Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg

↑ Feldgesangbuch für die katholischen Mannschaften, um 1914

Abschnitt 2: Gebet beim Ausmarsche ins Feld

[40-42] Gebet beim Ausmarsche ins Feld.

Getreuer Gott, der du nach den Gesetzen deiner ewigen Weisheit und Liebe die Schicksale der Völker, wie jedes einzelnen leitest, ohne deinen heiligen Willen regt sich kein Blatt am Baume und fällt kein Haar von unserem Haupte. Der Ratschluß deiner göttlichen Fürsehung ist es, daß die bisher genossenen Segnungen des heimatlichen Friedens durch Kriegsgefahr und Kriegsnot verkümmert werden sollen; und wer möchte es wagen, die Tiefen deiner Weisheit ergründen, an der Gerechtigkeit deiner Ratschlüsse zweifeln zu wollen. Auch ich bete in demütiger Ergebung deinen heiligen Willen an und bin bereit, mit Blut und Leben dem Rufe meines Königs zu folgen und mit freudigem Mute wider die Feinde unseres Volkes zu kämpfen.

Deinem göttlichen Schutze, o Herr! empfehle ich mich mit Leib und Seele und bitte dich in kindlicher Zuversicht, gleichwie du einst dem Patriarchen Jakob auf seiner Wanderschaft mit der Heerschar deiner Engel zu Hilfe erschienen bist, ihn aus- und eingeleitet, mit allem Nötigen versorgt und wohlbehalten wieder zu seinem alten Vater Isaak gebracht hast, also wollest du auch mich und meine Kriegsgefährten mit deinen Flügeln beschirmen und bedecken. Stärke mich, o Gott, daß ich meinen Schwur halte, und als braver Soldat meine Fahne niemals verlasse; stärke mich, daß ich den Befehlen meiner Vorgesetzten pünktlich gehorche und jeder [S. 41] Gefahr mutvoll entgegentrete; halte mich aufrecht im Drange der Schlacht — das Vertrauen auf deinen Schutz sei mein Schild gegen die Waffen der Feinde. — Bewahre mich aber auch in der Hitze des Kampfes vor allem leidenschaftlichen Mut; bewahre mich vor jedem unnützen Blutvergießen, vor jeder unmenschlichen Behandlung des verwundeten oder gefangenen Feindes. Die Erinnerung an grausame Mißhandlung oder Tötung des Wehrlosen würde mir meine Todesstunde verbittern und das Sterben schwer machen. Laß mich nie vergessen, daß nur die im Felde mir gegenüberstehenden Krieger meine Feinde, daß dagegen die unbewaffneten Einwohner des Landes, die Verwundeten und Wehrlosen meine leidenden Mitbrüder sind, denen ich Schonung und Mitleid schuldig bin, und die ich ohne Not nicht bedrücken und ängstigen, nicht hart und lieblos behandeln darf. Wenn die Beschwerden des Marsches, die Last des Gepäckes, Hunger und Durst, Sonnenhitze und Regen meine Geduld und Ergebung schwer auf die Probe stellen, dann laß mich bedenken, o Gott, daß mein Heiland Jesus Christus um meinetwillen viel Schwereres getragen und erduldet, daß er auch für mich getreu gewesen ist bis in den blutigen Tod des Kreuzes. Sein erhabenes Vorbild wird mich aufrichten und stärken.

Unendlich weiser Gott, der du die Herzen der Könige und Fürsten in deinen Händen hältst und wie Wasserbäche leitest, o laß sie erkennen, was zum wahren Heile ihrer Völker dient, flöße ihnen friedfertige Gesinnungen ein, verkürze durch sie das Elend des Krieges, und gib uns in nicht ferner Zeit sie große Wohl, tat eines gesegneten Friedens wieder, damit König und Volk mit neuem Danke deinen heiligen Namen preisen. [S. 42]

— Ich weiß es nicht, ob ich die teure Heimat, die Wohnung meiner Eltern, die Grabstätten meiner Angehörigen je wiedersehen werde; mir dieses weiß ich, daß du alles zu meinem Besten leitest. Auf dich vertraue ich unerschütterlich — du bist meine Zuversicht im Leben und im Tode ! Amen.


Empfohlene Zitierweise: „Feldgesangbuch für die katholischen Mannschaften, um 1914, Abschnitt 2: Gebet beim Ausmarsche ins Feld“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/de/purl/resolve/subject/qhg/id/108-2> (aufgerufen am 23.04.2024)