Zeitgeschichte in Hessen - Daten · Fakten · Hintergründe
Bericht über Hysterie und Gerüchte in den ersten Kriegstagen, 6. August 1914
Der Landrat in Montabaur berichtet dem Regierungspräsidenten über unsinnige Gerüchte, wilde Spekulationen und hysterische Aktionen der Bevölkerung in den ersten Kriegstagen. Die Erregung der Bevölkerung gebe größten Anlass zur Sorge. Vor allem Postämter würden unhaltbare Gerüchte kritiklos weitergeben, sodass nun in jedem Dorf von der Bevölkerung an zwei bis drei Stellen Autos auf der Suche nach Spionen und geschmuggeltem Geld durchsucht würden. Es sei jetzt kaum noch möglich, mit dem Auto über Land zu kommen und er habe schon Gendarmen mitgeben müssen, damit die Reisenden überhaupt weiterkämen. Der Landrat sieht darin eine große Gefahr, sei es doch gestern Abend in seinem Kreis vorgekommen, daß die Insassen eines Automobils, mit wichtigen militärischen Aufträgen von Krupp-Essen an die Höchster Farbwerke, in einem Dorf fast erschossen worden wären, weil man die mitgeführte Sauerstofflasche für eine Bombe hielt. Der Oberwachtmeister konnte die Leute nur mit größter Mühe und mit eigener Lebensgefahr vor der Wut des Publikums schützen.
Er habe als Landrat angeordnet, dass kein Auto mehr angehalten werden darf, außer an den von ihm selbst eingerichteten drei Schlagbäumen. Er bittet darum, die Eisenbahn- und Poststellen zu ersuchen, daß nicht weiterhin in dieser unsinnigen Weise wegen angeblicher verdächtiger Automobile telefoniert und telegrafiert und die Bevölkerung in Unruhe gehalten wird.
(OV)
- Belege
- Karlheinz Müller, Preußischer Adler und Hessischer Löwe, Wiesbaden 1966, Nr. 110, S. 166 f.
- Empfohlene Zitierweise
- „Bericht über Hysterie und Gerüchte in den ersten Kriegstagen, 6. August 1914“, in: Zeitgeschichte in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/edb/id/3370> (Stand: 6.8.2022)