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Topografie des Nationalsozialismus in Hessen

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Erbach, „DAF-Kreiswaltung“ einschl. „NS-Gemeinschaft ‚Kraft durch Freude‘ (KdF)“ Odenwald (Hessen-Nassau)

Erbach, Gemeinde Erbach, Odenwaldkreis | Historisches Ortslexikon
Hauptstraße 44, Katholisches Gemeindezentrum "Palais" – In der NS-Zeit: Peter-Gemeinder-Straße 36 (vorher Hauptsraße 238)
Klassifikation | Nutzungsgeschichte | Indizes | Nachweise | Abbildungen | Zitierweise
Klassifikation

Kategorie:

Parteiorganisationen

Subkategorie:

Deutsche Arbeitsfront 

Nutzungsgeschichte

Beschreibung:

Die Anfänge der „Deutschen Arbeitsfront“ im Kreis Erbach gehen auf die Aktivitäten der „NS-Betriebszellenorganisation (NSBO)“ und der „NS-Handwerks- Handels- und Gewerbeorganisation (NS-Hago)“ zurück. Daher folgt ein Überblick von den Anfängen 1933 dieser Organisationen im Kreis Erbach bis zu den Tätigkeitsfeldern der DAF-Kreiswaltung im Zweiten Weltkrieg.

Die Höchster NSDAP-Festschrift von 1933 besagt, dass die Anfänge der NSBO in Höchst mit der in Darmstadt im März 1931 stattgefundenen Besprechung aller hessischen Ortsgruppenleiter im Zusammenhang steht. In dieser Besprechung soll der Gaubetriebszellenleiter Fritz Kern die Ortsgruppenleiter aufgefordert haben, in ihren Ortsgruppen Betriebszellen zu gründen. Der dort anwesende Stützpunkt- bzw. Ortsgruppenleiter von Höchst, Erich Fleckenstein, war dann auch derjenige, der die Anfänge der NSBO im Höchster Raum einleitete. In Höchst soll ein „gewaltiger Kampf“ geführt worden sein, „da die Arbeiter fast restlos marxistisch eingestellt waren. In jedem Betrieb waren rote Betriebsräte. In anderen Betrieben, in denen jüdische Geldgeber beteiligt waren, zum Beispiel Gummiwerke Odenwald in Neustadt, war an eine Betriebszelle nicht zu denken, da diese Arbeiter sofort zur Entlassung gekommen wären.“

Die erste „Betriebszelle“ wurde im August 1931 in den Veithwerken mit acht Mann unter Ortsgruppen-Betriebszellenwart und NSDAP-Mitglied Kadel gegründet. Als Ortgruppenbetriebswarte folgten auf Kadel die Pg. Karl Hofferberth und Philipp Hallstein. Die Mitgliederzahl soll dabei von acht auf 25 und bis zu 80 Personen in den Jahren 1931 bis 1933 angewachsen sein. Jedoch vermerkten selbst die Nationalsozialisten in ihrer Festschrift, dass sie erst im Januar 1933 „die erste gutbesuchte NSBO. Versammlung abhalten“ konnten. Diese Versammlung, auf der die Nationalsozialisten Fritz Kern MdR und Göbel MdL sprachen, sollte die zum ersten Mal eingereichte eigene NSBO-Vorschlagsliste bei den Betriebsratswahlen der Veithwerke unterstützen. Die Veithwerke waren der größte Betrieb im Kreis Erbach. Die Nationalsozialisten bekamen bei diesen Betriebsratswahlen 1933 141 Stimmen gegenüber der Gewerkschaft des Fabrikarbeiter-Verbandes mit 369 Stimmen.

Laut NS-Propaganda war der „gewählte Betriebsrat, unter der Führung des Genossen Georg Eisenhauer, auf die Dauer untragbar“, weil angeblich „die ganze Bevölkerung über die politische Tätigkeit einiger roter Betriebsräte erregt war, mußte derselbe verschwinden“. Leider ohne genaue Zeitangabe marschierte dann der SA-Sturm von Höchst vor dem 1. Mai 1933 in die Veithwerke ein, setzte den Betriebsrat ab [!] und etablierte gleichzeitig einen neuen, bestehend aus Nationalsozialisten und parteilosen Arbeitern. Das NSDAP-Mitglied Heinrich Menzer wurde zum Betriebsratsvorsitzenden bestimmt.

Auf der 1. Maifeier war dann der NSBO führend beteiligt und veranstaltete einen mit NS-Symbolik aufgeladenen Feiertag beginnend im Werk mit anschließendem Marsch nach Höchst, wo am Nachmittag ein in Berufsgruppen aufgeteilter Festzug stattfand. Es gab aber auch Kritiker, die mit einer Aktion mit Blick auf die Arbeitslosigkeit in Erscheinung traten. So sollen angeblich „Kommunisten“ zum „Festzug mit einer Tafel voll Stempelkarten erschienen“ sein, die damit im Umzug mitmarschieren wollten. Doch „durch das schnelle Zugreifen der polit. Leitung wurde diese Störung verhindert und dieselben ihren Berufen nach in den Zug eingegliedert.“ Damit war die oberflächliche Ordnung in Reih und Glied wieder hergestellt. Dass die politische NS-Leitung schnell zugreifen konnte, wurde auch am nächsten Tag unter Beweis gestellt: Am 2. Mai 1933 wurde auch in Höchst bei der „Besetzung der freien Gewerkschaften und Prüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse derselben“ laut eigenen Angaben „eifrig mitgeholfen“. So behauptete unter anderem die NSBO, dass gerade „in den höheren Leitungen der Gewerkschaften mit den Arbeitergroschen Schindluder getrieben wurde.“

Nach der Zerschlagung der Gewerkschaften fällt der NSBO nach den Bestimmungen der DAF nur noch die Aufgabe zu, die politische Vertretung der Arbeiterschaft zu sein und die NSBO-Mitglieder zu schulen, um „so die Arbeiterführer für den kommenden Ständestaat [!] heranzubilden.“ So steht es zumindest in der NSDAP-Festschrift von 1933, S. 14.

Am 8. März 1934 sprach der „Kreisschulleiter Haag“ bei einer Mitgliederversammlung der Michelstädter NSBO-Ortszelle über das „Gesetz zum Schutz der nationalen Arbeit“. Der NSBO-Ortsgruppenobmann von Michelstadt „Pg. Kisseberth“ betonte, dass die „alte Garde“ nicht für sich, sondern für Deutschland gekämpft habe. In der Frühphase der DAF im Kreis Erbach gab es unter anderem 1935 ein DAF-Büro in der Marktstraße 9 in Beerfelden (Starkenburger Presse 1935, Nr. 56).

Die „DAF-Kreiswaltung Odenwald“ zählte 1939 zu den hessenweit insgesamt 26 Kreiswaltungen innerhalb der DAF-Gauwaltung Hessen-Nassau. In diesem Verband bekam die Odenwälder Kreiswaltung die Organisationsnummer 49.017 zugeteilt (Stand 1943). Die DAF-Kreiswaltung war ein wesentlicher Bestandteil im System der NS-Zwangsarbeit. So war die in der Stadt Erbach residierende DAF-Kreiswaltung im Kriegsjahr 1942 für 25 Lager zuständig. Die Anzahl der von ihr „betreuten“ Zwangsarbeiterlager (darunter auch Kriegsgefangene) erhöhte sich auf 31 Quartiere im Jahr 1943.

Für die „Volksgenossinnen und Volksgenossen“ bot die Kreiswaltung der DAF einschließlich der NS-Organisation „Kraft durch Freude“, parallel zur Entwicklung der Räumlichkeiten der NSDAP-Kreisleitung Odenwald, spätestens ab 1939 jeden Mittwoch von 8 bis 13 Uhr in der Peter-Gemeinder-Straße in Erbach und jeden Donnerstag von 16 bis 18 Uhr in Dieburg Sprechzeiten an.

Nutzungsanfang (früheste Erwähnung):

1939

Nutzungsende (späteste Erwähnung):

1943

Weitere Nutzungen des Objekts:

Nutzung vor NS-Zeit:

Das repräsentative Gebäude diente der Familie des Grafen Arthur von Erbach als Wohnsitz und war im Volksmund unter dem Namen "Palais Arthur" bekannt. Das Objekt lag direkt an der Erbacher Hauptstraße und nahm den Platz zwischen dem katholischem Pfarramt und der katholischen Pfarrkirche ein.

Nutzung nach NS-Zeit:

Nach 1945 erwarb die katholische Kirche das Anwesen und richtete aufgrund der Lage des Gebäudes zwischen Kirche und Pfarramt ein Gemeindezentrum mit Jugendbegegnungsstätte und Bibliothek ein. Innerhalb des Gebäudekomplexes wird das Anwesen als "Palais" bezeichnet.

Indizes

Orte:

Erbach

Sachbegriffe:

Kraft durch Freude · Deutsche Arbeitsfront · Parteiorganisationen · Wirtschaft

Nachweise

Gedruckte Quellen:

  • Adressenwerk NSDAP 1939, Abschnitt IIc 10 Gau Hessen-Nassau S. 29
  • Centralanzeiger für den Odenwald vom 8.3.1934.
  • Höchster NSDAP-Festschrift von 1933.

Ungedruckte Quellen:

  • HStAD N 1 (NSDAP) 7328
Abbildungen

Abbildungen:

Zitierweise
„Erbach, „DAF-Kreiswaltung“ einschl. „NS-Gemeinschaft ‚Kraft durch Freude‘ (KdF)“ Odenwald (Hessen-Nassau)“, in: Topographie des Nationalsozialismus in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/nstopo/id/3339> (Stand: 11.10.2022)