Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessische Biografie

Portrait

Ludwig IV. Großherzog von Hessen und bei Rhein
(1837–1892)

Symbol: Anzeigemodus umschalten Symbol: Anzeigemodus umschalten Symbol: Druckansicht

Hessen und bei Rhein, Ludwig IV. Großherzog von [ID = 1326]

* 12.9.1837 Bessungen, † 13.3.1892 Darmstadt, evangelisch-lutherisch
Dr. h.c. – Offizier, Abgeordneter
Biografischer Text

Ausbildung und persönliche Neigungen Ludwigs galten zunächst dem Offiziersberuf; doch war relativ früh klar, dass ihm angesichts der Kinderlosigkeit Großherzog Ludwigs III. die Nachfolge des Onkels zufallen würde, die Vater Karl aus Gesundheitsgründen ausgeschlagen hatte. Die 1854 begonnene Grundausbildung als Leutnant des Darmstädter Leibgarde-Regiments wurde 1856/57 durch drei Studiensemester unterbrochen: zunächst in Göttingen, wo die Brüder Ludwig und Heinrich vor allem Geschichte bei Georg Waitz und Nationalökonomie hörten, dann an der Landesuniversität Gießen. Inzwischen Hauptmann, folgte Ludwig nicht der Einladung des in Österreich dienenden Onkels Alexander, sondern ging auf Anraten der Mutter, wiederum gemeinsam mit Heinrich, 1859 zur Vertiefung der militärischen Kenntnisse nach Potsdam. Aus den freundschaftlichen Kontakten zum preußischen Thronfolgerpaar, dem im Vorjahr mit der britischen Princess Royal Victoria verheirateten Kronprinzen Friedrich Wilhelm, ergab sich im Sommer 1860 die Einladung der Brüder nach England, die zur Verlobung Ludwigs mit Princess Alice führte.

Mit der Heirat 1862 kehrte Ludwig als Oberst und Mitinhaber des hessischen 1. Reiterregiments Chevauxlegers nach Darmstadt zurück, blieb jedoch zugleich Oberstleutnant à la Suite seines preußischen 1. Garderegiments. In den Kämpfen gegen Preußen im Krieg von 1866 kommandierte Ludwig zunächst die hessische Reiterbrigade in den Gefechten am Main, hatte aber nach Friedensschluss als Generalleutnant und Kommandeur der Großherzoglich Hessischen Division maßgeblichen Anteil an der 1868 vollzogenen Eingliederung in die preußische Armee, die sich im Krieg 1870/71 bewähren sollte. Ende 1869 begleitete Ludwig den Berliner Schwager Kronprinz Friedrich auf seiner Orientreise zur Einweihung des Suez-Kanals.

Seit dem Tod des Onkels im Juni 1877 regierender Großherzog, hat Ludwig IV. den mit Ministerpräsident Julius Freiherr Rinck von Starck (1825–1910) schon vorher entwickelten konstitutionellen Regierungsstil nach britischem Muster in weitgehender Übereinstimmung mit der nationalliberalen Landtagsmehrheit beibehalten und mit dem 1884 nachfolgenden Regierungschef Jakob Finger (1825–1904) weitergeführt. Auf die Erziehung der beim Tod der erst 35jährigen Großherzogin 1878 sämtlich noch minderjährigen Kinder nahm die britische Großmutter Victoria ebenfalls erheblichen Einfluss. Die im März 1884 gefeierte Hochzeit der ältesten Tochter Victoria mit Ludwigs Vetter, dem britischen Seeoffizier Ludwig von Battenberg, war der erste Schritt zum weiteren Ausbau der europäischen Verflechtung des hessischen Fürstenhauses, die man später als Hessian Tapestry bezeichnen sollte. Die wenig glückliche Zusammenlegung mit der morganatischen Trauung des Brautvaters mit Alexandrine von Kolemin, der geschiedenen Frau eines russischen Diplomaten, noch am selben Abend endete mit der von der Familie erzwungenen Trennung von der mit dem Titel einer „Gräfin von Romrod“ abgefundenen Kohlemine, dem kleineren Übel der späteren Mundartkomödie Ludwig Bergers (1892–1969).

Eckhart G. Franz

(Text identisch mit: Franz, Das Haus Hessen, S. 355-357)


Literatur