Synagogen in Hessen
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- Großherzogtum Hessen 1823-1850 (Übersichtskarte mit handschriftlichen Ergänzungen) – 27. Erbach
Reichenbach
- Gemeinde Lautertal (Odenwald), Landkreis Bergstraße — Von Wolfgang Fritzsche
- Basic Data ↑
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Juden belegt seit
1748
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Location
64686 Lautertal, Ortsteil Reichenbach, Bangertsgasse 1 | → Lage anzeigen
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Rabbinat
bis 1923 Darmstadt I, danach Darmstadt II
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religiöse Ausrichtung
bis 1923 liberal, danach orthodox
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preserved
ja
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Gedenktafel vorhanden
ja
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Weitere Informationen zum Standort
- History ↑
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Reichenbach gehörte zum Amt Schönberg der Grafen von Erbach, in dem keine Juden ansässig waren. Ihre restriktive Ansiedlungspolitik änderte sich erst Mitte des 17. Jahrhunderts, betraf aber zunächst nicht das Amt Schönberg. Im Pfälzer Erbfolgekrieg hatten sich die Grafen unter anderem bei dem Frankfurter Juden Elkan Moses hoch verschuldet.1 Um diese Schulden abzutragen, verpfändeten sie das Amt um 1700 an den Brandenburg-Bayreuthischen Rat Konrad Valentin Reineck. Dieser sorgte dafür, dass das Niederlassungsverbot aufgehoben wurde.2
Bereits vor 1731 hatte sich eine Gemeinde für alle Juden im Amt gebildet, die in diesem Jahr eine Synagoge in Schönberg bauen konnte.3
In der Mitte des 18. Jahrhunderts lebte in Reichenbach ein Jude namens Elias. Er war verheiratet und Vater zweier Kinder. 1748 verkaufte er sein Wohnhaus für 100 Gulden an seine Tochter Judith anlässlich deren Hochzeit mit Koppel Hayum aus Jugenheim. Gleichzeitig behielten sich er und seine Frau ein lebenslanges Einsitzrecht vor. Letztlich wurde dieser Verkauf aber nicht rechtskräftig.4
1760 wurden bereits zwei männliche Juden sowie eine Witwe erwähnt, die allerdings nicht namentlich genannt werden. Bis 1816 stieg die Anzahl der jüdischen Familien auf neun an. Dies waren Simon Oppenheimer, Mayer Marx, Salomon Mayer, 1799 in den Schutz aufgenommen, Benjamin Mayer, 1796 in den Schutz aufgenommen, Mordechai Oppenheimer, 1814 aufgenommen, Löw Oppenheimer, 1813 aufgenommen, Beer Oppenheimer, 1794 aufgenommen, Jossel Oppenheimer, 1786 aufgenommen und Jonas Schack, der 1809 in den Schutz aufgenommen worden war.5
Um 1833 verlagerte sich der Sitz der Gemeinde von Schönberg nach Reichelsheim. Zu ihr gehörten auch die jüdischen Einwohner anderer Orte des ehemaligen Amtes Schönberg, Elmshausen und Zell. Mit 45 Mitgliedern stellte sie rund 6,3 % der Gesamtbevölkerung des Ortes. Ihren Höchststand erreichte diese Zahl 1843, als 85 jüdische Einwohner 7,4 % der Gesamtbevölkerung stellten. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts sank die Zahl wieder. 1925 lag sie bei 39 Personen.
Anfang der 1930er Jahre ging die Zahl der Gemeindemitglieder weiter zurück, so dass schließlich kein Gottesdienst mehr gehalten werden konnte.
Noch Ende der 1930er Jahre verließen mehrere jüdische Personen und Familien Reichenbach, um in die USA, nach Uruguay, Argentinien oder Australien auszuwandern.6 Nicht alle erreichten ihr Ziel. Die letzten drei jüdischen Einwohner aus Elmshausen und Reichenbach wurden im Frühjahr 1942 deportiert.
In Elmshausen erinnern Stolpersteine an die Ermordeten.
In Reichenbach wurde im Juni 2013 an der Ecke Nibelungenstraße/Knodener Straße ein Denkmal für Max Liebster, seit 2004 Ehrenbürger der Gemeinde Lautertal, errichtet. Er hatte die Lagerhaft überlebt und nach dem Holocaust Aufklärungs- und Erinnerungsarbeit geleistet.
- Betsaal / Synagoge ↑
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Bis in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts besuchten die Juden aus Reichenbach die Synagoge in Schönberg, die noch 1840 in den Akten erwähnt wird. In dieser Zeit verlagerte sich aber der Mittelpunkt des jüdischen Lebens von Schönberg nach Reichenbach, so dass sich die Gemeinde 1851 eine eigene Synagoge in der Bangertsgasse 1 erbaute. Es war ein zweigeschossiges, mit einem Satteldach gedecktes Gebäude. Seine Größe betrug etwa 12,5 mal 8,5 Meter. Der Zugang lag in der Südseite. Die Fenster waren, wie auch der Eingang, mit Rundbogen überwölbt. Dabei stachen die aus grauen Sandsteinen gefertigten Gewände und Sohlbänke aus dem Bruchsteinmauerwerk hervor. Einzig in der Ostwand befand sich kein Fenster.
Durch den Eingang gelangte man in den zentral gelegenen Flur, von dem aus ein links gelegener Geräteraum zu betreten war. Geradeaus ging es in einen kleinen Vorraum, der wiederum den Zugang zu der Mikwe ermöglichte. Rechts, also östlich des Flures, lag der eigentliche Synagogenraum, der sich über beide Stockwerke erstreckte.
Im Obergeschoss befand sich eine Zweizimmerwohnung mit Küche für den Lehrer sowie über dem Synagogenraum die Frauenempore.
Nachdem Anfang der 1930er Jahre die Anzahl der Gemeindemitglieder weiter zurückgegangen war und kein Gottesdienst mehr stattfand, verkaufte die Gemeinde im Mai 1938 das Synagogengebäude für 3.000 Mark an die politische Gemeinde. Zu diesem vergleichsweise niedrigen Preis dürfte auch der Umstand geführt haben, dass das Gebäude nicht unterkellert und in keinem sehr guten Zustand war. Die Kultgegenstände - fünf Thorarollen und eben so viele Paare silberner Thoraaufsätze mit Schellen, fünf Lesefinger, 20 Thoramäntel, 30 Wimpel, vier Thoraschreinvorhänge, vier Decken für Vorlese- und Vorbeterpult, eine Ewige Lampe, ein siebenarmiger Leuchter, ein Channukahleuchter, 30 Seelenlichter, zwei silberne Weinbecher, eine silberne Hawdallahgarnitur, ein Trauhimmel, ein Megillah, zwei Schofarhörner, 12 Gebetsmäntel, fünf Paar Phylakterien (Gebetriemen), 20 Gebetbücher, 20 Sätze Festgebetbücher, 20 Bände Pentateuch, ein Satz Aufrufplatten und eine silberne Ethrobüchse - wurden nach Auerbach ausgelagert und dort in der Pogromnacht zerstört.7
Die politische Gemeinde plante, in dem Gebäude bald nach dem Kauf einen Kindergarten einzurichten. Stadtbaumeister Bräunig aus Bensheim fertigte dafür die Pläne an und nahm auch den Zustand vor dem Umbau zeichnerisch auf. Dieser Umbau wurde aber nicht realisiert. Nachdem während des Krieges Gefangene hier untergebracht waren und die Synagoge nach dem Krieg als Schreinerei genutzt wurde, diente sie zeitweise auch als Versammlungsraum der katholischen Kirchengemeinde. Danach wurde sie privatisiert und 1965 zu einem Zweifamilienhaus umgebaut.8
Seit 1988 befindet sich unweit des Synagogengebäudes an einer Mauer in der Bangertgasse eine Gedenktafel.
- Weitere Einrichtungen ↑
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Mikwe
Als sich die Gemeinde 1851 in der Bangertsgasse 1 ein Synagogengebäude errichtete, enthielt dieses auch eine Mikwe. Sie speiste sich aus dem unweit vorbeifließenden Grautbach.
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Schule
Als sich die Gemeinde 1851 in der Bangertsgasse 1 ein Synagogengebäude errichtete, enthielt dieses auch eine Wohnung für den Lehrer, in der dieser den Unterricht hielt.
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Cemetery
Die Gemeinde bestattete ihre Verstorbenen auf dem Friedhof in Alsbach, auf dem sich 75 Reichenbacher Gräber aus dem Zeitraum von 1752 bis 1936 befinden.9
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Grabstätten
- References ↑
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Weblinks
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Sources
- Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden (HHStAW):
- HHStAW Best. 365, Nr. 48: Gräberverzeichnis des jüdischen Sammelfriedhofs von Alsbach (enth. Reichenbach), 1889–1941
- HHStAW Best. 518, Nr. 1410: Entschädigungsakte Jüdische Gemeinde Alsbach (enth. Aufstellung der aus der Synagoge Reichenbach ausgelagerten Kultgegenstände), 1950–1962
- Hessisches Staatsarchiv Darmstadt (HStAD):
- HStAD Best. E 9, Nr. 1934: Beurkundung und Abwicklung eines Kaufvertrags um ein näher beschriebenes Haus zwischen dem Juden Elias Jakob zu Reichenbach und seiner Tochter Judith, 1748–1749
- HStAD Best. G 15 Heppenheim, Nr. J 112: Auswanderung von Juden, 1937–1943
- HStAD Best. G 15 Heppenheim, Nr. L 50: Erhebung von Einzugs- und Schutzgeldern von Juden im Kreis Heppenheim. Bd. 1, 1821–1827
- HStAD Best. G 15 Heppenheim, Nr. Y 408: Erteilung von Baugenehmigungen zu Reichenbach (A–M), enth. Gemeinde u.a. Synagoge
- HStAD Best. G 17, Nr. 179: Israelitische Religionsgemeinde Reichenbach mit Elmshausen, Dornheim, 1909–1937
- HStAD Best. R 21 J, Nr. 1264: Abtragung der Schulden der Grafen v. Erbach-Schönberg gegenüber dem Juden Elkan Moses [zum Vogelsang] zu Frankfurt durch Verpfändung des Amtes Schönberg an den brandenburg-bayreuthischen Rat Konrad Valentin Reineck zur Abtragung von Schulden an Juden zu Frankfurt, 1698–1700
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Bibliography
- Alicke, Klaus-Dieter: Lexikon der jüdischen Gemeinden im deutschen Sprachraum. Gütersloh 2008
- Altaras, Thea: Synagogen und jüdische Rituelle Tauchbäder in Hessen – Was geschah seit 1945? 2. Aufl. Königstein im Taunus 2007, S. 277 f.
- Arnsberg, Paul: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang. Untergang. Neubeginn, 2 Bde. Frankfurt a.M. 1971/1972, hier: Band 2, S. 213-214
- Heinemann, Hartmut/Wiesner, Christa: Der jüdische Friedhof in Alsbach an der Bergstraße. Wiesbaden 2001 (Schriften der Kommission für die Geschichte der Juden in Hessen 18)
- Hellriegel, Martin und Hellriegel, Ludwig: Synagogen im Kreis Bergstraße, ihre Geschichte und Schicksale. In: Kreis Bergstraße. Geschichte, Wirtschaft und Kultur in zwölf Jahrhunderten. Hrsg. vom Kreisausschuss des Kreises Bergstraße. Heppenheim 1988, S. 97–117
- Krause-Schmidt, Ursula/Freyberg, Jutta von: Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstands und der Verfolgung 1933–1945. 1, Hessen. 1. Regierungsbezirk Darmstadt. Hrsg. vom Studienkreis Deutscher Widerstand. Frankfurt 1995
- Kunz, Rudolf: Die Reichenbacher Juden. In: Matthes, Richard (Bearb.): Reichenbacher Heimatbuch. 2., neu bearb. u. erw. Auflage. Hrsg. von der Sparkasse Bensheim. Bensheim 1987, S. 283–292
- Schaarschmidt, Manfred: 700 Jahre Schönberg. Dorf und Residenz im Odenwald. Bensheim 2003
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Illustration available
✓ (in Bearbeitung)
- Fußnoten ↑
- Recommended Citation ↑
- „Reichenbach (Landkreis Bergstraße)“, in: Synagogen in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/en/purl/resolve/subject/syn/id/56> (Stand: 25.8.2022)