Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg

↑ Carl Hoos, Schulchronik von Niederaula

Abschnitt 6: Gefallene der Gemeinde Niederaula (1)

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In die Schar der Vaterlandsverteidiger, welche von hier ausgezogen sind hat der Tod schon Lücken gerissen. Mancher Tapfere ist gefallen. -

1. Hely Oppenheim (Nr. 86 des Verzeichnisses) 2. Comp.- Res. Inf. Reg. 71 wurde durch Granatsplitter in den Kämpfen bei Varettes in Frankreich getötet.

2. Joh. Diebel wurde in den Kämpfen bei Nonoron leicht verwundet, Schuß durch den linken Oberschenkel. Der Oberschenkelknochen war nicht gestreift, auch sonst kein edler Teil verletzt. Er kam in das Lazarett zu Hersfeld. Die Heimreise hatte er ganz alleine zurückgelegt. Die Wunde verschlimmerte sich schnell, es trat Wundstarrkampf hinzu, und er starb am 3.10. 1914 zu Hersfeld. Drei Tage später trug man den Helden hier zu Grabe.

3. Bäckermeister Friedrich Noll (Nr.14) wurde in den Kämpfen in Flandern Ende Oktober verwundet und starb am 7. Nov. im Lazarett zu Morilede in Belgien. Schuß in die Wirbelsäule. In seinem Tagebuch fanden sich folgende Aufzeichnungen:

[Siehe Tagebuch des Bäckermeisters Friedrich Noll aus Niederaula, 1914 (Auszug)]

am 30. Oktober wurde der Tapfere bei Moorslede schwer verwundet, nachdem ihn Gott nach seiner Aussage an den Bergen zuvor sichtbar beschützt hatte. Seine Wege sind eben wunderbar. Wir müssen ihm vertrauen. Das Andenken der gefallenen Helden wird bei uns stets in Ehren bleiben. Er liegt auf dem Friedhofe zu Roulers begraben.

4. In den Kämpfen bei Lodz in Polen blieb in der 2. Hälfte des Nov. der Landwirt Adam Bickhardt (Nr. 60 des Verzeichnisses) auf einem Patrouillengang. Seine Leiche konnte erst später geborgen werden. Sie wurde von einer deutschen Abteilung, welche denselben Weg passieren mußte, gefunden. Geld und Wertgegenstände waren geraubt. Dagegen hatte man ihm seine Briefschaften, sein Militärgesangbuch und sein Kriegstagebuch gelassen. Die letzten Aufzeichnungen erfolgten am 16. Nov. Das Lesezeichen im Militärgesangbuch lag bei dem Liede: „Befiehl du deine Wege“. Dieses Lied wurde bei der Gedächtnisfeier zu Ehren der gefallenen Helden gesungen. Er war ein guter Gatte und ein frommer Christ. Seine Gattin bezeugte ihm, daß er ihr nie eine Stunde des Kummers bereitet habe. Lassen wir das Kriegstagebuch und die Erlebnisse der gefallenen Helden erzählen. - In Cassel abgefahren am 24.9. abends 10 % Uhr nach Österreich zu in der Richtung Leipzig, Torgau, Schweidnitz. In Camenz am 26.9. mittags gespeist von der Prinzessin Friedrich Wilhelm. Weiter ging die Fahrt über Kattowitz nach Krakau. Dann wurde weiter marschiert. Da der Weg schlecht war, sind wir mit einem Lastauto gefahren bis [S. 54] Sosnowice. Es war abends 6 Uhr bis wir hin kamen. Zu essen gab es wenig. Wir kochten uns bei den Leuten etwas Tee, dann legten wir uns aufs Stroh. Um % 11 Uhr wurden wir geweckt und mußten, 12 Mann stark, bis morgens 6 Uhr auf Wache ziehen. Dann kochten wir uns Kaffee. Brot mußten wir uns wieder kaufen. Um 11 Uhr marschierten wir weiter und kamen abends hundsmüde in ein Dorf und fanden zu 7. glücklich ein Lager. Von Mannschaften des Artillerieregimentes Nr. 18 bekamen wir Kaffee und dann ging’s ins Stroh. Schlafen konnten wir diese Nacht gut. Am Morgen des 30. Sept. wurden wir der Artillerie als Deckung beigegeben. Die folgende Nacht verbrachten wir nach anstrengendem Tagesmarsch in einem halbabgebrannten Dorf. Mit mir schliefen noch 11 Mann in einem Kuhstall, während die Kuh in der Küche untergebracht war. Vom 1.- 10 Oktober wird der Marsch bis zum Reg. geschildert. Es gab auf diesem Marsche abwechselnd Höfe, Gans und Schwein. Es heißt dann weiter. Ich kam zur 10. Comp., 1. Korporal Schaft Inf. Reg. Nr. 218. Am 10. Okt. machten wir eine kleine Übung, der Wald wurde durchsucht und was gefunden wurde, mitgebracht. Am Sonntag, 11. Okt. morgens, wurde requiriert. Wir haben dann nachmittags zu 5. 3 Gänse geschlachtet. Die folgende Woche war mit Appells und Exerzieren ausgefüllt. Dann kommen lange Märsche von Losnozin über Ceinow und Domaschow dem Feinde entgegen. Am 1. November, Sonntag, wurden Schützengräben ausgehoben. Bis zum 9. Nov. blieben wir darin. Unsere Korporalschaft wurde ausgesandt zum Erkundungsdienst. Nachts waren wir auf Vorposten. Am 4. November kamen wir nach Lodz. Von hier aus gings der deutschen Grenze zu über Ostovar. In Neustadt waren wir im Quartier am 11.11. Dann ging es wieder über die Grenze. Am 14.11. marschierten wir früh 5.30 Uhr ab. Unterwegs machten wir halt. Der Pfarrer hielt eine Ansprache und stärkte uns für die kommenden Tage. Abends kamen wir noch ins Gefecht. Es wurden Schützengräben ausgehoben und besetzt. Die Züge der Korps, lösten sich gegenseitig ab. Der 2. Zug hatte 5 Verwundete. Am 16. wurde eine Brücke von uns besetzt. - hier enden die Aufzeichnungen. Adam Bickhardt wurde zu Erkundigungszwecken ausgeschickt und starb bei dem Patrouillengang den Heldentod. Ehre seinem Andenken.


Empfohlene Zitierweise: „Carl Hoos, Schulchronik von Niederaula, Abschnitt 6: Gefallene der Gemeinde Niederaula (1)“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/de/purl/resolve/subject/qhg/id/40-6> (aufgerufen am 03.05.2024)