Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Funerary Monuments

Outline map of Hessen
  • Vorschaubild

Unbekannter, 10. Jahrhundert Hersfeld

Bad Hersfeld · Gem. Bad Hersfeld · Landkreis Hersfeld-Rotenburg | Historical Gazetteer
Place of Location | Characteristics | Description | Inscription | References | Citation
Place of Location

Place of Location:

Bad Hersfeld

Premises:

Bad Hersfeld, Stiftsruine.

Angaben zum Standort:

Östliche Außenwand des nördlichen Querhausflügels in ziemlicher Höhe.

Heutiger Aufbewahrungsort:

Bad Hersfeld, Stiftsruine

Angaben zum Aufbewahrungsort:

Östliche Außenwand des nördlichen Querhausflügels in ziemlicher Höhe.

Characteristics

Dating:

10. Jahrhundert

Type:

Gedenkstein

Material:

roter Sandstein

Conservation:

erhalten

Dimensions:

38 x 17 cm (B x H)

Größe der Buchstaben:

3,2 cm

Description

Description:

Memorienstein eines Unbekannten, möglicherweise des Konventualen Engelbert. Der Quaderstein aus rotem Sandstein wurde 1966 in der östlichen Außenwand des nördlichen Querhausflügels in ziemlicher Höhe entdeckt, wo er in Zweitverwendung vermauert worden war. Als die Stiftsruine im Winter 1998 eingerüstet wurde, konnte der Stein am 11. November 1998 vom Gerüst aus autopsiert werden. Von der Inschrift sind drei Zeilen noch erkennbar. Als Worttrenner dient ein Dreieck. Sowohl der linke als auch der linke untere Rand des Steins sind abgeschlagen. Zudem ist die Steinoberfläche stark zerstört, so daß nur noch wenige Buchstaben eindeutig zu erkennen sind. Hilfestellung bot ein altes Foto im Nachlaß von Otto Bramm.1) Während die erste Zeile noch die vollständige Tagesangabe, den zweiten Tag vor den Kalenden des April (31. März), preisgibt, sind die beiden folgenden Zeilen links völlig ausgelöscht, sofern hier überhaupt Schrift stand – das ist wegen einer offenbar alten Beschädigung fraglich. Am Ende der zweiten Zeile steht schon der Sterbevermerk OBIIT. Die in der letzten Zeile lesbaren Buchstaben GIL gehören wohl zum Namen des Verstorbenen. Nach der Lesung Otto Bramms ist auf dem Stein die Jahreszahl DCCXCIX (799) vorhanden. Dies war für ihn der Beweis, daß der noch heute sichtbare Bau der Stiftsruine im wesentlichen noch mit der 850 geweihten karolingischen Kirche identisch ist und nach dem Brand von 1038/39 nur geringfügige Erneuerungen vorgenommen wurden. Der Stein sei beim Bau der karolingischen Großkirche 850 in Zweitverwendung vermauert worden und nicht erst nach dem Brand 1038/39. Hinter dem eindeutig lesbaren A nach K(A)L(ENDAS) folgten laut Bramm ein PL-Nexus und ein kleines s für AP(RI)L(I)s. Dann sah er wieder ein A, das er zu ANNO auflöste, und das folgende DCC deutete er als römische Ziffern für 700. Die beiden C seien „fast wie umgekehrte Siebener“ gebildet. In der folgenden Zeile mutmaßte Bramm die Fortsetzung der Jahreszahl mit XCIX, was dann 799 ergäbe. Diese zweite Zeile ende mit OBIIT. In der dritten Zeile wollte Bramm nach GIL einen TBE- sowie einen RT-Nexus erkennen, so daß sich für ihn der Name EGILTBERT ergab, den er mit dem gleichnamigen Schreiber einer 780 für das Kloster Hersfeld von Karl dem Großen ausgestellten Urkunde in Verbindung brachte.2) Es ist interessant zu sehen, wie Bramm zu seiner Lesung kam. Obwohl die übrigen von ihm behandelten Inschriften keine Nexus litterarum aufweisen und diese in Inschriften des 8. und 9. Jahrhunderts selten sind, ging Bramm bei seiner Lesung von mehreren Nexus aus. Dabei erscheint das Vorhandensein eines PL- und einer TR-Nexus noch denkbar,3) während ein TBE-Nexus kaum möglich ist. Zu sehen ist von den Nexus am Stein ebensowenig wie von dem DCC. Zu dieser Lesung kann man nur gelangen, wenn man von einem D mit schräggestelltem Schaft sowie zwei eckigen C mit ebenfalls schräggestellten Schäften ausgeht, doch gibt es für solche Formen keine Belege. Die C wären zudem deutlich über die Grundlinie hinaus nach unten verschoben. Somit handelt es sich bei den von Bramm als Buchstaben gedeuteten Spuren wohl um Abarbeitungsschäden. Hinzu kommt noch, daß die von Bramm vermutete Formulierung ANNO mit folgender Jahreszahl ohne Parallele in dieser Zeit ist. Das von Einhard überlieferte Epitaph Karls des Großen weist die Formulierung Anno domini auf,4) doch die zeittypische Formulierung lautet ANNO DOMINICAE INCARNATIONIS mit folgender Jahreszahl. Sie läßt sich jedoch sowohl in Inschriften als auch in Urkunden bis ins 10. Jahrhundert nur selten belegen.5) Aufgrund des verwendeten Formulars ist wie auch bei den vergleichbaren übrigen Steinen aus der Hersfelder Stiftsruine von einer Entstehung der Inschrift im 10. Jahrhundert auszugehen.6)


  1. Im StA Bad Hersfeld die Diakassette Bramm B, Dia 35, freundlicherweise von Herrn Gerhard Kraft in digitaler Form zugänglich gemacht.
  2. Bramm, Inschriftenstein 63f.; vgl. Urkundenbuch Hersfeld 27 Nr. 14. Bramm, ebd. 64, konstruiert dazu vor dem Namen eine tironische Note mit der angeblichen Bedeutung notarius.
  3. Mehrere Nexus, darunter auch ein TR-Nexus, weist die um 900 entstandene Inschrift für die Äbtissin Walburg in Neuenheerse auf, vgl. Scholz, Karolingische Inschrift 142–145.
  4. Einhard, Vita Karoli 31 (Holder-Egger 35f.).
  5. Die Untersuchung der inschriftlichen Überlieferung durch Glaser/Bornschlegel, Datierungen 527 mit Anm. 11 zeigt ein sehr zögerliches Eindringen der Zählung nach Jahren der christlichen Zeitrechnung im 9. Jahrhundert. Unter den Inschriften sind hier zu nennen: das Epitaph der 830 gestorbenen Adelberga aus Tours, vgl. Neumüllers-Klauser, Westwerktafel 130f. mit Abb. 100 und Koch, Inschriftenpaläographie 109, Abb. 88; die Grabplatte des 835 verstorbenen Abtes Ato, vgl. CIFM 24, Nr. 95; die Grabplatte des 862 verstorbenen Kölner Chorbischofs Hildebert, vgl. Kunstdenkmäler der Stadt Köln 78 Abb. 59 und 78 mit der irrtümlichen Angabe 762, vgl. auch Nisters-Weisbecker, Grabsteine Nr. 113; das Epitaph des 876 verstorbenen Giswalus in Bazouges (Dép. Mayenne), vgl. Favreau, Épigraphie médiévale 97 und Treffort, Mémoires carolingiennes 201, Abb. III. 66; das Epitaph des 892 verstorbenen Subdiakons Arnulf aus Die, vgl. CIFM 16, 127, Nr. 24 mit Abb. 86. Auch die Jahresrubriken der Fuldaer Totenannalen sind im 8. und 9. Jahrhundert mit „Anno Dominicae Incarnationis“ und folgender Jahreszahl überschrieben, vgl. Klostergemeinschaft Fulda 8,1 Abb. 7–12. Die Bände DI 60 (Rhein-Hunsrück-Kreis I) sowie DI 70 (Trier I), die jetzt einen weiteren größeren Bestand an Inschriften vor dem 9. Jahrhundert erschließen, verändern den früheren Befund nicht.
  6. Vgl. dazu Nr. 4 und folgende Nrr.

Sex, Age, Family Status:

männliche Person(en)

Inscription

Umschrift:

II K(A)L(ENDAS) ◦ APR(I)L(IS)a) [..] / [– – –] OBI[I]T / [– – –]E[N]GIL[BER]b)


  1. Eindeutig erkennbar ist nach APR der Schaft des L mit einem schmalen Querstrich oben als Kürzungszeichen; danach folgen ungeklärte Rillen, die Bramm, vgl. im Kommentar, wenig überzeugend zu deuten versuchte. Bramm las zu Beginn III KAL.
  2. III KL APLs A DCC / XCIX OBIIT / [– – –] EGILTBERT Bramm. Der neue Leseversuch beruht größtenteils auf dem leider unscharfen Bild von Bramm, eingerechnet die gegen Bramms Nexus vorgebrachten Einwände. Nach dem mutmaßlichen R ist nichts von einem weiteren Buchstaben zu erkennen.

Schrift:

Kapitalis, nachkarolingische

References

Bibliography:

  • Bramm, O., Ein neuer Inschriftenstein im Gemäuer der Stiftsruine zu Bad Hersfeld, in: Hess. Heimat 20 (1970), S. 62–64, hier S. 63 f.
  • Scholz, S., Bedeutung und Möglichkeiten der Inschriftenpaläographie am Beispiel Hersfelder Inschriften, in: Archiv f. Diplomatik 59 (2013), S. 534–554, hier S. 543 m. Abb. 5.

Editing:

Die Inschriften des Landkreises Hersfeld-Rotenburg. Gesammelt und bearb. von Sebastian Scholz und Rüdiger Fuchs (Die Deutschen Inschriften 91). 2015, Nr. 8.

Citation
„Unbekannter, 10. Jahrhundert Hersfeld“, in: Grabdenkmäler <https://www.lagis-hessen.de/en/subjects/idrec/sn/gdm/id/2237> (Stand: 20.3.2023)