Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg

Inhalt

↑ Jakob Ebersmann, Berichte aus der Heimat in den Dieburger Feldbriefen, 1915-1917

Abschnitt 30: Gefangene Franzosen im Gottesdienst, Volksverein

◀ [Nr. 30] Feldbrief vom 30. Januar 1916

Am letzten Sonntag haben auch die gefangenen Franzosen einmal das Hochamt besucht. Vorschriftsmäßig erschienen sie eine viertel Stunde früher und verließen erst die Kirche, lange nachdem der Gottesdienst beendet war. Gleichwohl hatten sich ganze Scharen von Kindern eingefunden, welche die Gefangenen neugierig betrachteten. Schön ist das nicht, aber zu entschuldigen, da sie noch keine Franzosen gesehen haben. Es wird für die liebe Jugend eine Erinnerung fürs Leben sein. Ich habe mich eine Zeit lang mit den Gefangenen unterhalten. Sie sind hier zufrieden, besonders auch mit ihrer Kost. Mir ist das lieb. Denn wenn wir wollen, daß unsere Landsleute in Feindesland gut behandelt werden, dann müssen auch wir unsere gefangenen Feinde gut behandeln.

Da viele von Euch Mitglieder des Volksvereins für das katholische Deutschland sind, will ich auch etwas berichten über die Bezirksversammlung dieses Vereins, die am Sonntag im „Mainzer Hof" stattfand. Eingeladen dazu waren die Lokalvereine von Münster, Eppertshausen, Urberach, Ober- und Nieder-Roden, Groß- und Klein-Zimmern, Habitzheim, Hering, Lengfeld, Neustadt und Groß-Umstadt. Der Besuch war recht gut. Herr Pfarrer Reutter-Eppertshausen eröffnete als Bezirksleiter die Versammlung, gedachte besonders der Mitglieder, die im Felde stehen und empfahl sie dem Gebete der Versammelten. Ich übernahm darauf den Vorsitz und brachte ein Hoch aus auf Kaiser und Papst. Die Festrede hielt Herr Dr. Nieder aus M.-Gladbach. In klassisch schönen Worten verbreitete er sich über die Grundlagen unserer Siegeshoffnung und den Geist unserer Friedensarbeit. Obwohl er zwei Stunden lang sprach, verstand er es doch, die Aufmerksamkeit seiner Zuhörer bis zur letzten Minute zu fesseln. Einige Gedichte und allgemeine Lieder sorgten für weitere Abwechselung. Am Schlüsse konnte ich der Befriedigung aller über die so schön verlaufene Versammlung Ausdruck verleihen.

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