem Ergebnis dieser Beratung die Grundlage dafür zu entnehmen, welche weiteren Vorschläge zur Änderung des Wahlgesetzes und der Verwaltungsgesetze sach- und zeitgemäß sind und mit Aussicht auf Erfolg gemacht werden können.
Hinsichtlich der Verwaltungsgesetze darf die Regierung übrigens auf ihr Schreiben vom 10. August 1917 an den Herrn Präsidenten der Zweiten Kammer besonders hinweisen.
Ich benütze diese Gelegenheit, um mich, wie Sie gewiß auch erwarten werden, zu der in diesen Tagen auch in anderen einzelstaatlichen Landtagen erörterten Teilnahme von Vertrauensmännern des Parlaments an den Regierungsgeschäften zu äußern. Nach der Entwicklung der innerpolitischen Verhältnisse im Reiche habe ich mich in Gemeinschaft mit meinen beiden Kollegen für verpflichtet gehalten, dem Großherzog über diese Entwicklung und die politischen Folgen, die sich daraus für Hessen ergeben könnten, Vortrag zu halten. Seine Kgl. Hoheit haben darauf erklärt, daß er sich auch seither schon bei Auswahl der Minister nicht auf den engeren Kreis der Staatsbeamten beschränkt, vielmehr sich stets bemüht habe, nur solche Männer zu berufen, von denen er glaubte annehmen zu dürfen, daß sie das Vertrauen des Volkes genießen.
Se. Königl. Hoheit haben sich aber im Einklang mit unseren Vorschlägen und Wünschen bereit erklärt, in Zukunft solche Berufungen nicht vorzunehmen, ohne daß durch vorheriges geeignetes Benehmen festgestellt worden ist, daß die zu Berufenden auch vom Vertrauen der parlamentarischen Körperschaften getragen sind.
Im Verlauf des Vertrages haben wir, um die Bahn für diese Entwicklung frei zu machen, gebeten, uns von unseren Ämtern zu entbinden. S. K. Hoheit hat daraufhin dem Rücktritt des Herrn Ministers des Innern und meinem Rücktritt mit Rücksicht auf unser vorgerücktes Alter grundsätzlich zugestimmt und sich den Zeitpunkt zu bestimmen vorbehalten, zu dem dieser Rücktritt erfolgen solle. Die Genehmigung des Rücktritts des im besten Mannesalter stehenden, wie kein anderer mit den Finanzen Hessens vertrauten Herrn Ministers der Finanzen aber hat er abgelehnt und dies auch mit der Annahme begründet, daß dieser dem Lande im Einvernehmen mit dem Landtage noch längere Zeit ersprießliche Dienste leisten könne.

Der Berichterstatter des Verfassungsausschusses verliest diese Erklärung am 29. Oktober 1918 in der Zweiten Kammer, die von der Entwicklung überrascht ist.
(OV)

Belege
Empfohlene Zitierweise
„Großherzogliche Regierung erklärt Bereitschaft zu parlamentarischer Verfassung, 26. Oktober 1918“, in: Zeitgeschichte in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/edb/id/235> (Stand: 26.10.2019)
Ereignisse im September 1918 | Oktober 1918 | November 1918
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