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Kurfürstentum Hessen 1840-1861 – 9. Hofgeismar

Meimbressen Karten-Symbol

Gemeinde Calden, Landkreis Kassel — Von Michael Dorhs
Basisdaten | Geschichte | Betsaal / Synagoge | Weitere Einrichtungen | Nachweise | Indizes | Empfohlene Zitierweise
Basisdaten

Juden belegt seit

1387

Lage

34379 Calden, OT Meimbressen, An der Nebelbeeke 3 | → Lage anzeigen

Rabbinat

Niederhessen (Kassel)

erhalten

nein

Jahr des Verlusts

1949

Art des Verlusts

Abbruch

Gedenktafel vorhanden

ja

Weitere Informationen zum Standort

Historisches Ortslexikon

Geschichte

Der älteste Hinweis auf jüdisches Leben in Meimbressen stammt aus dem Jahr 1356. In diesem Jahr bekamen die Wölffe von Gudenberg vom Mainzer Erzbischof das Recht verliehen, als Grundherren im Dorf Juden anzusiedeln, die ihrerseits für dieses Privileg verschiedene Steuern und Abgaben als „Judenschutzzoll“ zu zahlen hatten. 1387 ist die Niederlassung sog. „Schutzjuden“ in Meimbressen erstmals urkundlich erwähnt.1 Möglicherweise gab es seitdem durchgehend eine jüdische Gemeinde in Meimbressen,2 auch wenn die urkundlichen Nachweise erst im 17. Jahrhundert deutlich zunehmen. So ist z.B. in der „Specification der Juden im Lande Anno 1646“ ein „Calman zu Meimbressen“ aufgeführt.3 Da als einzigem Dorf in Hessen im Gottesdienst der Meimbresser Juden polnische Gebräuche (Minhagim) erhalten geblieben waren, hat sich in der regionalhistorischen Forschung die Annahme durchgesetzt, dass als Folge des Chmelnyzkyj-Aufstandes in Polen (1648-1660) jüdische Flüchtlinge von dort im Dorf Aufnahme fanden.4 Schon früh hat in einem Privathaus – der ostjüdischen Tradition entsprechend – ein Schulraum oder Lehrzimmer für jüdische Jungen (Cheder) bestanden.5 Überliefert ist auch, dass bereits vor der Einrichtung einer jüdischen Elementarschule 1844 ein polnischer Rebbe namens Wolff Katz († 1857) in Meimbressen als Vorsänger und Schächter amtierte.6

Kontinuierlich stieg der jüdische Anteil an der Gesamtbevölkerung des Dorfes an. 1740 lebten 50 Juden in Meimbressen7 „12 Schutz- und Handelsjuden, 14 Weiber, darunter 2 Witwen, 13 Söhne und 11 Töchter.“8 1824 hatte sich die Zahl der jüdischen Einwohner mit 95 fast verdoppelt.9 1861 betrug der jüdische Bevölkerungsanteil mit 134 Personen 18,21 Prozent der Dorfbevölkerung.10 Damit war Meimbressen zu dieser Zeit die relativ größte von sieben Synagogengemeinden im Kreis Hofgeismar nach der Stadt Hofgeismar selbst. 1872 stieg die Anzahl der Juden in Meimbressen mit 142 Juden11 (= 19 Prozent12) auf ihren Höchststand, bevor sie seit Anfang des 20. Jahrhunderts – wie in den übrigen Landgemeinden des Kreises Hofgeismar bereits seit der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts – langsam, aber beständig zurückging. 1933 lebten noch 70 Jüdinnen und Juden im Dorf13, die ca. 11 Prozent der Gesamtbevölkerung ausmachten.14

Die ökonomische Grundstruktur innerhalb der jüdischen Gemeinschaft war maßgeblich durch den Viehhandel bestimmt. Hinzu kamen Gemischtwaren- und Lebensmittelgeschäfte sowie die Bewirtschaftung kleinerer landwirtschaftlicher Flächen.

Aus den jüdischen Familien, die 1933 noch in Meimbressen lebten, starben in den Jahren der Nazi-Diktatur sieben Frauen und Männer eines natürlichen Todes. 46 Personen gelang es, noch rechtzeitig u.a. in die USA, nach Erez-Israel (Palästina), Südafrika, Brasilien und Argentinien zu emigrieren. 36 Jüdinnen und Juden wurden in von Deutschen angelegten Ghettos, Konzentrations- und Vernichtungslagern ermordet. Hinzu kommen neun in Meimbressen geborene Angehörige, die schon lange in anderen Städten gelebt hatten und von dort den Weg in die Vernichtung antreten mussten. Drei weiteren Meimbresser Frauen, die ebenfalls mit ihren Angehörigen ins KZ deportiert worden waren, gelang es, die Lagerhaft und die Todesmärsche zu überleben. Zwei von ihnen sind 1946/47 nach Israel bzw. in die USA emigriert, eine in Deutschland 1947 verstorben. Dauerhaft nach Meimbressen zurückgekehrt ist nach 1945 niemand.

Betsaal / Synagoge

Die bisher älteste Nachricht von der Existenz einer Synagoge in Meimbressen stammt aus dem Jahre 171215: Jakob Kugelmann, Sohn des Michael Kugelmann, wird als Eigentümer eines Wohnhauses „mit Synagoge und Garten“ genannt.16 Vom Beginn des 19. Jahrhunderts ist in alten Gemeindeakten belegt, dass Moses Goldwein in seinem Haus eine Stube als Betraum eingerichtet hatte, die von der Gemeinde unentgeltlich genutzt werden konnte. Zumindest kleinere Reparaturen und Ankäufe – z.B. 1837 ein neues Pult für den Vorbeter – musste sie aber selbst übernehmen.

Offenbar erwies sich dieser Raum im Laufe der Jahre zunehmend als ungeeignet für seinen Zweck als Privatsynagoge, denn am 6.5.1831 erwarb die jüdische Gemeinde von Elisabeth Meyer für 320 Reichstaler ein altes unbewohntes Bauernhaus, das sie für gottesdienstliche und unterrichtliche Zwecke umbauen wollte. Bemerkenswerterweise trat nicht die Gemeinde als Käuferin auf, sondern aus dem Kreis der ungefähr 25 jüdischen Familien „16 israelitische Staatsbürger von Meimbressen“, auf deren Namen („Rosenbaum und Genossen“) Gebäude und Grundstück auch grundbuchlich eingetragen wurden.17 Die Gemeinde als Ganze hatte aber das – allerdings erst 1879 unter dem Gemeindeältesten Simon Blankenberg († 1893) eingetragene – Nutzungsrecht. Schließlich erfolgte 1928 auf Betreiben des Vorsteheramtes der Israeliten in Kassel endlich der Eigentümerwechsel zugunsten der Synagogengemeinde.18

1833 hatte Kreisrat Giesler aus Hofgeismar die bisher in Meimbressen vorhandene Privatsynagoge selbst in Augenschein genommen und diese „in einem so schlechten Zustande gefunden, daß allerdings der Bau einer neuen Synagoge sehr wünschenswert“ erschien.19 Dennoch konnte der Umbau des angekauften Gebäudes zur Synagoge mit einem Schullokal, einer Lehrerwohnung und einer Mikwe erst neun Jahre später in Angriff genommen werden. Finanzielle Gründe waren dafür ausschlaggebend, „da die israelitische Gemeinde zu Meimbressen zu unvermögend ist, um die nötigen Kosten auf die angetragene Weise herbeizuschaffen.“20 So musste sich die Gemeinde die benötigte Geldsumme für die Baumaßnahme borgen und zusätzliche Spenden akquirieren. Bekannt ist, dass der damalige Gemeindeälteste Samuel Katzenstein († 1872) „einen ziemlichen Betrag, 252 Taler, 10 Sgr. 2 Heller“21 durch Spenden – vermutlich nicht nur von Meimbresser jüdischen Familien – aufgebracht hatte. Im November 1841 gestattete die Regierung in Kassel „den Gemeinde-Ältesten zu Meimbressen bzw. dem Provinzial-Vorsteheramte (…) zu veranlassen, dass die Sammlungen in sämtlichen Synagogen-Gemeinden der Provinz durch die betreffenden Gemeinde-Ältesten oder sonst geeignete Personen veranstaltet werden.“22 In der Folge werden Kollektengelder aus den Landkreisen Melsungen, Eschwege und Fritzlar erwähnt.

Nachdem Landesbaumeister Schnackenberg (Hofgeismar) 1835 und 1840 einen Riss und einen Kostenvoranschlag erstellt hatte, konnte der Umbau des Gebäudes am 1.6.1842 endlich begonnen werden. 500 Reichstaler musste sich die jüdische Gemeinde borgen und gemeinschaftlich für diese Summe bürgen. Bis 1870 war der gesamte Betrag vollständig zurückgezahlt. Außerdem wurde von den damals 20 Steuerpflichtigen nach dem Fuß der Klassensteuer der Betrag von 403 Talern und 10 Silbergroschen erhoben. Neu hinzukommende Gemeindemitglieder mussten vor ihrer Heirat für das Synagogen- und Schulhaus je nach Klassensteuer Einkaufsgelder zahlen, ohne aber dadurch Miteigentümer des Gebäudes zu werden. Sofern eine Quittung über das gezahlte Einkaufsgeld fehlte, wurde die Genehmigung zur Trauung versagt! Die Jüdische Gemeinde selbst musste für das Gebäude finanzielle Beiträge zum Landwegebau („18 Silbergroschen, 2 Heller“23) und eine Steuer für den Feldhüter zahlen. Zusätzlich bestand die Verpflichtung, sog. „Läutekorn“ („2 ½ Metze“24) zu entrichten.

Bei dem auf einem Bruchsteinsockel errichteten Synagogengebäude (Haus Nr. 87, heute: An der Nebelbeke 3) handelte es sich um ein zweigeschossiges Gebäude, das z.T. in Fachwerkbauweise, teilweise aber auch massiv mit Ziegelmauerwerk auf einem rechteckigen Grundriss mit einem steilen Satteldach errichtet worden war. Zunächst wurde der rechte Gebäudeteil umgebaut. In ihm befand sich mit einem separaten Eingang der Synagogenraum einschließlich einer Frauenempore im Obergeschoss, zwei dreifach unterteilten Rundbogenfenstern und einer Auslucht in der Ostwand für den Thoraschrein. Ebenfalls im Erdgeschoss wurde das Ritualbad (Mikwe) der Gemeinde eingerichtet.25 Der erst in den Folgejahren hinzugekommene Schulraum und die Lehrerwohnung waren durch eine zweite – schmalere – Eingangstür im westlichen Teil des Gebäudes zugänglich.26 Ein entsprechender Umbau erfolgte mutmaßlich im Zuge der Gründung einer jüdischen Volksschule in Meimbressen 1844.27 Hier gab es ursprünglich auch einen separaten Raum mit einem Backofen, um jedes Jahr vor Pessach Mazzen backen zu können, zu dessen Nutzern, bis zu seiner Zerstörung durch einen Brand, auch auswärtige Juden gehörten.28

Am 5.11.1842 wurde der Synagogenraum unter Beteiligung zahlreicher auswärtiger Gäste29 eingeweiht. Die Gesamtsumme für den Umbau und die Einrichtung betrug 1.342 Taler, 24 Silbergroschen und 8 Heller. Die Weiherede hielt der Zierenberger Lehrer Jakob Gutkind (1800-1884). Zur Erinnerung an den Umbau wurde am Gebäude selbst eine eichene Bohle mit folgender eingeschnitzter Inschrift angebracht: „Zur Ehre Gottes und unter seinem Beistande wurde von der israelitischen Gemeinde unter den Gemeindeältesten Neuhahn und Katzenstein der Bau der Synagoge ausgeführt am 1. Juni 1842.“30

Bekannt ist, dass die Synagoge in ihrer beinahe hundertjährigen aktiven Nutzung dreimal renoviert wurde. Ungefähr 1897 erhielt der Synagogenraum auf Betreiben von Lehrer Abraham Hammerschlag (1857-1908) einen Holzfußboden, der von den Anfang der 1860er Jahre aus Meimbressen nach Cumberland (USA) emigrierten Brüdern Simon (1846-1922) und Susmann (1851-1932) Rosenbaum finanziert wurde. Beide hatten es als Betreiber des zeitweise größten Kaufhausgebäude zwischen Baltimore und Pittsburgh zu Wohlstand gebracht. Sie stellten fünf Jahre später noch einmal einen Geldbetrag zur Verfügung, so dass auch das Innere der Synagoge renoviert werden konnte.31 1926 berichtete die „Jüdische Wochenzeitung für Cassel, Hessen und Waldeck“ (JWC), dass es nach einer anderthalbjährigen erfolgreichen Sammlungstätigkeit von Lehrer Löwenstein möglich war, eine neue massive Wand zu ziehen, ein neues Dach zu machen sowie Putz und Anstrich zu erneuern. „Das Innere der Synagoge ist in künstlerischen Farbentönen hergestellt; eine neue Menora und schöne Ampeln erleuchten den Raum auf’s beste. Der Fußboden ist mit Teppichen belegt.“32 Auch hier hatten wieder die Brüder Rosenbaum und der ebenfalls aus Nordhessen in die USA emigrierte Kaufmann Max Klee (Chicago) einen namhaften finanziellen Beitrag geleistet. Im August 1926 konnte wieder in dem renovierten Gebäude Gottesdienst gefeiert werden. Überliefert ist, dass Lehrer Herbold Löwenstein eine „zu Herzen gehende Ansprache“ hielt, „welcher er ein Textwort des Propheten Haggai zugrunde legte. Die ganze Gemeinde, Männer und Frauen, nahmen in Andacht die Worte entgegen, und allen Teilnehmern wird diese Stunde ein Markstein im Gemeindeleben bedeuten. Erwähnt sei noch, daß ein zufällig hier weilender Oberkantor aus Leipzig die Gebete vortrug und dadurch zur Feier beigetragen hat.“33

Der Gottesdienstraum war für 46 Männer und auf der Empore noch einmal für 30 Frauen ausgelegt.34 Vor dem Thoraschrein (Aron Hakodesch) mit seinem goldbestickten Vorhang (Parochet) stand eine zweigeteilte asymmetrische Beschneidungsbank,35 rechts daneben an der Wand das Lesepult für den Vorbeter bzw. Kantor (Omed). Dominiert wurde der Raum durch das Podest (Bima) mit Vorlesepult und Wickelbank. Nach der Aussage des emigrierten Adolf Goldwein aus dem Jahr 1952 besaß die Meimbresser Gemeinde fünf Thorarollen (Sefer Thora).36

Im damaligen Landkreis Hofgeismar war die Meimbresser Synagoge die einzige, die im Zusammenhang des reichsweiten Novemberpogroms 1938 „demoliert“ wurde.37 Dies geschah am helllichten Tage des 10. November 1938. Ein auswärtiges SA-Rollkommando, allerdings auch unter Beteiligung von Meimbressern,38 brach die Türen in das verschlossene Gebäude auf und verwüstete die Inneneinrichtung des Synagogenraums. Der Kronleuchter wurde herabgerissen, religiöse Literatur und Gebetbücher aus dem Wandregal bzw. den Fächern in den Bankreihen gewaltsam entfernt; Thorarollen und Kultgegenstände, darunter 20 Thoramäntel und drei Vorhänge für den Schrein, fünf Thorazeiger (Jad Thora), eine Thorakrone (Keter Thora) und zwei silberne Chanukka-Leuchter39, wurden z.T. in die Nebelbeke geworfen. Vier geschändete Thorarollen sollen später – den religiösen Vorschriften entsprechend – von Mitgliedern der jüdischen Gemeinde heimlich auf dem jüdischen Friedhof beerdigt worden sein.40 Eine Sefer Thora konnte gerettet und vom damaligen Gemeindevorsteher Jakob Frankenberg († 1943 in Theresienstadt) nach Kassel zur Verwahrung in die dortige Jüdische Gemeinde gebracht werden.41

Anfang der 1940er Jahre wurde in den Räumen des Synagogengebäudes ein Kindergarten eingerichtet.42 Nach dem 2. Weltkrieg erwarb die Gemeinde Meimbressen die frühere Synagoge von der IRSO43 und ließ sie – aufgrund der angespannten Wohnraumlage durch die vielen Flüchtlinge und Vertriebenen aus den deutschen Ostgebieten – zu einem Wohnhaus umbauen.44 In diesem Zusammenhang wurde, vermutlich bereits 1949, zunächst der leere Synagogensaal und dann 1970 auch der Westteil mit den Schulräumen abgebrochen.45 Von dem ursprünglichen Gebäude steht heute nur noch der umgebaute Mittelteil. Neben dem Gebäude befindet sich auf einer Rasenfläche seit 1988 ein Gedenkstein mit folgendem Text: „Aus der Tiefe rufe ich, Herr, zu dir. Herr höre meine Stimme. (Ps. 130, 1 und 2). Hier stand die Synagoge der jüdischen Gemeinde (Nov. 1842 – Nov. 1938). Dieses Gotteshaus wurde am 10. Nov. 1938 durch nationalsozialistische Gewalttäter zerstört. Juden wurden vertrieben, verschleppt und getötet. Dieses Unrecht wird nicht vergessen. Herr, vergib uns unsere Schuld! Die politische Gemeinde Calden. Die evang. Kirchengemeinden der Großgemeinde Calden. Die kath. Kirchengemeinde Grebenstein-Calden. Meimbressen, November 1988“

Weitere Einrichtungen

Weitere Einrichtungen

Für die Meimbresser Gemeinde listet der „Führer durch die jüdische Gemeindeverwaltung und Wohlfahrtspflege in Deutschland. 1932-1933“ zwei wohltätige Vereinigungen46 auf: (1) „Chewrah Gemilus Chesed“ mit dem Zweck allgemeiner Wohltätigkeit unter dem Vorsitz von Levy Frankenberg (1873-1942) und (2) „Chewras Noschim“ unter dem Vorsitz von Ida Goldwein (1883-1941). Zweck und Arbeitsgebiet dieser Vereinigung war die Unterstützung der Armen im Ort und Durchreisender. Mitgliederzahlen werden nur für die „Chewras Noschim“ genannt: 20 Personen.

Außerhalb der jüdischen Gemeinde amtierte in der 1925 neu gegründeten Ortsgruppe Meimbressen des „Vaterländischen Frauenvereins“ Herbold Löwenstein als Schriftführer. Rosa Frankenberg, geb. Kander (1880-1944), Frau des jüdischen Gemeindeältesten, war ein weiteres Vorstandsmitglied im Verein,47 der in der jüdischen Bevölkerung einen starken Rückhalt hatte.

Schule

Eine israelitische Elementarschule wurde 1844 gegründet. Sie war im Westteil des Synagogengebäudes untergebracht und bestand bis zu ihrer Aufhebung 1933/34. Über ihre Geschichte existiert von dem letzten dort tätigen Lehrer Herbold Löwenstein (1872-1944) ein kenntnisreicher Aufsatz aus dem Jahr 1926.48 In seiner 24jährigen Amtszeit war Löwenstein eine prägende Persönlichkeit innerhalb der jüdischen Gemeinde und genoss auch darüber hinaus im Dorf hohes Ansehen. Da „zwischen der evangl. und der israel. Schule in Meimbressen (…) das beste Einvernehmen [besteht], ebenso zwischen den beiden Bekenntnissen in der Bevölkerung,“49 unterrichtete er immer wieder vertretungsweise auch die nichtjüdischen Kinder in der Volksschule am Opferberg.50 Seit Ostern 1933 besuchten die wenigen jüdischen Schulkinder – 1932 waren es noch 1351 – die Evangelische Volksschule des Dorfes. Löwenstein selbst wurde zum 1.5.1933 zunächst beurlaubt und dann zum 1.1.1934 in den Ruhestand versetzt.52

Friedhof

Die Existenz eines jüdischen Friedhofs ist seit Anfang des 18. Jahrhunderts belegt. Der älteste bekannte Grabstein stammt aus dem Jahr 1700.53 Oberhalb des Ortes am Hollenberg gelegen, wurde der Friedhof auf dem Grundbesitz der Familie Wolff von Gudenberg angelegt. Ursprünglich soll er 13.030 Quadratmeter groß gewesen sein; er diente bis ca. 1845/55 auch u.a. den Juden aus Grebenstein, Zierenberg und Niedermeiser als Begräbnisstätte. 1863 fordert die Gutsverwaltung des Grundherrn die Rückgabe des unbenutzten Teils des Friedhofs, die wohl auch erfolgt ist.54 Heute umfasst das gesamte Friedhofsgelände mit 7.230 Quadratmetern nur noch etwas mehr als die Hälfte der mutmaßlichen Ursprungsgröße.55 Die letzte Beisetzung eines Gemeindemitglieds fand im Januar 1938 statt.56 In den Jahren der Nazi-Zeit blieb der Meimbresser Friedhof als zentraler „Judentotenhof“ des Kreises Hofgeismar57 bis mindestens Oktober 1942 geöffnet. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Meimbresser Bürgermeister die „Entwesung“ des Friedhofs und dessen Ankauf durch die politische Gemeinde beantragt, weil „in der hiesigen Gemeinde keine Juden mehr anwesend sind.“58 In der Nazi-Zeit wurde der Friedhof im Zusammenhang des Novemberpogroms 1938 geschändet. Gewaltsam umgestürzte Grabsteine mussten nach Kriegsende auf Kosten der politischen Gemeinde im Herbst 1945 wieder aufgerichtet werden.59 Bis heute sind bei zahlreichen Steinen die Spuren der Friedhofsschändung (herausgeschlagene Tafeln mit den persönlichen Daten der Begrabenen) unübersehbar. 1988 wurde neben dem Eingangstor ein Gedenkstein zur Erinnerung an die in der Shoah ermordeten Meimbresser Jüdinnen und Juden errichtet. Dessen Inschrift hat folgenden Wortlaut: „Friedhof der jüdischen Kultusgemeinde Meimbressen. 17. Jahrhdt. – 20. Jahrhdt. Wenn der Ewige Zion neu erstehen läßt, sind wir wie vom Traum erwacht.- (Ps. 126) Av Harachamim (Vater des Erbarmens), der im Himmel thront, in seinem mächtigen Erbarmen wird er barmherzig der Frommen gedenken, der heiligen Gemeinden, die ihr Leben hingaben zur Heiligung des göttlichen Namens.“

Der Friedhof befindet sich heute im Besitz des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden in Hessen.

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Grabstätten

Meimbressen, Jüdischer Friedhof: Grabstätten anzeigen

Nachweise

Weblinks

Quellen

Literatur

Abbildung vorhanden

(in Bearbeitung)

Indizes

Personen

Gudenberg, Wölffe von · Calman · Katz, Wolff · Kugelmann, Jakob · Kugelmann, Michael · Goldwein, Moses · Meyer, Elisabeth · Rosenbaum · Blankenberg, Simon · Giesler, Kreisrat · Katzenstein, Samuel · Schnackenberg, Landesbaumeister · Gutkind, Jacob · Neuhahn, Gemeindeältester · Hammerschlag, Abraham · Rosenbaum, Simon · Rosenbaum, Susmann · Klee, Max · Löwenstein, Herbold · Goldwein, Adolf · Frankenberg, Jakob · Frankenberg, Levy · Goldwein, Ida · Frankenberg, Rosa, geb. Kander · Kander, Rosa · Gudenberg, Wolff von, Familie

Orte

Hofgeismar · USA · Palästina · Südafrika · Brasilien · Argentinien · Zierenberg · Cumberland · Baltimore · Pittsburgh · Chicago · Kassel · Grebenstein · Niedermeiser

Sachbegriffe Geschichte

Chmelnyzkyj-Aufstand · Novemberpogrome · Theresienstadt, Ghetto · Zweiter Weltkrieg · Meimbressen, Chewrah Gemilus Chesed · Meimbressen, Chewras Noschim · Meimbressen, Vaterländischer Frauenverein

Sachbegriffe Ausstattung

Thoraschreine · Menorot · Ampeln · Teppiche · Vorhänge · Beschneidungsbänke · Lesepulte · Podeste · Vorlesepulte · Wickelbänke · Thorarollen · Aron Hakodesch · Parochet · Bima · Omed · Sefer · Kronleuchter · Thoramäntel · Vorhänge · Thorazeiger · Jad · Thorakronen · Keter Thora · Chanukkaleuchter

Sachbegriffe Architektur

Bruchsteinsockel · Ziegelstein · Satteldächer · Frauenemporen · Rundbogenfenster · Ausluchten

Fußnoten
  1. E. Wolff von Gudenberg, Meimbressen, 2006, S. 18
  2. A. Wolff von Gudenberg: Familienbuch; ungedr. Ms. [4 Teile]; vorhanden im Familienarchiv Dr. Alexander Wolff v. Gudenberg, Meimbressen
  3. HStAM 5, 2347
  4. Arnsberg, Jüdische Gemeinden, 1971, Bd. 2., S. 64
  5. Löwenstein, Die Synagoge zu Meimbressen, 1927, S. 4
  6. Löwenstein, Die jüdische Schule zu Meimbressen, S. 106
  7. HStAM, Fach 0588: Beschreibung des Dorfes Meimbressen
  8. Löwenstein, Altes aus der Gemeinde Meimbressen, 1931, S. 2; Jahreszahl korrigiert nach der „Beschreibung des Dorfes Meimbressen aus dem Jahr 1740.“ Diese Größenordnung entspricht in etwa der Aufstellung in der „Judenstättigkeit“ aus dem Jahr 1744, in der für Meimbressen 13 Juden namentlich genannt werden, die „mit ihren Familien / bis zu anderwärter [sic!] Verordnung / geduldet werden mögen“. Hinzu kam ein weiterer bis zu seiner Verheiratung im Dorf geduldeter junger jüdischer Mann, der im Haushalt seines Vaters verbleiben durfte; vgl. K. E. Demandt, Die hessische Judenstättigkeit von 1744. In: HJL 23 (1973), S. 297 und 313
  9. HStAM 18, 2720
  10. Arnsberg, Jüdische Gemeinden, 1971, Bd. 2., S. 64 und Röhring, Bevölkerungsgeschichte, 1989, S. 80 f.
  11. C.W.H. Hochhuth, Statistik der ev. Kirche, 1872, § 149, S. 248 f.
  12. Dieser prozentuale Anteil ist noch einmal für das Jahr 1895 nachgewiesen; vgl. Th. Klein, Die Hessen als Reichstagswähler. Tabellenwerk zur politischen Landesgeschichte 1867-1933. Erster Band: Provinz Hessen-Nassau und Waldeck-Pyrmont 1867-1918. Marburg 1989 (= Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Hessen 51), S. 1080
  13. HStAM 180 Hofgeismar, 3524, Bl. 80
  14. Zum Vergleich: Der Anteil der sog. „Glaubensjuden“ im gesamten Kreis Hofgeismar betrug lediglich 0,5 %; vgl. Th. Klein (Hg.), Der Regierungsbezirk Kassel 1933-1936. Die Berichte des Regierungspräsidenten und der Landräte. Darmstadt/Marburg 1985 (= Quellen und Forschungen zur hessischen Geschichte 64), S. 872
  15. An anderer Stelle wird diese Nachricht sechzig Jahre später in das Jahr 1772 datiert. Handelt es sich hier um einen Abschreibfehler ähnlich aussehender Zahlen? Vgl. Löwenstein, Altes aus der Gemeinde Meimbressen, 1931, S. 2
  16. Ludwig Horwitz. In: JWC 4 (1927), Nr. 45, S. 6
  17. Löwenstein, Die Synagoge zu Meimbressen, 1927, S. 4
  18. Löwenstein, Altes aus der Gemeinde Meimbressen, 1931, S. 2; außerdem: Neuhahn, Die Synagoge zu Meimbressen, 1926, S. 2 f.
  19. HStAM, 18, 2700: Kreisrath Giesler (Hofgeismar) an die Kurfürstliche Regierung in Kassel v. 14.7.1833
  20. HStAM, 18, 2700: Vorsteheramt der Israeliten der Provinz Niederhessen an die Kurfürstliche Regierung in Kassel v. 25.10.1841
  21. Löwenstein, Die Synagoge zu Meimbressen, 1927, S. 4
  22. HStAM, 18, 2770: Auszug aus dem Protokolle kurfürstlicher Regierung der Provinz Niederhessen v. 3.11.1841
  23. Löwenstein, Die Synagoge zu Meimbressen, 1927, S. 4
  24. Löwenstein, Die Synagoge zu Meimbressen, 1927, S. 4
  25. HHStAW, 518, 1327: Brief der JRSO (Frankfurt/M.) an den RP / Entschädigungsbehörde (Kassel), 24.3.1958
  26. Altaras, Synagogen in Hessen, 1988, S. 44 f.
  27. Löwenstein, Die jüdische Schule zu Meimbressen, 1926, S. 4-6
  28. Löwenstein, Die Synagoge zu Meimbressen, 1927, S. 4 f.
  29. Sie stammten aus Herleshausen, Niedermeister, Liebenau, Helmarshausen, Oberlistingen, Kassel, Sielen, Grebenstein, Zierenberg, Lengsfeld, Ostheim, Körbecke, Rösebeck, Daseburg, Hofgeismar und Mansbach; vgl. Löwenstein, Die Synagoge zu Meimbressen, 1927, S. 4
  30. Löwenstein, Die Synagoge zu Meimbressen, 1927, S. 4
  31. Löwenstein, Die Synagoge zu Meimbressen, 1927, S. 4
  32. JWC 3 (1926), Nr. 33 v. 27.8.1926
  33. JWC 3 (1926), Nr. 33 v. 27.8.1926
  34. HHStAW, 518, 1327: Brief der JRSO (Frankfurt/M.) an den RP/Entschädigungsbehörde (Kassel), 24.3.1958, Anlage 2: Inneneinrichtung. An anderer Stelle dieser Aufstellung ist von lediglich 46 Sitzplätzen mit Pulten für Männer die Rede.
  35. Hallo, Jüdische Volkskunst, 1928, S. 29
  36. HHStAW, 518, 1327: Brief des Headquarters der JRSO (Nürnberg) an das Landesentschädigungsamt (Kassel), 1.12.1954, Anlage II: Brief von Adolf Goldwein (1891-1954) aus New York, 26.8.1952. Die deutlich höhere Zahl in der Gesamtaufstellung aus dem Jahr 1958 nennt keine belastbaren Quellen für diese veränderten Angaben.
  37. Schreiben SS-Rottenführer Christian an den SD-Unterabschnitt Kassel v. 17.11.1938. In: Burmeister/Dorhs, Fremde im eigenen Land, 1985, S. 76 sowie Dorhs, Fremdlinge im eigenen Land, ebd., S. 81. – Thiele, Pogromnacht in Meimbressen, 1988 - Biniendra-Beer, Erinnerungen an den Holocaust, 1988 - Wolff von Gudenberg, Meimbressen, 2006, S. 86
  38. Mdl. Mitteilung von Heinrich Rumpf (1907-1985), Meimbressen, v. 18.8.1983 und von Hartmut Rau (1921-1998), Meimbressen, v. 27.12.1983 an Michael Dorhs
  39. HHStAW, 518, 1327: Adolf Goldwein an die IRSO, 26.8.1952
  40. Mdl. Mitteilung von Eberhard Wolff v. Gudenberg (1924-2006), Meimbressen, aus dem Jahr 1983 an Michael Dorhs
  41. HHStAW 518, 1327: Adolf Goldwein an die IRSO, 26.8.1952
  42. HStAM, 180 Hofgeismar, 4351: Bürgermeister Mogge (Meimbressen) an den Landrat in Hofgeismar, 30.10.1948; vgl. auch: N. Rumpf: Leben mit den Amerikanern und Erinnerungen an die Nachkriegszeit. In: Dorfchronik Meimbressen. Meimbressen / Hofgeismar 2006, S. 135
  43. HStAM, 180 Hofgeismar, 4351: Bürgermeister Mogge (Meimbressen) an den Landrat in Hofgeismar, 6.2.1951
  44. HStAM, 180 Hofgeismar, 4351: Vorlage zur Sitzung des Kreisausschusses des Lkr. Hofgeismar, 27.8.1951
  45. Jahreszahlen nach Altaras, Tauchbad und Synagogen, 1994, S. 44. Auch Thomas Thiele nennt sie in seinem Zeitungsartikel aus dem Jahr 1988.
  46. Führer durch die jüdische Gemeindeverwaltung und Wohlfahrtspflege in Deutschland. 1932-1933, S. 177
  47. Bock, Die Wolff von Gudenberg, S. 81 f.
  48. Löwenstein, Die jüdische Schule zu Meimbressen, 1926, S, 4-6; die Angaben zur Schule bei Arnsberg, Jüdische Gemeinden, 1971, Bd. 2., S. 65 fußen auf der Darstellung von Löwenstein.
  49. HStAM 166, 3868: Bitte um einen erneuten Aufhebungsantrag der Israelitischen Schule zu Meimbressen, 15.11.1930
  50. Rumpf, Schule, Lehrerinnen und Lehrer, 2006, S. 173 f.
  51. HStAM 166, 3943: Landrat an die Regierung in Cassel, 11.10.1927 (Schülerzahlen israelitische Volksschule Meimbressen); der Führer durch die jüdische Gemeindeverwaltung und Wohlfahrtspflege in Deutschland. 1932-1933. Hrsg. von der Zentralwohlfahrtsstelle der deutschen Juden, Berlin, o.J., S. 177 nennt dagegen nur 11 Kinder.
  52. HStAM 180 Hofgeismar, 4080, 320
  53. HHStAW 365, 590
  54. HStAM 340 Wolff von Gudenberg, 226 sowie Wolff von Gudenberg, Meimbressen, 2006, S. 38
  55. Zahlen zur Grundstücksgröße nach Arnsberg, Jüdische Gemeinden, 1971, Bd. 2., S. 67. Die Angabe zur ursprünglichen Größe geht zurück auf eine briefliche Auskunft von Johann Plätzer (1885-1968), Meimbressen Nr. 112 an Paul Arnsberg v. 21.9.1965.
  56. https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/gsrec/current/84/sn/juf?q=meimbressen
  57. HStAM 180 Hofgeismar, 4065: Anordnung des Regierungspräsidenten in Kassel, 13.4.1942
  58. HStAM 180 Hofgeismar, 4065: Bürgermeister v. Meimbressen, 27.10.1942
  59. HStAM 180 Hofgeismar, 3524: Auskunft Bürgermeister von Meimbressen an den Landrat in Hofgeismar, 22.5.1946
Empfohlene Zitierweise
„Meimbressen (Landkreis Kassel)“, in: Synagogen in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/de/purl/resolve/subject/syn/id/275> (Stand: 23.7.2022)