Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessian World War I Primary Sources

↑ Jakob Ebersmann, Berichte aus der Heimat in den Dieburger Feldbriefen, 1915-1917

Abschnitt 20: Winterbeginn, Musterung in Dieburg, Ledermangel

[Nr. 20] Feldbrief vom 21. November 1915

Als wir am letzten Montag Morgen die Fensterladen öffneten, waren die Dächer der Häuser mit Schnee bedeckt. Der Winter hatte über Nacht seinen Einzug gehalten. Auf den Straßen lag nur hie und da ein Bischen Schnee, nach dem die Schulbuben mit Verlangen blickien, um den ersten Schneeball formen zu können. Einer war so glücklich, auf dem Rasen des elterliche Gartens bereits einen vollkommenen Schneeball zusammengebracht zu haben. Voll Stolz zeigte er ihn seinen Kameraden, und als einer daran Teil haben wollte, ließ er den Ball in der Hosentasche verschwinden. Es war auch zu viel verlangt, davon etwas abgeben zu sollen. Denn was für unsere Feldgrauen im Schützengraben die Handgranaten sind, mindestens dasselbe sind Schneebälle für unsere Dieburger Jungen.

Jetzt ist der Schnee längst wieder vergangen. Es wäre auch etwas gar früh, wenn er schon liegen bleiben und Wintertemperatur eintreten würde. Im Interesse unserer Brüder in den Schützengräben wünschen wir, daß der Winter nicht zu früh seine Visitenkarte abgibt.

Die ganze letzte Woche trug Dieburg ein militärisches Gepräge. Am Montag war hier Kontrollversammlung für Dieburg, Altheim, Gundernhausen, Klein-Zimmern, Grube Messel, Richen und Semd. Donnerstag, Freitag und Samstag war Musterung des Jahrgangs 1897 für Dieburg und die Nachbargemeinden. Es wurde eins ganz bedeutende Anzahl ausgehoben, so daß Ihr bald kräftige Hilfe erhalten werdet. Die jungen Leute waren fidel und sangen an den Musterungstagen wie zu Friedenszeiten; nur die Musik fehlte.

Wir sind in Dieburg jetzt recht sparsam. Da das Leder ziemlich teuer ist, haben eine größere Anzahl von Eltern ihren Kindern Segeltuchschuhe mit Holzsohlen angeschafft. Diese Schuhe haben den Vorteil, daß sie nur halb so viel kosten als Lederschuhe und daß die Kinder nicht so leicht kalte Füße bekommen. Gerade jetzt, wo es kälter wird, ist letzteres ein Umstand, der wohltuend auf die Gesundheit der Jugend wirkt. Das Klappern der Holzsohlen auf dem Straßenpflaster hört sich zwar etwas sonderbar an, aber wir haben uns schon daran gewöhnt.


Persons: Ebersmann, Jakob
Places: Dieburg · Altheim · Gundernhausen · Klein-Zimmern · Messel · Richen · Semd
Keywords: Schützengräben · Handgranaten · Musterung · Leder · Schuhe · Holzschuhe
Recommended Citation: „Jakob Ebersmann, Berichte aus der Heimat in den Dieburger Feldbriefen, 1915-1917, Abschnitt 20: Winterbeginn, Musterung in Dieburg, Ledermangel“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/en/purl/resolve/subject/qhg/id/19-20> (aufgerufen am 27.04.2024)