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Hirzenhain, „Arbeitserziehungslager“ (AEL) für Frauen, „Erweitertes Frauengefängnis“

Hirzenhain, Gemeinde Hirzenhain, Wetteraukreis | Historisches Ortslexikon
In der NS-Zeit: südlich der Straße nach Glashütten
Klassifikation | Nutzungsgeschichte | Indizes | Nachweise | Abbildungen | Zitierweise
Klassifikation

Kategorie:

Justiz

Subkategorie:

Arbeitserziehungslager 

Nutzungsgeschichte

Objektbeschreibung:

Das Lager war im Sommer 1944 auf dem Firmengelände der Breuer-Werke, im Lagerbereich III angesiedelt worden. Es bestand aus zwei Steinhäusern, einer Holzbaracke sowie sechs Behelfsbaracken aus Holz, die 20 Quadratmeter groß waren. Der Bau von drei weiteren Baracken war ebenfalls noch für das Jahr 1944 vorgesehen. Zudem befand sich ein Wasserturm im Lagerbereich III. Bewacht wurde das Lager von 15 Aufseherinnen und einer zwölfköpfigen Wachmannschaft. Es diente zum einen der Disziplinierung der Zwangsarbeiterinnen in der Region aber zugleich auch der Einschüchterung der deutschen Bevölkerung.

Beschreibung:

In Hirzenhain bestand ein Arbeitserziehungslager (AEL) der Frankfurter Gestapo. Für die Einrichtung dieses Lagers in Hirzenhain hatte zum einen die Lage des Ortes, die Luftangriffe erschwerte und zum anderen die günstige infrastrukturelle Lage des Ortes, gesprochen. Entscheidend war aber, dass bei den Breuer-Werken die Panzerteilherstellung nur durch den dortigen Einsatz von polnischen Arbeitskräften garantiert werden konnte. Die Polinnen wurden auch nach der Verbüßung ihrer regulären Haftstrafen von den Werken eingesetzt, was zu einem Konflikt zwischen der Werksleitung und der Darmstädter Justiz geführt hatte. Um diesen zu lösen wurde das AEL auf dem Werksgelände errichtet. Hier konnten nun die Frauen weiter im Werk eingesetzt werden.

Durchschnittlich war da Lager mit 170 bis 180 Häftlingen belegt, die vorwiegend aus der Sowjetunion, Deutschland, Frankreich und Polen, sowie aus Belgien, Litauen, den Niederlande, Italien, Bulgarien und Luxemburg stammten. Ihre Lagerzeit hier dauerte im Schnitt acht Wochen. In dieser Zeit rodeten sie Wälder, arbeiteten im Steinbruch bei Nidda oder hoben Luftschutzgräben aus. In der Rüstungsproduktion selbst wurden sie wohl nicht eingesetzt.

Mitte 1944 wurde ein dritter Lagerbereich auf dem Gelände der Breuer-Werke errichtet- es existierten bereits eigene Lagerbereiche für ein Strafgefangenenaußenkommando und für die Zwangsarbeiter. In dem neuen Bereich errichtet die Gestapo Frankfurt ein ihr unterstelltes „Arbeitserziehungslager“ für Frauen. Bezeichnet wurde es „Erweitertes Frauengefängnis“. Diese Einrichtung war das weibliche Äquivalent zum Männer-AEL Heddernheim.

Die Frankfurter Gestapo-Kartei wurde vermutlich am 21. März 1945 in das erweiterte Polizeigefängnis für Frauen transportiert. Die Kartei wurde im Wasserturm der Werke zurückgelassen.

Der in Wiesbaden ansässige Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des SD Rhein-Westmark – formell der Stapo-Stelle Frankfurt am Main unmittelbar vorgesetzt – beanspruchte Hirzenhain als Ausweichlager für sich und postierte spätestens am 18. März 1945 dort ein Vorauskommando. „In der Nacht vom 23. auf den 24. März wurde das Lager definitiv von ihm übernommen und stand damit der Frankfurter Gestapo nicht mehr zur Verfügung. [...] Als wenig später – am 24. März gegen 1 Uhr früh – 44 weibliche Häftlinge des gerade 'freigemachten' Polizeigefängnisses Frankfurt/Main in Hirzenhain eintrafen, wurden sie kurzerhand in eben diesen Wasserturm gesperrt. In den frühen Morgenstunden des 26. März wurden diese – zusammen mit weiteren Häftlingen – in der Nähe des Lagers von einem Kommando des Befehlshabers der Sicherheitspolizei/SD Rhein-Westmark erschossen: 81 Frauen, [überwiegend aus Polen und Rußland, vgl. Rack, Augustin, Wetterau, S. 64.] und sechs Männer. Ihr Massengrab wurde erst am 4. Mai ausgehoben, fünf Wochen nach der Einnahme Hirzenhains durch US-Truppen.“ [Volker Eichler, Die Frankfurter Gestapo-Kartei. Entstehung, Struktur, Funktion, Überlieferungsgeschichte und Quellenwert, in: Paul, Gerhard/Mallmann, Klaus-Michael (Hrsg.), Die Gestapo – Mythos und Realität, Darmstadt 1995, S. 192.]

Unmittelbar nach den Erschießungen wurde am 26. März 1945 das AEL von der Lagerleitung geräumt.

Nutzungsanfang (früheste Erwähnung):

1. August 1944

Nutzungsende (späteste Erwähnung):

26. März 1945

Nutzung nach NS-Zeit:

Nach dem Krieg wurden in den Baracken Flüchtlinge und Heimatvertriebene untergebracht.

Indizes

Orte:

Hirzenhain

Sachbegriffe:

Gestapo · Arbeitserziehungslager · Justiz · Verfolgung · Wirtschaft

Nachweise

Literatur:

Zitierweise
„Hirzenhain, „Arbeitserziehungslager“ (AEL) für Frauen, „Erweitertes Frauengefängnis““, in: Topographie des Nationalsozialismus in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/nstopo/id/5> (Stand: 29.6.2022)