Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg

Inhalt

↑ Wilhelm Egly, Kriegstagebuch eines Soldaten aus Friedberg, 1916-1917

Abschnitt 22: III. Gedanken über das Lebensende

◀ [14-15] 21. Februar 1917.
[…] So wie der Tag, aufglühend im flammenden Abendrot, so, wünsche ich, möchte dereinst mein Heimgang sein.
[S. 15] Ich habe bis jetzt ein schönes Leben gehabt. Ich habe die Freundschaft kennen gelernt und Menschen und Schicksale. Ich habe die Schönheiten fremder Länder gesehen, ohne am Häßlichen vorbeigegangen zu sein. Ich habe Augen zu sehen und Ohren zu hören. Ich habe Freude gehabt an der Kunst in jeder Gestalt, und es war mir die Gnade zuteil geworden, sie auf meine Art zu verstehen. Fremdes Leid tat mir so weh wie eigenes, und anderer Freude beglückte mich wie eigenes Glück.Wenn wir hoch genug ständen, so sähen wir nicht Sonnenaufgang und nicht Sonnenuntergang; nur Sonne und Licht. Wie die Sonne weiterstrahlt über anderen Teilen der Welt, wenn es bei uns schon dunkel ist, so wird die Seele weiterleben in Höhen, die da zeigen, daß es nicht Geburt und Tod, nur ewiges Werden gibt. Der Leib bleibt zurück wie die schwarzen Berge, von denen das Licht gewichen ist, im Dunkel der Nacht. —
Die Alten sagten, und es ist etwas Wahres daran: Wen die Götter lieben, den lassen sie in der Jugend sterben.
Vielleicht kehre ich heim, und ich will es hoffen. Vielleicht aber falle ich. Ich weiß es nicht, und es ist gut so. Mein Schicksal steht in der Hand eines Höheren, der uns allen früher oder später — ach, wie gering ist der Unterschied! — ein Ende setzt.
Wen mein Tod betrüben sollte, der möge mit mir Trost finden in dem Glauben an die ewigen Heilswahrheiten eines wahren Christentums; dem möchte ich immer wieder sagen, daß mein Leben schön und glücklich gewesen ist — bis auf eine Lücke, die ich schmerzlich empfinde. Und daß der Tod keine Gerippe, sondern ein schöner Jüngling ist, der als Bruder naht. ▶