Synagogen in Hessen
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- 5524 Weyhers
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Weyhers
- Gemeinde Ebersburg, Landkreis Fulda — Von Susanne Gerschlauer
- Basic Data ↑
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Juden belegt seit
1627
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Location
36157 Ebersburg, Ortsteil Weyhers, Rhönstraße | → Lage anzeigen
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Rabbinat
Fulda
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preserved
nein
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Jahr des Verlusts
1916
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Art des Verlusts
Abbruch
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Gedenktafel vorhanden
nein
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Weitere Informationen zum Standort
- History ↑
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Der erstmals 1270 erwähnte Ort liegt etwa 15 Kilometer südöstlich von Fulda. Im Mittelalter lag die Grundherrschaft bei dem Kloster Fulda. 1498 hatten die Herren von Ebersberg das Patronatsrecht inne. Um 1700 gehörte der Ort zum Amt Weyhers. Von 1814-1866 lag die Herrschaft beim Königreich Bayern; von 1867 bis 1932 kam Weyhers erst zum Königreich, dann zum Freistaat Preußen, seit 1946 gehört es zu Hessen. 1933 lag das zuständige Amtsgericht in Gersfeld, seit 1945 ist dessen Sitz in Fulda (Zweigstelle Gersfeld). 1971 wurde der Ort mit weiteren Gemeinden zur neu gebildete Gemeinde Ebersburg zusammengeschlossen.1
Vielleicht lebten bereits Mitte des 17. Jahrhunderts Juden in Weyhers. Die dokumentierte Flucht des Juden Josef mit Ziel Weyhers im Jahr 1627 lässt darauf schließen.2 Darüber hinaus wurden in Weyhers lebende Juden im ersten Drittel des 18. Jahrhunderts erwähnt.3 1789 lebten zehn Familien mit 50 Angehörigen im Dorf.4 Im Verlauf des 19. Jahrhunderts sank ihre Zahl weiter ab. Um 1801 sind acht Familien verzeichnet, 1817 werden 40, 1843 ca. 40 Jüdinnen und Juden nachgewiesen.5 Um 1880 wurden sieben jüdische Familien, um 1885 25 jüdische Menschen im mehrheitlich katholischen Ort gezählt (ca. 4,3 Prozent Anteil an der Gesamtbevölkerung). 1890 lebten noch zwei jüdische Familien und um 1905 12 Personen jüdischen Glaubens im Ort.6
Wann genau die jüdische Gemeinde gegründet wurde, ist unklar, möglicherweise bereits im 18. Jahrhundert. Vermutlich wurde sie Ende des 19. Jahrhunderts, um 1890/1905 aufgelöst.7 Die noch in Weyhers lebenden Juden wurden der jüdischen Gemeinde Schmalnau, etwa vier Kilometer südlich benachbart liegend, zugeordnet.8
Die jüdischen Einwohner von Weyhers waren mehrheitlich eher arm. Sie lebten überwiegend als Händler (Vieh und Eisen) und Hausierer, zudem als Totengräber und Metzger, es gab einen Buchhalter und einen Schneidermeister (Gustav Steigerwald).9
Mit der Familie von Jakob Rosengarten siedelte 1938 eine der letzten in Weyhers lebenden Familien nach Frankfurt a.M. um.10 Die folgenden fünf in Weyhers geborenen bzw. länger im Dorf lebenden Jüdinnen und Juden wurden während der nationalsozialistischen Diktatur ermordet: Jettchen Mayer geb. Rosskamm, Jeanette Rosengarten, Jakob Rosengarten, Johanna Rosskamm, Berta Steigerwald geb. Rosengarten.11
- Betsaal / Synagoge ↑
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Ein Betraum für die Abhaltung der Gottesdienste bestand um 1817 im Privathaus von Joseph Rosengarten.12 Um 1843 sammelte die jüdische Gemeinde Weyhers im Rahmen einer Kollekte Geld zur Finanzierung eines Synagogenbaus.13 Somit bestand wohl in zeitlicher Nähe dazu, wohl spätestens um die Jahrhundertmitte, in Weyhers ein kleines Synagogengebäude. Es stand in der heutigen Rhönstraße/Ecke Schmiedegasse 114 und wurde bis etwa 1900 genutzt. Die Synagoge stand im historischen Ortskern, etwa 100 Meter nordwestlich der ebenfalls um die Jahrhundertmitte errichteten katholischen Kirche. 1916 wurde die Synagoge wegen Baufälligkeit abgerissen. Vermutlich war das Gebäude aus Fachwerk errichtet gewesen.15 Heute ist der ehemalige Standort des Gebäudes eine Grünfläche.
Eine Erinnerungstafel gibt es nicht.
- Weitere Einrichtungen ↑
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Mikwe
Es bestand eine Kellermikwe ohne Ablauf. Über ihre Lage im Ort ist nichts überliefert. Sie wurde 1825 im Rahmen der neuen Hygienegesetze, die im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts in Hessen und Bayern erlassen wurden, überprüft und für nicht den Vorschriften entsprechend deklariert. Da sich diese Situation in den Folgejahren nicht verbesserte, sollte die Mikwe auf behördliche Anordnung zugeschüttet werden.16
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Schule
Es gab einen Ort für den Religionsunterricht. Ein Lehrer war vermutlich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts angestellt. Er arbeitete zudem als Vorbeter und Schochet.17
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Cemetery
Der jüdische Friedhof von Weyhers wurde durch die Fürstäbte des Klosters Fulda ehemals für die Bestattung der Juden aus den Ämtern Weyhers und Gersfeld angelegt. Er soll älter als 500 Jahre sein. Noch erhaltene Grabsteine gehen bis auf 1731 zurück. Etwa seit der Mitte des 19. Jahrhunderts diente er als Bestattungsort für die Juden aus dem Altkreis Gersfeld.18
Der Friedhof liegt im Norden von Weyhers, westlich der Straße nach Dietershausen, Flur 4, 91/1. Der Sammelfriedhof besitzt heute noch 612 Grabsteine, wobei teilweise getrennt nach Geschlecht beerdigt wurde. Auch für Kinder existiert ein separates Gräberfeld. Das jüngste Grab des Friedhofs stammt von 1942. An das Grab von Berta Kneip geb. Rothschild, wurde eine hebräische Erinnerungstafel an Karl Kneip angebracht, der 1943 in Auschwitz umgebracht wurde.19 Nach Schließung des jüdischen Friedhofs in Fulda durch die Nationalsozialisten im Jahr 1941 wurden die jüdischen Fuldaer in Weyhers bestattet; zuletzt Zilla Goldschmitt, verstorben am 17.3.1942.20
Auf dem Friedhof wurde nach Aufgabe der Synagoge des Dorfes die Heilige Lade bestattet. Auch die Heilige Lade der Synagoge in Hettenhausen (bestattet am 24.5.1935) sowie Kultusgegenstände der Synagogengemeinde Schmalnau wurden auf dem Friedhof Weyhers bestattet.21
Auf Initiative engagierter Bürgerinnen und Bürger konnte 2021 der Beschluss zur Sanierung des als Kulturdenkmal unter Schutz stehenden Friedhofs gefasst werden. Der Landesverband der jüdischen Gemeinden in Hessen sowie das Regierungspräsidium Kassel teilten sich die Kosten für den Erwerb des alten Teils des Geländes, das bis dahin in Privatbesitz war. Gemeinsam mit der zuständigen Gemeinde Ebersburg und dem Landkreis Fulda soll die Instandsetzung und der Schutz gewährleistet werden.22
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Grabstätten
- References ↑
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Weblinks
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Sources
- Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden (HHStAW):
- HHStAW Best. 365, Nr. 803: Gräberverzeichnis des jüdischen Friedhofs in Weyhers (Ebersburg), aufgenommen 1936 von Jacob Leopold, Lehrer in Ingolstadt, 1858-1935 (1936)
- HHStAW Best. 365, Nr. 804: Gräberverzeichnis des jüdischen Friedhofs in Weyhers, 1900-1936
- HHStAW Best. 503, Nr. 7370: Entschädigungsansprüche der jüdischen Gemeinden im Regierungsbezirk Kassel. Band 1: Synagogen und andere jüdische Einrichtungen im Kreis Fulda (enth. u.a. Jüdischer Friedhof in Weyhers), (1932-1933) 1960-1963
- HHStAW Best. 518, Nr. 1280: Entschädigungsakte Jüdische Gemeinde Weyhers, 1954
- Hessisches Staatsarchiv Marburg (HStAM):
- HStAM Best. 17/1, Nr. 192: Juden im Amte Landeck (Schenklengsfeld: Ausbruch des gefangenen Juden Joseph und seine Flucht nach Weyhers), 1627
- HStAM Best. 112 d Orb, Nr. 989: Kollekte zum Bau einer Synagoge zu Weyhers, 1843
- HStAM Best. 180 Fulda, Nr. 8964: Jüdische Friedhöfe (auch Synagogen und Schulen) (enth. u.a. Pflege des jüdischen Friedhofs in Weyhers), 1946-1969
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Bibliography
- Arnsberg, Paul: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang. Untergang. Neubeginn, 2 Bde. Frankfurt a.M. 1971/1972, hier: Band 2, S. 383-384
- Imhof, Michael (Hrsg.): Juden in Deutschland und 1000 Jahre Judentum in Fulda, Petersberg 2011
- Imhof, Michael: Juden in der Rhön. 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland. Jubiläumsausgabe, Petersberg 2021
- Indices ↑
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Persons
Ebersberg, Herren von · Josef · Steigerwald, Gustav · Rosengarten, Jakob · Mayer, Jettchen, geb. Rosskamm · Rosskamm, Jettchen · Rosengarten, Jeanette · Rosskamm, Johanna · Steigerwald, Berta, geb. Rosengarten · Rosengarten, Berta · Rosengarten, Joseph · Kneip, Berta, geb. Rothschild · Rothschild, Berta · Kneip, Karl · Goldschmitt, Zilla
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Places
Fulda · Ebersburg · Schmalnau · Frankfurt am Main · Gersfeld · Dietershausen · Hettenhausen
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Sachbegriffe Geschichte
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Sachbegriffe Ausstattung
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Sachbegriffe Architektur
- Fußnoten ↑
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- Ortsartikel Weyhers auf LAGIS, Historisches Ortslexikon (siehe Link oben); Arnsberg, Jüdische Gemeinden 2, S. 383 ↑
- HStAM 17/1, 192 ↑
- Ortsartikel Weyhers auf Alemannia Judaica (s. Weblink) ↑
- Imhof, Juden in der Rhön, S. 97 ↑
- Imhof, Juden in Deutschland, S. 375; Imhof, Juden in der Rhön, S. 302 ↑
- Arnsberg, Jüdische Gemeinden 2, S. 383 ↑
- Imhof, Juden in Deutschland, S. 375; Ortsartikel Weyhers auf Alemannia Judaica (s. Weblink) ↑
- Arnsberg, Jüdische Gemeinden 2, S. 383; Ortsartikel Weyhers auf Alemannia Judaica (s. Weblink); Imhof, Juden in Deutschland, S. 375 ↑
- Imhof, Juden in Deutschland, S. 375 ↑
- Arnsberg, Jüdische Gemeinden 2, S. 383; Imhof, Juden in Deutschland, S. 375 ↑
- Gedenkbuch Bundesarchiv (s. Weblink); Gedenkstätte Yad Vashem (s. Weblink) ↑
- Imhof, Juden in der Rhön, S. 202 ↑
- HStAM 112 d Orb, 989 ↑
- Ortsartikel Weyhers auf Alemannia Judaica (s. Weblink); Imhof, Juden in Deutschland, S. 376, dagegen gibt „Kirchstraße“ an. ↑
- Ortsartikel Weyhers auf Alemannia Judaica (s. Weblink) ↑
- Imhof, Juden in der Rhön, S. 199 f.; Ortsartikel Weyhers auf Alemannia Judaica (s. Weblink) ↑
- Ortsartikel Weyhers auf Alemannia Judaica (s. Weblink) ↑
- Imhof, Juden in Deutschland, S. 376; Jüdische Gemeinden: Weyhers (s. Weblink); Google, Friedhof Weyhers, datiert die Anlage des Friedhofs auf vor 1760, bei Arnsberg, Jüdische Gemeinden 2, S 384, wird dagegen davon ausgegangen, dass der Friedhof seit etwa 1840 bestand. ↑
- Arnsberg, Jüdische Gemeinden 2, S. 383 f. ↑
- Arnsberg, Jüdische Gemeinden 1, S. 233 ↑
- Arnsberg, Jüdische Gemeinden 1, S. 364 sowie Arnsberg, Jüdische Gemeinden 2, S. 281, 384 ↑
- R. Ickler, „Nach 70 Jahren: Der alte Teil des jüdischen Friedhofs in Weyhers wird saniert“ in: Fuldaer Zeitung vom 5.5.2021 ↑
- Recommended Citation ↑
- „Weyhers (Landkreis Fulda)“, in: Synagogen in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/en/purl/resolve/subject/syn/id/538> (Stand: 29.11.2022)