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Pfarradjunkt Theodor Philipp Neuber 1717, Reichenbach

Reichenbach · Gem. Hessisch Lichtenau · Werra-Meißner-Kreis | Historical Gazetteer
Place of Location | Characteristics | Description | Inscription | References | Citation
Place of Location

Place of Location:

Reichenbach

Premises:

Hessisch Lichtenau-Reichenbach, Klosterkirche

Characteristics

Dating:

1717

Type:

Grabplatte

Conservation:

erhalten

Dimensions:

116 x 168 cm (B x H)

Größe der Buchstaben:

3,3 cm

Description

Description:

Grabplatte des Pfarradjunkts Theodor Philipp Neuber. Hochrechteckig, wird als Altarmensa benutzt. Dazu wurde die Grabplatte mit der glatten unbeschrifteten Rückseite nach oben auf vier Eckstützen gelegt. Da die Auflagestellen eingetieft wurden, ist dort die Schrift verloren gegangen und beim Zurichten der Platte ist an den Schmalseiten zwischen den eingetieften Auflagestellen das Steinmaterial abgeplatzt, sodass dort nur geringe Schriftreste erhalten sind. Um die Platte läuft zwischen Stegen ein schmaler Rand um, er trägt Inschrift A, die aus wenigen, in die Seitenmitten gestellten Wörtern besteht. Im Mittelfeld in einer ovalen, von Lorbeer gerahmten Kartusche Inschrift B, in gestaffelten Zeilen. Inschriften eingehauen.

Sex, Age, Family Status:

männliche Person(en)

Estate:

geistliche Personen

Dargestellte Personen:

Der Verstorbene, dessen Name fehlt, ist als Theodor Philipp Neuber zu erkennen. Das ergibt sich aus einer Äußerung des Pfarrers Konrad Ludolph, der Neuber betreffend im Jahr 1701 sagte: „Vor 2 jahren ist mir, auf mein unterthäniges nachsuchen, mein Eidam Ehren Theodorus Neuberus Rottenburgensis Hassus zum Adjuncto beygegeben worden, dessen alter ist 30 jahr.“1) Ein Alter von 30 bis 31 Jahren hatte im Jahr 1701 auch der Verstorbene, und seit seiner Hochzeit waren zwei bis drei Jahre vergangen. So kann die getroffene Identifizierung kaum fehl gehen.

Theodor Philipp Neuber war Sohn des Johann Adam Neuber, Schulmeister in Rotenburg, besuchte das Gymnasium in Hersfeld, studierte in Marburg und war dann Kantor und Schulmeister in Rotenburg.2) Seine Frau war Anna Martha Ludolph, sie starb als (wieder)verheiratete Proll in Solz am 2. 5. 1735 im 65. Jahr.3) Von den vier verstorbenen Kindern sind zwei inschriftlich erwähnt, die Tochter Eva Barbara Elisabeth und der Sohn Johann Conrad.4) Die einzige den Vater überlebende Tochter war Katharina Magdalena Neuber „aus der Lichtenau“, die am 17. 5. 1731 ihren Vetter Johann Heinrich Neuber, Pfarradjunkt zu Grandenborn, heiratete.5)


  1. Zur Quelle dieses Zitats s. Kat.-Nr. 202 Anm. 1.
  2. s. Sontraer Pfarrerbuch 2. Teil, 194.
  3. Anmerkung in Datenbank Blumenstein.
  4. s. Kat.-Nrr. 288, 289 und KB Reichenbach Def. ID 280.
  5. s. Sontraer Pfarrerbuch 2. Teil, 193.

Miscellaneous:

Die Inschrift fingiert, dass der Stein spricht. Der Sinn der Anfangszeile könnte sein: VIATOR STA, PETO LEGAS (= Wandrer, bleib stehen und lies!). Dann nennt er den Namen des Toten, wohl auch dessen Beruf und erzählt Wichtiges aus Neubers Leben. Er könnte dabei auf die Randinschrift Bezug nehmen, wie es [F]IXIT nahelegt und in der freien Ergänzung des Bearbeiters angestrebt wird. Seinen Vortrag schließt er mit der Angabe, wie alt der Verstorbene wurde. Aus [SEPTIM]A DIER(UM) ergibt sich nun, dass dabei Ordinalzahlen benutzt wurden. Denn eine Formulierung mit dem Sinn: „Er lebte 47 Jahre, einen Monat und sieben Tage“ müsste den Akkusativ DIES benutzen. Wollte man statt von sieben Tagen von einer Woche reden – septimana dierum für Woche ist belegt – müsste vor DIERUM ein M als Akkusativendung vorhanden sein. Demnach lautete der Text am Schluss sinngemäß:

„Er starb im 47. der Jahre, im ersten der Monate, am siebten der Tage.“

Wie sich nun NIHIL [D]IXI in diesen Zusammenhang fügt, bleibt unsicher. Vielleicht besinnt sich der Stein, dass er noch nichts zum Alter des Verstorbenen gesagt hat, worüber doch die Grabschrift üblicherweise Auskunft gab. Dann müssten im verlorenen Text hinter DIXI noch die Worte DE AETATE OBIIT oder Ähnliches vorhanden gewesen sein. Der Stein ist auf der Höhe der folgenden Zeilen beidseitig beschnitten, so dass man nichts über die Länge des verlorenen Textes aussagen kann; vor dem Lebensalter könnte durchaus ein dieses mit NIHIL DIXI verbindender Text gestanden haben.

Die Randinschrift spielt auf die Worte an, die Christus am Kreuz zu den Verbrechern spricht, die mit ihm gekreuzigt waren. Diese Worte scheinen in theologischen Abhandlungen wichtig gewesen zu sein, wie zwei Traktate belegen.6) Wenn sich der Verstorbene als socius crucis bezeichnet, so heißt das: Er bekennt seine Schuld und seinen Glauben. Die Wendung ist zuerst bei Prudentius belegt.7)

Eine andere Deutung geht von Calvin aus, der Christus selbst als „Gefährten des Kreuzes“ bezeichnet. Dann wird Christus als Gefährte angesehen, der beim Tragen einer Last hilft.8)

Das Wortspiel thalamus tumulus hatte sich längst eingebürgert, ehe es in dieser Inschrift benutzt wurde. Man findet es in Texten mit einem ernsten Anliegen wie auch in solchen, die spotten oder spielen wollen. Im ersten Verwendungszusammenhang erscheint es in Jacques Billy de Prunays (†1581) Versübersetzung des Gedichtes In laudem virginitatis von Gregor von Nazianz9) und ist weiter auch inschriftlich belegt in einer sizilianischen Grabinschrift von 1572 aus Messina:

Francisco Marchisio Salimbenii viro optimo et Annae Stattiae uxori ejus amantis-

simae genere et virtute clarissima Parentibus bene merentissimis Antoninus Mar-

chisius Scaletta Baro filius pientissimus monumentum hoc an. 1572:

Vnus erat Thalamus, tumulus datur unus utrique.

Vt cinis unus hic est, sic amor unus erat.10)

Auch Christoph von Schallenberg (1561–1597) hat es in der ersten Weise benutzt; in dem Gedicht In obitum Mariae Magdalenae Fernbergerae, puellae nobilissimae schreibt er:

Jam matura viro fuerat; sed pronuba donec

Juno parat thalamum, Parca parat tumulum.11)

Etwas später erscheint es in einem Epicedium, das der Leichenpredigt des 1627 verstorbenen Friedrich Alemeier beigegeben ist:

Vir erat ortu Hassus, Friderici nomine gaudens,

Allmeier calamo consilioque bonus . . .

A calamo in thalamum venit: sed vix tribus annis

Expletis rapitur de thalamo ad tumulum.12)

Nachweisbar ist es weiter bei Stephanus Paschasios (1529–1615). Hier steht es kaum mit einem realen oder ernsthaften Anliegen im Zusammenhang, sondern entspringt der Spiel- und Spottlust:

Janae Marianae

Haud tumulum, at thalamum. thalamum? non, imo viator,

Et tumulum et thalamum, si pote, cerne simul.

Saevus adulterii poenas a conjuge conjux

Dum petit, heu, jugulat me miseram hoc thalamo.

Sic mihi qui thalamus, tumulus quoque: scilicet idem

Causa mihi lethi, laetitiaeque fuit.13)

So auch in den folgenden Versen des Bohuslaus Balbinus (1621–1688):

Epitaphium Coniugum.

Heliodorus obit, vix unica transiit hora

Dilectum sequitur Diogenia virum.

In tumba veluti celebrare hymeneia vellent,

Fit thalamus tumulus, fit tumulus thalamus.14)

und bei Nicolaus von Bostel in seinem spottenden Zweizeiler, betitelt Ad Lucianum amplexibus immorientem,15) der sogar – wie Neubers Inschrift – SIC THALAMUS TUMULUS enthält:

Vitam amplectentem te mors amplectitur atra

Sic thalamus tumulus fit Luciane tuus.

Was soll man daraus über den Ursprung des Wortspiels schließen? Vielleicht liegt er in Italien bei den Humanisten. Es ist aber nicht auszuschließen, dass es älter ist. Denn in der Anthologia Latina ist es in AL 639 benutzt, aber der Dichter ist nicht bekannt:

Pyrrhus

Placat busta patris iugulata virgine Pyrrhus

dilectasque litat Manibus inferias.

Sors nova nymphigenae votum post fata meretur

quam pepigit thalamis, hanc habet in tumulis.16)

Auch in Inschriften gibt es ein Beispiel: CLE 1139

Servavi thalamum genio, dulcissime coniux:

servandus nunc est pro thalamo tumulus

Ornasti et manes lacrimis, miserabilis uxor:

haud optare alias fas erat inferias.17)

Die Worte LAMENTABILE TEMPUS waren wohl ebenfalls dichterisches Allgemeingut.

Sie könnten auf Baptista Mantuanus (d. i. Battista Spagnoli, 1447–1516) zurückgehen: haec fuit atra dies et lamentabile tempus / cum subito media tenebris in luce subortis / lumen in horribilem fugit sine nubibus vmbram / aurea cum vernus retinet et vellera Titan.18) Der Ausdruck hat weitere Verbreitung gefunden.19) Der Verfasser dieser Inschrift – vielleicht der Schwiegervater Konrad Ludolph – hat ihn zusammen mit der vorhergehenden Zeile durch Hinzusetzen des Ausrufs o zu einem Hexameter zusammengefügt.

Zu NON OBIERE, SED ABIERE s. Kat.-Nrr. 274, 277.


  1. Zu socius crucis s. Theophili Raynaudii Hagiologium exoticum. Lyon 1665, 592, und bei Jeremias Drexel: Deliciae gentis humanae Christus Jesus nascens, moriens, resurgens, Orbis . . . Antwerpen 1659, 882 f.
  2. Prud., Hymnus pro defunctis, str. 40. Für den Hinweis danke ich Michael Oberweis, Mainz.
  3. Diese Deutung schlägt Michael Oberweis vor. Die Stelle bei Calvin lautet: „Eximia deinde ad pios consolatio redit, quod dum pro Evangelii testimonio laborant, socium crucis sibi esse audiunt Filium Dei, qui ad levandum oneris partem humeros suos quodammodo supponit.“ (Commentariorum in Acta apostolorum ed. Helmut Feld, Band 1, S. 266, 15–18).
  4. s. S. Gregorii theol. carminum liber primus, Theologica, sectio II, Poemata moralia 1,633 (PG 37, 570). Auf diese mögliche Inspirationsquelle wies mich freundlicherweise Michael Oberweis, Mainz, hin. Im Griechischen sei dieses Wortspiel zwar nicht möglich, doch könnte griechisches θάλαμον τάφον lateinisches thalamus tumulus angeregt haben. Im Griechischen ist ein anderes, nicht unähnliches Wortspiel bei Palladas belegt (AP 11,301): πᾶσα γυνὴ χόλος εστίν· ἔχει δ᾽ἀγαθὰς δύο ὥρας / τὴν μίαν ἐν θαλάμῳ, τὴν μίαν ἐν θανάτῳ.
  5. Zitiert nach Francesco Maria Emanuele e Gaetani: Della Sicilia nobile, Bd. 4, Palermo 1759, 290. Einen leicht abweichenden Text bietet Fiumara, Giuseppe: Guida per la citta di Messina, Messina 1841, 98.
  6. Lat. Gedichte III 21,15–16 zitiert nach: Christoph von Schallenberg, ein österreichischer Lyriker des 16. Jahrhunderts, hrg. v. Hans Hurch, Tübingen 1910, 79.
  7. s. Rädle 258 Anm. 64.
  8. Beleg zitiert nach Aicher, Otto: Theatrum funebre . . ., Salzburg 1675, 91.
  9. s. ebd. 502.
  10. Zitiert nach: Nicolai von Bostel Poetische Nebenwerke, Hamburg 1708, 348.
  11. Anth. Lat. 639.
  12. Carmina Latina Epigraphica, ed. Buecheler 1139, d. i. CIL II 3001; s. außerdem ebd. 1142 . . . quos iungit thalamus, iunxerat ut tumulus.
  13. Baptista Mantuanus, De calamitatibus temporum II, fol. 75 (erstmalig gedruckt in Bologna 1489, zitiert nach: Opus Calamitatum Baptistae Mantuani: cum Commentario Sebastiani Murrhonis. 1502).
  14. z. B. in den Epistolae obscurorum virorum: O funesta dies, o lamentabile tempus und bei Christoph von Schallenberg (um 1600).
Inscription

Umschrift:

A SOCIUS / CRUCIS / TEXTUS PSALM(I) [. . .]a)

B a [– – –]TA PE[– – –] /

HIC /

[REQUIE]SCIT [IN PACE] /

[THEODORUS PHILIPPUS NEUBER /

[SOCIUS ILLIUS QUI] /

[PECCATA NOSTRA IN] /

[SE] OMNI[A F]IXIT /

SED HUC MENTEM /

ANNI 1670 d(ie) 23. AUGUSTI DIES NATALIS /

ANNI 1698 d(ie) 29. IUN(II) DIES CONIUGALIS /

ANNI 1717 d(ie) 29. SEPTEMB(RIS) DIES LETHALIS. /

SIC THALAMUS, TUMULUS. /

O LAMENTABILE TEMBUSb) /

LAMENTANTUR, VIDUA MOESTA /

ET FILIA UNICE DILECTA UNICA /

LIBERIc) IV NON OBIERE /

SED ABIERE /

NIHIL [D]IXId) /

[OBIIT XLVII /

ANNORUM /

PRIMO /

MENSIUM /

SEPTIM]Ae) /

DIER(UM)


  1. Beginn der Lesung auf dem oberen Rand, dann links, dann rechts. M. E. stand nichts im Randfeld der unteren Schmalseite.
  2. Sic für TEMPUS.
  3. Letztes E in I korrigiert.
  4. NIHIL [D]IXI Von den Buchstaben ist meist knapp das obere Drittel erhalten; mit Abständen und I-Punkten kann man hier einen sicheren Text ermitteln, nur das D fehlt ganz.
  5. Die rechte Haste des M ist erhalten; links davon unbearbeitete Fläche, deshalb sicher.

Übersetzung:

(A) Gefährte des Kreuzes. Psalmtext (. . .).

(B) (Wanderer, bleib stehen und lies). Hier (ruht in Frieden Theodor Philipp Neuber, der Diener dessen, der alle unsere Sünden auf sich nahm.) Doch (richte) den Sinn auf Folgendes: Im Jahr 1670 am 23. August war sein Geburtstag, im Jahr 1698 am 29. Juni sein Hochzeitstag und im Jahr 1717 am 29. September sein Todestag.

So ist nun das Grab das Ehebett, o Zeit voll Klagen. Es klagen traurig die Witwe und eine einzig geliebte, einzige Tochter. Vier Kinder sind nicht gestorben, sie sind nur von ihm gegangen. Ich habe nichts gesagt über (sein Alter . . .) Er starb im 47. der Jahre, im ersten der Monate, am siebten der Tage.

Kommentar:

Ein Hexameter (B, SIC – TEMBUS).

Schrift:

Kapitalis

References

Editing:

Die Inschriften des Werra-Meißner-Kreises I : Altkreis Witzenhausen. Gesammelt und bearbeitet von Edgar Siedschlag unter Mitarbeit von Rüdiger Fuchs (Die Deutschen Inschriften 87). 2017, Nr. 290.

Citation
„Pfarradjunkt Theodor Philipp Neuber 1717, Reichenbach“, in: Grabdenkmäler <https://www.lagis-hessen.de/en/subjects/idrec/sn/gdm/id/2412> (Stand: 20.3.2023)