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Kurfürstentum Hessen 1840-1861 – 2. Lippoldsberg

Weitere Informationen

Lippoldsberg

Ortsteil · 119 m über NN
Gemeinde Wesertal, Landkreis Kassel 
Siedlung | Statistik | Verfassung | Besitz | Kirche und Religion | Kultur | Wirtschaft | Nachweise | Zitierweise
Siedlung

Ortstyp:

Dorf

Lagebezug:

18,5 km nordöstlich von Hofgeismar

Lage und Verkehrslage:

Dorf mit einfachem Grundriss und lockerer Bebauung am rechten Ufer der Weser am Zufluss der Schwülme, unmittelbar an der Grenze zum Bundesland Niedersachsen. Kern der Siedlung ist die ehemalige Klosterkirche (heute evangelische Pfarrkirche), um die herum sich der Ort entwickelte. Klosteranlage nördlich der Kirche, von der Schwülme abgeleiteter Mühlbach im Süden (in diesem Bereich befand sich ein seit der Frühen Neuzeit ein Eisenhammer). Moderne Bebauung im Norden, Osten und vor allem im Süden.

Die Lage der Siedlung ist in den Anfängen begünstigt durch einen hochwasserfreien Schotterkegel über eine Furt, bei der die alte West-Ost-Straße von Münster nach Northeim die Weser überschreitet. In der Ortslage treffen heute die Landesstraßen L3329 und L561 aufeinander; im Westen verbindet die Kreisstraße 79 den Ort über eine Weserfähre mit der B 80. Fährbetrieb seit dem 14. Jahrhundert belegt; auf der anderen Seite der Weser wurden ein Fährhaus und ein Vorwerk errichtet.

Siedlungsentwicklung:

Die mittelalterliche Siedlungsentwicklung ist zunächst eng mit der des Benediktinerinnenklosters Lippoldsberg verknüpft. Seit dem 16. Jahrhundert erhebliche Ausdehnung nach Süden im Zuge der Errichtung des Eisenhammers.

Vorbemerkung Historische Namensformen:

Bei den frühen Namensformen, die sich zumeist auf das Kloster beziehen, wurden nicht alle berücksichtigt (vgl. Desel, Artikel Lippoldsberg, S. 741). Aufgenommen wurden vorrangig die Belege, bei denen auch ein Bezug zur Siedlung Lippoldsberg zu erkennen ist.

Historische Namensformen:

Bezeichnung der Siedlung:

  • locus (1089-1093)
  • villa (1272, 1286)

Siedlungsplätze innerhalb der Gemarkung:

Burgen und Befestigungen:

Umlegung der Flur:

1878

Älteste Gemarkungskarte:

1714

Koordinaten:

Gauß-Krüger: 3538707, 5721119
UTM: 32 U 538618 5719270
WGS84: 51.623127° N, 9.55786° O OpenLayers

Statistik

Ortskennziffer:

633030060

Frühere Ortskennziffer:

633027010

Flächennutzungsstatistik:

  • 1885 (Hektar): 418, davon 221 Ackerland (= 52,87 %), 97 Wiesen (= 23,21 %), 2 Holzungen (= 0,48 %)
  • Gutsbezirk Lippoldsberg 1885 (Hektar): 190, davon 131 Ackerland (= 68,95 %), 39 Wiesen (= 20,53 %), 3 Holzungen (= 1,58 %)
  • 1961 (Hektar): 646, davon 26 Wald (= 4.02 %)

Einwohnerstatistik:

  • 1749 werden folgende Erwerbszweige genannt
  • Landwirtschaft: 10 Ackermänner, 19 im Nebenerwerb, 2 Pottaschensieder, 1 Brandweinbrenner, 7 Tagelöhner, 1 Braumeister, 4 Knechte
  • Sonstiges: 11 Auszüger (Wehrpflichtige)
  • Herrschaftliche Dienste und Gemeindedienste: 1 Fährmann, 3 Hirten, 1 Forstläufer, 1 Chirurg, 3 Soldaten, 1 Verwalter in Beberbeck, 1 Pfarrer, 1 Lehrer
  • Textilgewerbe: 18 Leineweber, 12 Spinner, 1 Strumpfstricker
  • Handwerk: 7 Hammerschmiede, 1 Eisenhüttenverwalter, 1 Kesselmenger, 1 Kesselflicker, 1 Kesseslmenger/Ackermann, 1 Kesselflicker/Tagelöhner, 1 Zaintschmied, 3 Schmiede, 1 Schmied/Brandweinbrenner, 3 Bäcker/Brandweinbrenner, 1 Bäcker/Wirt/Brandweinbrenner, 1 Metzger, 1 Müller, 2 Schreiner, 2 Schuster, 4 Schneider, 2 Köhler, 2 Bänder, 1 Bänder/Brandweinbrenner, 2 Tabakspinner, 2 Bergmänner
  • 1885: 714, davon 677 evangelisch (= 95,08 %), 10 katholisch (= 1,48 %), 14 sonstige Christen (= 1,96 %), 13 Juden (= 1,82 %); Gutsbezirk Lippoldsberg: 30, davon 27 evangelisch (= 90 %), 3 katholisch (= 20 %)
  • 1961: 1893, davon 1516 evangelisch (= 80.08 %), 332 katholisch (= 17.54 %)
  • 1970: 1872

Diagramme:

Lippoldsberg: Einwohnerzahlen 1834-1967

Datenquelle: Historisches Gemeindeverzeichnis für Hessen: 1. Die Bevölkerung der Gemeinden 1834-1967.
Wiesbaden : Hessisches Statistisches Landesamt, 1968.

Verfassung

Verwaltungsbezirk:

  • 1288: Amt und Gericht Gieselwerder
  • 1303: Erzstift Mainz, Amt Gieselwerder
  • 1409: Burg und Gericht Gieselwerder (Mainzer Pfandbesitz der Herren von Hardenberg)
  • 1462: Landgrafschaft Hessen, Gericht Gieselwerder
  • 1551: Landgrafschaft Hessen, Amt Gieselwerder
  • 1585: Landgrafschaft Hessen, Amt Sababurg
  • 1787: Landgrafschaft Hessen-Kassel, Niederhessen, Amt Sababurg
  • 1803-1806: Kurfürstentum Hessen, Niederhessen, Amt Sababurg
  • 1807-1813: Königreich Westphalen, Departement der Leine, Distrikt Göttingen, Kanton Bodenfelde
  • 1814-1821: Kurfürstentum Hessen, Niederhessen, Amt Sababurg
  • 1821: Kurfürstentum Hessen, Provinz Niederhessen, Kreis Hofgeismar
  • 1848: Kurfürstentum Hessen, Bezirk Kassel
  • 1851: Kurfürstentum Hessen, Provinz Niederhessen, Kreis Hofgeismar
  • 1867: Königreich Preußen, Provinz Hessen-Nassau, Regierungsbezirk Kassel, Landkreis Hofgeismar
  • 1945: Groß-Hessen, Regierungsbezirk Kassel, Kreis Hofgeismar
  • 1946: Land Hessen, Regierungsbezirk Kassel, Kreis Hofgeismar
  • 1972: Land Hessen, Regierungsbezirk Kassel, Landkreis Kassel

Altkreis:

Hofgeismar

Gericht:

  • bis 1822: Amt Sababurg
  • 1822: Justizamt Karlshafen
  • 1867: Amtsgericht Karlshafen
  • 1879: Amtsgericht Karlshafen
  • 1943: Amtsgericht Hofgeismar (Zweigstelle Karlshafen)
  • 1949: Amtsgericht Karlshafen
  • 1968: Amtsgericht Hofgeismar (Zweigstelle Karlshafen)
  • 1969: Amtsgericht Hofgeismar

Herrschaft:

Ältester Herrschaftsinhaber ist offenbar Kloster Corvey, das den Besitz vor Ort an die Grafen von Northeim ausgibt. Als der Mainzer Erzbischof den Ort von Corvey Mitte des 11. Jahrhunderts erwirbt, übergeben die Northeimer dem Kirchenfürsten das Lehen, damit dieser hier ein Kloster gründet. Seitdem sind die herrschaftlichen Verhältnisse in Lippoldsberg für die nächsten Jahrhunderte eng mit denen des Klosters (Geschichte) und seiner wechselvollen Vogteigeschichte verknüpft.

1272 ist jedoch von der villa Lippoldsberg die Rede, die Graf Ludolf V. von Dassel bei der Übertragung zahlreicher Güter des Waldes Solling an den Herzog von Braunschweig ausdrücklich ausnimmt. 1409 gehört das Dorf der Hardenberger Pfandschaft zugerechnet. 1462 übernimmt der Landgraf von Hessen die von Mainz 1453 zurückerworbenen Pfandschaftsanteile.

1538 hat der Landgraf von Hessen die Vogtei, den Blutbann, den Zoll, die Fähre, die meisten Dienste, kleinere Rechtstitel und alle Leistungen, die das Kloster dem Schloss Gieselwerder schuldet. Doch kommt es weiterhin zu Streitigkeiten zwische dem Herzog von Braunschweig und den Landgrafen.

Gemeindeentwicklung:

Am 1.2.1971 erfolgte im Zuge der hessischen Gebietsreform der Zusammenschluss der Gemeinden Lippoldsberg und Vernawahlshausen zur neu gebildeten Gemeinde Wahlsburg. Lippoldsberg wurde Ortsteil und Sitz der Gemeindeverwaltung. Seit dem 1.1.2020 Ortsteil der neu gebildeten Gemeinde Wesertal.

Besitz

Grundherrschaft und Grundbesitzer:

  • Vgl. Herrschaft
  • Ältester Grundherr war vermutlich Kloster Corvey, von dem es der Mainzer Erzbischof Liutpold erwarb und hier eine Kapelle nebst Herberge errichtete.
  • 1090 Rückgabe des Lehens samt Kirche an den Erzbischof von Mainz durch Graf Heinrich von Northeim zwecks Gründung eines Klosters. Seitdem war der Ort im Besitz des Klosters.
  • 1286 verzichtet der Graf von Dassel auf die bürgerliche Gerichtsbarkeit außer der peinlichen zu Gunsten des Klosters. 1538 gelangte Lippoldsberg durch einen Vergleich zwischen Hessen und Braunschweig in hessischen Besitz.
Kirche und Religion

Ortskirchen:

  • Zwischen 1051-1059 Errichtung einer Holzkapelle durch Erzbischof Luitbold von Mainz, die unter seinem Nachfolger Siegfried I. durch einen Steinbau in eine Pfarrkirche umgewandelt wird. Von Erzbischof Ruthard (1089-1109) zu einem mainzischen Eigenkloster für Benediktinerinnen ausgestaltet.
  • Dreischiffige, gewölbte, kreuzförmige Pfeilerbasilika mit dreischiffigigem Chor aus der Mitte des 12. Jahrhunderts
  • Evangelische Pfarrkirche (vgl. Klöster)
  • 1957 wurde die katholische Maria-Goretti-Kirche errichtet

Patrozinien:

  • Chrysogonus [Mitte 11. Jahrhundert]
  • Georg (Georgius) [1125]
  • Maria

Pfarrzugehörigkeit:

Erzbischof Siegfried (1060-84) wandelt eine hier von seinem Vorgänger errichtete Kapelle in eine steinerne Pfarrkirche um, der er auch die Nachbarsiedlungen, Artelmissen, Bodenfelde, Gotmarsen, Bennenhausen und Badenhausen zuweist. Der Propst von Lippoldsberg ist in Personalunion Pfarrer von Oedelsheim. Nach der Reformation und der Aufhebung des Klosters 1569 wird Lippoldsberg wieder als Pfarrei begründet mit den Filialen Gieselwerder und Gottstreu, 1825 kommt die Waldensergemeinde Gewissenruh als Filial hinzu. 1947 übernimmt Lippoldsberg auch die Betreuung der Rehabilitationsklinik Lippoldsberg, für die 1985 eine eigene Pfarrstelle errichtet wird, die als kombinierte Pfarrstelle mit Heisebeck und Vernawahlshausen verbunden ist.

Patronat:

Kloster Lippoldsberg, seit 1538 bei den hessischen Landgrafen

Klöster:

Diakonische Einrichtung:

1946-1951 Diakoniestation (Landeskirchliches Archiv Kassel, Findbuch G 2.6. Kurhessisches Diakonissenhaus)

1947 Gründung einer Lungenheilstätte durch die Innere Mission in Absprache mit der amerikanischen Besatzungsmacht auf dem Gelände des ehemaligen Rüstungsbetriebes "Paraxol"; Betreuung durch heimatvertriebene Diakonissen aus Schlesien; seit 1968 Klinik und Rehabilitationszentrum, Aufbau einer Lehranstalt für Beschäftigungstherapie (Freudenstein, Diakonie, S. 191-197)

Bekenntniswechsel:

Erster evangelischer Pfarrer: Mumme Henricus ca. 1530-1538, war bis 1526 Zisterziensermönch im Kloster Wilhelmshausen

Kirchliche Mittelbehörden:

1059-1084 unter dem mainz. Dekanat Oedelsheim,

1519/20: Archidiakonat Nörten, Erzpriestersprengel Ödelsheim

seit 1564 zur Klasse Gottsbüren gehörig, Amt Sababurg

Kultur

Schulen:

1910 Volksschule mit drei Klassen

Hospitäler:

1563 Bau eines Hospitals auf Anweisung von Landgraf Philipp; Ausstattung mit den Einkünften des aufgehobenen Klosters; Neubau 1660 mit 12 Plätzen; Verwaltung durch Landrat und Pfarrer Ritter, Kirchliches Handbuch, S. 63

Sprachgeschichte (Quellenfaksimiles):

Wirtschaft

Wirtschaft:

1555 erteilt Landgraf Philipp zwei Hammerschmieden die Erlaubnis, in Lippoldsberg Eisenhammer und -hütten zu errichten. Nach bescheidenen Anfängen entwickelt sich der Hammer seit dem Dreißigjährigen Krieg zu einem bedeutenden Arbeitgeber. 1749 arbeiten hier 2 Bedienstete und 28 Arbeiter, darunter 7 Hammerschmiede und 1 Feinschmied. Dazu kamen 2 Beamte und 13 Arbeiter in der angeschlossenen Weißblechfabrik. Unter verschiedenen Pächtern arbeitete der Hammer bis 1873.

Mühlen:

Erbleih- oder Klostermühle, später Elektrizitätswerk Lippoldsberg: Westlich des Klosters befand sich die mit dem Wasser der Schwülme betriebene Mühle, die nach der Säkularisierung der Landgrafschaft zufällt und zur Erbleihe ausgetan wird. Betrieben mit dem Wasser der Schwülme über einen Mühlgraben, ab 1938 mit zwei Turbinen. Im 19. Jahrhundert zwei Mahlgänge und ein Schlaggang

Pfropfesche Mühle, später Stellmacherei Glasewald, zum Betrieb von Stellmachereimaschinen, 1937 eingestellt

Kurfürstlich-Hessische Wasserkunst, Teil des Eisenhammers, bis 1937 durch ein mittelunterschlächtiges Wasserrad betrieben

Kohlenstaubmühle durch zwei mittelschlächtige und einem dritten Wasserrad betrieben, spätestens1972 aufgegeben

Nachweise

Literatur:

Zitierweise
„Lippoldsberg, Landkreis Kassel“, in: Historisches Ortslexikon <https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/ol/id/2082> (Stand: 23.4.2024)